Verhandlungen zum Mindestlohn: Frühestens 2016
Union und SPD nähern sich in Sachen Mindestlohn an und setzen eine Komission ein. Kritik an den Plänen kommt aus der Wirtschaft und von der Opposition.
DÜSSELDORF/BERLIN/FRANKFURT dpa/rtr | Bei den Koalitionsverhandlungen über den Mindestlohn zeichnet sich einem Zeitungsbericht zufolge ein Kompromiss zwischen Union und SPD ab. Der von der SPD geforderte gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro solle nach dem Willen der Union frühestens 2016 in Kraft treten, sagte ein nicht näher genannter Verhandlungsführer der Union der Rheinischen Post. Bedingung der Union sei zudem, dass eine Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern Ausnahmen für bestimmte Branchen und Regionen erarbeiten könne.
Die Unterhändler von Union und SPD in der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales haben sich nach Informationen der Zeitung aus Teilnehmerkreisen auf die Grundzüge der Kommission verständigt. Demnach soll die Mindestlohn-Kommission nach dem Vorbild der britischen „Low pay“-Kommission paritätisch aus je drei Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebervertretern besetzt werden. Zusätzlich könne jede Seite einen Wissenschaftler benennen, hieß es.
Den Vorsitz soll ein Mitglied der Kommission übernehmen, diese Person müsse einstimmig gewählt werden. Wann der Mindestlohn von 8,50 Euro Gesetzeskraft erlangen soll, müssten die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) entscheiden, hieß es in der Arbeitsgruppe.
Die Bundesbank warnt indes vor erheblichen Risiken beim Mindestlohn. Die von der SPD geforderte gesetzliche Vorgabe einer allgemeinen Lohnuntergrenze sei ein beträchtlicher Eingriff in die Lohnfindungsstrukturen und mit erheblichen Beschäftigungsrisiken verbunden, betonte die Notenbank in ihrem am Montag in Frankfurt veröffentlichten Monatsbericht.
Gegenwärtig erhalte ein Sechstel der Arbeitnehmer in Deutschland Stundenvergütungen von weniger als den SPD-seitig verlangten 8,50 Euro, schreiben die Experten. „Bei einer generellen Anhebung dieser Niedrigentgelte entstünde ein beträchtlicher Lohnkostendruck, der sich zum Teil in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen wird.“
„Totale Schlappe“ für die SPD
Wenn die Unternehmen die Mehrbelastungen nicht weitergeben oder auffangen könnten, wären Arbeitsplätze direkt betroffen. „Auch wenn infolge etwaiger Preisanhebungen Nachfrage ausbliebe, verringerten sich die Beschäftigungsmöglichkeiten“, so die Bundesbank.
Ein hoher allgemeiner Mindestlohn dürfte sich auf das gesamte Tarifgefüge auswirken und könnte weitere Lohnanhebungen anstoßen, betonte die Bundesbank. Gerade für gering qualifizierte Arbeitnehmer würde ein (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt durch hoch angesetzte Mindestlöhne erschwert.
Weitere Kritik erntete der Kompromiss zudem von der Linken. „Sollte ernsthaft erwogen werden, erst ab 2016 einen Mindestlohn einzuführen, hätte die SPD in den Koalitionsverhandlungen eine totale Schlappe kassiert“, so Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion die Linke. „Es gäbe dann keinen Mindestlohn mit der neuen Regierung. Wer jetzt Pläne für die Zeit in drei Jahren macht, der kann auch nicht mehr mit der Zahl von 8,50 Euro operieren. Es stellt sich die Frage, ob die SPD mit sich Schlitten fahren lässt.“ Ernst weiter: „Im Bundestag liegt ein Gesetzentwurf zur sofortigen Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro vor. Die rechnerische Mehrheit ist da.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen