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Verjährte Cum-Ex-MillionenAugen auf und durch

Olaf Scholz und Peter Tschentscher müssen von den Steuertricks der Warburg-Bank gewusst haben. Die SPDler hätten eingreifen sollen.

Kaum zu glauben, dass sie nichts von der Verjährung wussten: Scholz und Tschentscher Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Die Rechtfertigung der Hamburger Finanzbehörde bei einem möglichen Steuerklau durch die Warburg-Bank führt in die Irre. Nach Recherchen der taz hätte die Behörde durchaus vermeiden können, dass eine Rückforderung über 47 Millionen Euro verjährte. Die Sache ist brisant, weil sich der Verdacht politischer Einflussnahme aufdrängt und Hamburg an diesem Sonntag eine neue Bürgerschaft wählt.

Den Hintergrund der Vorgänge bilden die Cum-Ex-Geschäfte, mit denen die Finanzbranche allein dem deutschen Fiskus in den vergangenen 20 Jahren schätzungsweise zehn Milliarden Euro stahl. Dabei wurden Aktien um den Dividendenstichtag herum schnell zwischen mehreren Beteiligten gehandelt. Ziel dabei war es, sich die dabei einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen.

Solche Geschäfte sind zurzeit Gegenstand eines großen Prozesses am Landgericht Bonn. Auch die Hamburger Warburg-Bank ist darin verwickelt. In dem Strafverfahren gegen zwei Londoner Aktienhändler droht ihr die Einziehung von Taterträgen. Darüber hinaus ist sie mit Steuerrückforderungen der Finanzämter konfrontiert, was sich zu einem dreistelligen Millionenbetrag summieren könnte.

47 Millionen Euro hat sich das Hamburger Finanzamt entgehen lassen, weil es eine entsprechende Forderung nicht bis Ende 2016 geltend machte, sodass diese verjährte. Zum Thema Verjährung teilte die Finanzbehörde der Hamburgischen Bürgerschaft mit, die Steuerverwaltung prüfe sorgsam, ob es möglich sei, eine Forderung durchzusetzen.

Fragwürdige Argumentation

Dabei sei „sicherzustellen, dass die Entscheidung auch in einem gerichtlichen Verfahren Bestand haben“ werde. Andernfalls drohe der Stadt großer Schaden „durch den Fortfall der Steuereinnahmen, ­Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise Amtshaftungsansprüche“.

Steuerexperten, die die taz gesprochen hat, halten diese Argumentation für fragwürdig und womöglich vorgeschoben: Es sei durchaus gängig, dass Finanzbehörden unklare Ansprüche zunächst einfach festsetzten, wenn Verjährung drohe und dabei einen Einspruch des Steuerpflichtigen in Kauf nähmen. Dann müsse der mutmaßliche Steuerschuldner zunächst nicht zahlen und die Behörde habe ausreichend Zeit, den Fall zu prüfen. Das Kostenrisiko würde in einem solchen „Rechtsbehelfsverfahren“ größtenteils vermieden.

Die Hamburger Behörde antwortete der taz mit allgemeinen Ausführungen: Sie dürfe eine belastende Maßnahme wie den Erlass eines Steuerbescheids nur ergreifen, wenn sie, „dies auf Basis eines belastbar ermittelten Sachverhalts tut und von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme überzeugt ist“. Keinesfalls dürfe sie das in der Hoffnung tun, dass „die zu seiner Begründung erforderlichen Sachkenntnisse in nächster Zukunft noch gefunden bzw. hinreichend konkretisiert werden können“.

Das widerspreche der Praxis der Finanzämter, sagt ein Betriebsprüfer. Verjährung sei ein Problem, mit dem sich die Finanzverwaltung besonders bei komplizierten Fällen häufig konfrontiert sehe und dem sie begegne, indem sie vorsichtshalber noch einen Bescheid verschicke. „Gerade die Gestaltung von Cum-Ex beinhaltet jede Menge Sachverhalts- und rechtliche Fragen“, sagt der Steuer-Fachmann.

Sparsame Antworten

Mit Antworten ist die Finanzbehörde merkwürdig sparsam. Bezogen auf den Einzelfall verweigert sie mit Blick auf das Steuergeheimnis die Auskunft. Sie teilt aber auch nicht mit, in wie vielen Cum-Ex-Fällen ganz allgemein sie von diesem Rechtsbehelfsverfahren Gebrauch gemacht habe.

Nach einer Auskunft des Bundesfinanzministeriums an die Grünen für die Zuflussjahre 2006 bis 2011 wurde dieses Rechtsbehelfsverfahren bundesweit in 25 Fällen angewandt. Hier lässt sich also durchaus von einem gängigen Vorgehen sprechen. In Hamburg: Fragezeichen.

Angesichts der beträchtlichen Summe von 47 Millionen Euro ist anzunehmen, dass die Entscheidung, die zur Verjährung führte, nicht von einem Sachbearbeiter getroffen, sondern von oben abgesegnet wurde, möglicherweise sogar vom Senator – und der war der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher.

Dazu kommt, dass die Hamburger SPD im Jahr darauf von mit Warburg verbandelten Firmen mit Spenden bedacht wurde und sich der ehemalige Warburg-Chef Christian Olearius 2017 mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz in dessen Büro traf. Olearius notiert: „Dann berichte ich vom Sachstand bei Finanzbehörde, Staatsanwaltschaft. Ich meine, sein zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.“ Die Senatskanzlei stritt das Gespräch zunächst ab, Scholz hat es inzwischen eingeräumt.

