Verkehrspolitik in Berlin: Der Straßen(wahl)kampf geht weiter
Die Friedrichstraße wird wieder Fußgängerzone: Mit dieser Ankündigung zieht die grüne Spitzenkandidatin Jarasch den Zorn der Regierenden auf sich.
Aber der Reihe nach. Am Mittwoch hat Jarasch ihre Pläne vorgestellt, zusammen mit Baustadträtin Almut Neumann (Grüne). Das Zeichen: Bezirk und Land arbeiten eng zusammen, wenn es darum geht, die historische Mitte fußgänger*innenfreundlicher zu gestalten. Das ist das erklärte Ziel der Senatorin, und daher wird das Stück zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße komplett und dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt.
„Damit kann und wird es eine deutliche Steigerung der Aufenthaltsqualität geben: bessere Luft, weniger Unfälle, mehr Raum für Fußgänger“, begründete Jarasch, die eben auch grüne Spitzenkandiatin für die Wahl ist, den Umbau.
Auf Weltmetropolenniveau
Andere Orte in Mitte – vom Checkpoint Charlie über den Boulevard Unter den Linden bis hin zum Molkenmarkt – sollen perspektivisch ähnlich entwickelt werden. Jarasch sieht sich hier auch unter globalem Druck: Die Friedrichstraße werde eine „Einkaufs- und Verweilstraße auf dem Niveau anderer Weltmetropolen“; New York, Paris, Brüssel würden ihre Innenstädte ähnlich umgestalten.
Für Autos ist die Friedrichstraße in dem Teilstück nun tabu, auch die Parkplätze entfallen. Lieferverkehr kann die Fußgängerzone immerhin kreuzen. Radler*innen dürfen, wenn sie nicht die parallele Radstraße nutzen wollen, dort weiterhin fahren, allerdings nur in Schrittgeschwindigkeit. „Wenn das nicht funktioniert, müssen wir nachsteuern“, machte Jarasch klar und fügte hinzu: „Wir haben aus dem Verkehrsversuch gelernt. Der Radschnellweg war keine so gute Idee.“
Denn autofrei war die Friedrichstraße ja schon mal: Bereits Jaraschs glücklose Vorgängerin, Verkehrssenatorin Regine Günther, hatte hier ihre grüne Vision von Stadtumbau präsentiert. Sie sperrte dasselbe Teilstück im August 2020 für Autos – und alle Grünen luden ab da zu Pressegesprächen sehr gern in Cafés in die Straße ein, vor denen man nun auch draußen sitzen konnte.
Doch der erhoffte Aufschwung der in Teilen exklusiven Kaufmeile mit mehreren Edelkaufhäusern blieb trotz hölzerner Straßenmöbel aus, was sicher zum Teil mit der Pandemie zu tun hatte. Aber eben nicht nur: Viel kritisiert wurde der Radweg, andere monierten die Baustellenatmosphäre durch die temporären Absperrungen und die bisweilen verloren wirkenden Schaukästen.
Spektakulär hingegen dann das – vorübergehende – Ende der Sperrung im November: Nach Klagen von Anlieger*innen musste die Straße wieder freigegeben werden für Autos, denn der Verkehrsversuch war zwar bereits im Herbst 2021 vorbei, die Sperrung aber nicht aufgehoben worden.
Die erfolgreiche Klage markierte auch den Anfang des Wahlkampfs – Wochen bevor das Berliner Verfassungsgericht die Wahl von 2021 offiziell für ungültig erklärt hatte. Denn als Reaktion auf das Friedrichstraßen-Urteil hatte die Regierende von ihrer Verkehrssenatorin gefordert, das Urteil schnell umzusetzen, und zudem Jarasch öffentlich Inkompetenz unterstellt. Jarasch konterte, Giffey habe wohl nicht verstanden, worum es bei dem Urteil ging.
Katina Schubert, Linkspartei
Sie nutzte die Zeit, um die Umwidmung der Friedrichstraße gründlich und rechtssicher vorzubereiten, wie sie am Mittwoch sagte. „Klagen gegen die Fußgängerzone sind weiterhin möglich, aber sie haben keine aufschiebende Wirkung“, so die Senatorin.
Ohne Aufschub hingegen kam die erneute harsche Kritik von Franziska Giffey. „Diese Aktion ist nicht im Senat abgestimmt. Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht“, erklärte sie am Mittwoch, erstaunlicherweise nicht in ihrer Funktion als SPD-Spitzenkandidatin, sondern explizit als Regierende Bürgermeisterin.
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) warf Jarasch vor, alte Fehler zu wiederholen, indem diese den letzten Schritt mache vor dem ersten. „Mit dieser Aktion schafft man kein Vertrauen in den Prozess und stellt auch die Idee einer echten Beteiligung, die jetzt so wichtig gewesen wäre, gleich zu Anfang in Frage.“
Nächste Woche Am Montag beginnen einwöchige Bauarbeiten, etwa um Sitzgelegenheiten aufzustellen, die im Sommer begrünt werden. Dann soll es auch Kulturveranstaltungen geben, etwa ein Straßenfest.
Die nächsten Jahre Mit den Anlieger*innen soll ein Gesamtkonzept erarbeitet werden. Perspektivisch will Jarasch „Friedrichstraße und Gendarmenmarkt zu einem gemeinsamen Raum verbinden“. (taz)
Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände sah wenig Positives: „Die Verkehrsverwaltung setzt weiter auf schlichte Symbole statt auf kluge Konzepte. 500 Meter Straße zu sperren bringt die Verkehrspolitik kein Stück voran“, sagte ihr Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.
Ähnlich sieht es das Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße!“, ein Verbund von Anlieger*innen. Es kündigt Widerstand an: „Sobald die Allgemeinverfügung am Freitag im Wortlaut vorliegt, wird diese umgehend rechtlich geprüft und das Bündnis alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um gegen die erneute Sperrung vorzugehen.“ Dem Bündnis sei am Mittwoch viel Unterstützung von unterschiedlicher Seite angeboten worden.
Jarasch kontert die Kritik
Jarasch wies die Kritik zurück: Sie habe nur umgesetzt, was sie im November bereits angekündigt habe. Die Lösung für den gesamten Bereich einschließlich Gendarmenmarkt werde nun in Zusammenarbeit mit den Anlieger*innen erarbeitet; dafür wurde ein externes Planungsbüro beauftragt, das bereits Kontakte vor Ort aufgebaut habe.
Rückendeckung in der Debatte bekam Jarasch von Linksparteichefin Katina Schubert: „Es war immer klar, dass die Friedrichstraße an dem Punkt Fußgängerzone werden sollte, und es war auch klar kommuniziert, dass es kommen wird“, sagte Schubert der dpa. „Diese Aufregung, die jetzt darum gemacht wird, ist deswegen auch Wahlkampfgeklingel.“
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