Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer: Leider ohne Mut
Ein gemeinsames Positionspapier von Fahrrad- und Logistikbranche will mehr Sicherheit auf den Straßen. Der Mut für echte Reformen fehlt dabei.
E ndlich haben sie sich an einen Tisch gesetzt: der Fahrradclub und der Brummiverband. Auf der Straße gebe es kein Gegeneinander, betonten ADFC-Chef Burkhard Stork und der Vorstand des Logistikverbands BGL, Dirk Engelhardt, immer wieder. Und man lasse das auch nicht inszenieren. Genau so wirkte aber ihre Pressekonferenz: inszeniert. Die beiden Männer reichen lächelnd das Mikro hin und her, während sie das gemeinsame Positionspapier in den Himmel loben. Übersichtliche Kreuzungen, getrennte Grünphasen, sichere Anfahrten zu Baustellen – was die Verbände fordern, ist bequem und unpolitisch.
Mit ihrem Positionspapier haben sich ADFC und BGL auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Ihre Ideen sind gut, zum Beispiel haben sie sich endlich auf den Einbau sogenannter Abbiegeassistenten in Lkws geeinigt, mit denen Abbiegeunfälle wirksam verhindert werden können. Doch nach bereits sechs toten Fahrradfahrern allein in diesem Jahr bräuchte es neue, weitaus mutigere Ideen. Diesen Mut aufzubringen, das erwarten ihre Mitglieder von den Interessenverbänden. Die Lkw-FahrerInnen, die nach Abbiegeunfällen traumatisiert zurückbleiben, und die RadfahrerInnen, von denen viel zu viele durch die Räder eines Lkw schwer verletzt oder getötet werden. Doch radikalere Maßnahmen haben es nicht in das Papier geschafft.
Für Forderungen nach Lkw-freien Innenstädten und Lieferungen nur per Lastenräder hat der Brummi-Lobbyist Engelhardt nichts übrig. Seine Gegenargumente sind nur formeller Natur: Personalmangel und die geringe Transportkraft von Lastenrädern. Bereit, das System zu ändern, sind die Spediteure nicht. Und die Radfahrlobbyisten wagen nicht den Konflikt. Lieber bleibt das neue Bündnis freundlich – und damit wirkungslos. Es ist ja auch viel einfacher, etwas zu fordern, was alle gut finden und wofür genug Geld im Bundeshaushalt vorgesehen ist.
Dieses Positionspapier ist ein bisschen wie ein Weihnachtsfest mit dem Ex-Partner, der Kinder zuliebe. Man begnügt sich mit oberflächlichen, ungefährlichen Gesprächen. Das funktioniert womöglich über Jahre – aber es ändert auch nicht wirklich etwas.
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