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13 Kommentare

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  • Da wird einem Banker, der verdächtig ist mit seinen Kumpels dem Steuerzahler allein in einem Jahr 47 Millionen geklaut zu haben beim Oberbürgermeister per Privataudienz im Amtszimmer und Scholzens Olaf hält einfach nur fein die Schnauze.

    Und was hat diese Partei über H4er vom Leder gezogen, den Schmarotzern stände kein Kindergeld zu, das würden sie ehe nur versaufen und verrauchen.

  • Auch danke für die erhellende Formulierung,

    Zitat:



    "die -Entscheidung-, die zur Verjährung führte"



    Zitat Ende

    Die Legende von "hopla nicht aufgepasst, ist leider verjährt" hat jeden, der ein wenig von der Materie versteht, ohnehin grün anlaufen lassen.

    Erinnert sei, dass der Oberbegriff "Korruption" auch den Straftatbestand des § 302 StGB umfasst.

    Aber, D.I.E. vorgegebenen Regeln des "Dreisäulenansatzes" zur Korruptions bekampfung ist traurige Schönfärberei: "D.I.E. arbeitet interdisziplinär insbesondere mit Spezialdienststellendes LKA und der Hamburger Finanzverwaltung zusammen, wie es hießt, und bei der Hamburger Finanzverwaltung ist oberster Chef der Herr Minister; gelle...



    www.hamburg.de/die/

  • Seltsam, in anderen Medien werden die gleichen Tatsachen zur Entlastung der SPD herangezogen. Nun ist die Parteipräferenz der Taz ja hinlänglich bekannt, muss sie wirklich so plump vorgehen, um nur ja der Lieblingspartei noch ein paar Prozente mehr zu verschaffen?

    • @Suryo:

      Können Sie erklären, wie die SPD hierbei entlastet werden soll? Für mich sieht das recht eindeutig aus und ich lese nicht nur die Taz.

    • @Suryo:

      Lesen Sie doch mal den Text richtig, anstatt zu polemisieren.

  • Danke Herr Knödler; ein ausgezeichneter Beitrag!!

    Wie Sie sehr gut recherchiert haben, können bei Geltendmachung eines Steueranspruchs durch einen Verwaltungsakt, der zunächst die Verjährung verhindert, keinesfalls die von der Steuerbehörde vorgeschobenen Kosten entstehen.

    Sie können davon ausgehen, dass sämtliche Einlassungen der Steuerbehörde in dieser Angelegenheit sorgfältig mit dem Ministerium abgesprochen werden. Die geben in so einer brisanten Angelegenheit nichts nach Außen, ohne sich vorher mit dem Ministerium das o.k. zu holen.

    In Ihrem unten zitierten Absatz können Sie das Wort "ist anzunehmen " getrost durch das Wort "absolut sicher" austauschen.

    Zitat:

    Angesichts der beträchtlichen Summe von 47 Millionen Euro ist anzunehmen, dass die Entscheidung, die zur Verjährung führte, nicht von einem Sachbearbeiter getroffen, sondern von oben abgesegnet wurde, möglicherweise sogar vom Senator – und der war der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher.

    Zitat Ende

    Nochmal Danke Herr Knödler!! Die 4. Gewalt funktioniert noch.

    • @Günter:

      Lieber Günter,



      Sie sprechen hier einen sehr interessanten Punkt an und es klingt so, als hätten Sie Sachverstand in diesem Thema. Ich verfolge den CumEx-Skandal auch schon sehr lange interessiert. Ich würde mich freuen, wenn wir uns zu diesem Thema austauschen könnten. Falls Sie daran auch Interesse haben, würde ich Ihnen auf irgendeinem Weg Kontaktinformationen zukommen lassen, die ich jetzt hier ungerne öffentlich teilen möchte.

      Freundliche Grüße!

  • Man fragt sich natürlich wie es sein kann dass unsere Herren Politiker völlig unverblümbt und offenbar ohne jedes schlechte Gewissen unser Geld zum Fenster raus schmeissen oder in die eigene Tasche wirtschaften.

    Aber die Antwort ist einfach: Sie wissen nur allzugut das wir als Wähler strunzdumm sind und sie wieder wählen werden.

    Tröstlich ist nur, dass noch jemand dümmer ist -nämlich die Parteimitglieder - denn sonst wären sie längst nicht mehr Parteimitglieder.

  • MW geht es bei Cum-Ex um 33 Mia. NoWaBo hat in NRW immerhin in anders gelagerten Fällen für 7 Mia Einnahmen gesorgt. Selbst wenn die SPD gewinnen sollte, die Kuh ist nicht vom Eis. Genosse der Bosse, gilt nicht nur für Schröder

  • Hey, andere SPDler werden mit strafbaren Taten im Amt sogar Bundespräsident.

    der Scholzomat macht schon alles richtig!

  • Ich bin dafür, wir ziehen die Herren mit Ihrem Privatvermögen zur Rechenschaft .

    Ich erinnere mich letztlich häufiger an eine Benjamin Blümchen Hörspiel Episode. Da sind die Bürger alle gegen Korruption eines Politikers auf die Straße demonstrieren und alle riefen ganz laut "Zurücktreten! Zurücktreten!"

    • @Reyde Lanada:

      Wie heisst die Episode ?



      Wenn man hier gegen die Korruption auf die Straße ginge würden auch überall Rufe laut: "Zurücktreten, Zurücktreten" - aber natürlich von den Ordnungshütern ...

      • @Bolzkopf:

        Ich suche noch. Ich werde sie wieder finden