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Verkehrssicherheit für FahrradfahrerLeider ohne Mut

Kommentar von Sara Wess

Ein gemeinsames Positionspapier von Fahrrad- und Logistikbranche will mehr Sicherheit auf den Straßen. Der Mut für echte Reformen fehlt dabei.

Die „Geisterräder“ werden vom ADFC als Mahnmale für tödlich verünglückte Radfahrer aufgestellt Foto: Soeren Stache/dpa

E ndlich haben sie sich an einen Tisch gesetzt: der Fahrradclub und der Brummiverband. Auf der Straße gebe es kein Gegeneinander, betonten ADFC-Chef Burkhard Stork und der Vorstand des Logistikverbands BGL, Dirk Engelhardt, immer wieder. Und man lasse das auch nicht inszenieren. Genau so wirkte aber ihre Pressekonferenz: inszeniert. Die beiden Männer reichen lächelnd das Mikro hin und her, während sie das gemeinsame Positionspapier in den Himmel loben. Übersichtliche Kreuzungen, getrennte Grünphasen, sichere Anfahrten zu Baustellen – was die Verbände fordern, ist bequem und unpolitisch.

Mit ihrem Positionspapier haben sich ADFC und BGL auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Ihre Ideen sind gut, zum Beispiel haben sie sich endlich auf den Einbau sogenannter Abbiegeassistenten in Lkws geeinigt, mit denen Abbiegeunfälle wirksam verhindert werden können. Doch nach bereits sechs toten Fahrradfahrern allein in diesem Jahr bräuchte es neue, weitaus mutigere Ideen. Diesen Mut aufzubringen, das erwarten ihre Mitglieder von den Interessenverbänden. Die Lkw-FahrerInnen, die nach Abbiegeunfällen traumatisiert zurückbleiben, und die RadfahrerInnen, von denen viel zu viele durch die Räder eines Lkw schwer verletzt oder getötet werden. Doch radikalere Maßnahmen haben es nicht in das Papier geschafft.

Für Forderungen nach Lkw-freien Innenstädten und Lieferungen nur per Lastenräder hat der Brummi-Lobbyist Engelhardt nichts übrig. Seine Gegenargumente sind nur formeller Natur: Personalmangel und die geringe Transportkraft von Lastenrädern. Bereit, das System zu ändern, sind die Spediteure nicht. Und die Radfahrlobbyisten wagen nicht den Konflikt. Lieber bleibt das neue Bündnis freundlich – und damit wirkungslos. Es ist ja auch viel einfacher, etwas zu fordern, was alle gut finden und wofür genug Geld im Bundeshaushalt vorgesehen ist.

Dieses Positionspapier ist ein bisschen wie ein Weihnachtsfest mit dem Ex-Partner, der Kinder zuliebe. Man begnügt sich mit oberflächlichen, ungefährlichen Gesprächen. Das funktioniert womöglich über Jahre – aber es ändert auch nicht wirklich etwas.

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8 Kommentare

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  • Jetzt habe ich mich über die Lastenräder lustig gemacht und prompt kommt Scheuer mit einem Pilotprojekt aus der Hüfte, das neben den Lastenrädern auch U-Bahnen enthält, die nachts Pakete an Umschlage-Bahnhöfe bringen, wo sie dann von den Schwerlast-Drahteseln abgeholt und weiter verteilt werden.

    Und ich stehe dumm daneben.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Früher hat die Post in Berlin die Pakete noch mit der Straßenbahn transportiert. Heute heizen zig Paketlieferdienste durch die Stadt.

    Wir müssen einen Großteil des innerstädtischen Transports auf Straßenbahnen ("Cargo-Tram") verlagern. Die sind umweltfreundlicher und sicherer als LKWs. Für den letzten Kilometer gibt es dann das Lastenrad.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Flächendeckend Tempo 30 halbiert die Zahl der Verkehrstoten - wissen alle, will aber keiner wissen!

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Da haben Sie Recht.



      Bin jeden Tag mit dem Fahrrad mitten in Hamburg auf autoüberfüllten Straßen unterwegs.



      Dabei werde ich ständig von Autos und kleinen LKW ( z.B. Sprinter) mit überhöhter Geschwindigkeit überholt, auch bei Gegenverkehr und dann mit manchmal nur 30-40 cm Abstand. Das ist lebensgefährlich und nur versierte Radfahrer haben Mut zu fahren.



      Raserei gilt bei Autonarren lediglich als Kavaliersdelikt, Radfahrer werden in der Regel nur als störend empfunden.



      Bei berechtigten Forderungen für Geschwindigkeitsbegrenzung wie von Ihnen vorgeschlagen ist der Aufschrei geschwindigkeitsgeiler motorisierter Verkehrsteilnehmer immer vorprogrammiert.



      Die Autoindustrie und dessen politischen Marionetten in den Regierungen haben kein Interesse an Geschwindigkeitsbegrenzung und Reduzierung von Autos. Weil immer größere, schwerere und PS- stärkere Autos Verkaufsschlager sind und als Wirtschaftsmotor gelten.



      Mekwürdigerweise habe ich nur äußerst selten Probleme mit Fahrern von LKW und Bussen. Dort ist das Verantwortungsbewußtsein Fahrradfahrern gegenüber meiner Ansicht nach am Besten vorhanden.



      Das nur diese Fahrzeuggruppe in Bezug auf Sicherheit im Fokus steht ist schwer nachvollziehbar.

  • Na sowas. Da kommt es zu diesem überaus besonderen Bündnis, es werden Vorschläge gemacht, die sich mit etwas Geld wohl schnell realisieren lassen. Aber das ist alles Käse.

    Weil, darum geht es: "Für Forderungen nach Lkw-freien Innenstädten und Lieferungen nur per Lastenräder hat der Brummi-Lobbyist Engelhardt nichts übrig."

    Fordern wir doch das ein paar Jahrzehnte lang, bevor wir etwas Realistisches verlangen.

    • @Jim Hawkins:

      Lustig auch der Satz der taz: „ Seine Gegenargumente sind nur formeller Natur: Personalmangel und die geringe Transportkraft von Lastenrädern

      Deshalb: Krankenpfleger und Lehrer zu Lastenradtreter! Lasst hundert Lastenräder blühen, äh fahren, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern!

      • @Rudolf Fissner:

        Mir kommt das auch etwas überspannt vor. LKW-freie Innenstädte sind ja gut und schön. Aber bei dieser Initiative geht es darum, zu verhindern, dass noch mehr Radfahrerinnen und Radfahrer durch LKW getötet werden.

        Und das nicht erst in 20 Jahren, sondern noch dieses Jahr.

        2040 kann man dann staunend bewundern, wie hunderte von Lastenrädern Tag für Tag Karstadt am Hermannplatz ansteuern.

      • @Rudolf Fissner:

        Auf nach Bretzelburg!