Verhandlung zum Paragraf 219a: Befangenheitsantrag gegen Richter
Im Prozess gegen zwei Frauenärztinnen in Kassel hat es noch kein Urteil gegeben. Sie werfen dem vorsitzenden Richter Befangenheit vor.
Szász stellte gegen den Vorsitzenden Richter des Amtsgerichts einen Befangenheitsantrag. „Ich hatte den Eindruck, es gibt eine Vorverurteilung“, sagte sie der taz. „Ich möchte gern an unseren Rechtsstaat glauben, aber hier habe ich gewisse Grenzen gesehen.“ Szász störte sich unter anderem daran, dass der Richter von „Kunden“ statt von „Patientinnen“ gesprochen hatte. Schwangere seien keine „Kundinnen“, die geworben werden könnten.
Die Verteidigung warf dem Richter zudem mangelndes Aufklärungsinteresse vor. Er hatte mit nur kurzer Begründung mehrfach den Antrag abgelehnt, einen Sachverständigen zum Thema zu hören. Dieser sollte beweisen, dass die Strafvorschrift des Paragrafen 219a verfassungswidrig ist.
Die frauenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, sagte der taz: „Die Verhandlung zeigt sehr deutlich, dass Gerichte mit dem Paragrafen 219a nicht angemessen umgehen können.“ Der Paragraf sei viel zu unklar. „Wir müssen in Berlin rechtspolitisch für Klarheit sorgen.“
Linke und Grüne wollen Paragraf 219a abschaffen
Auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte: „Die SPD sollte sich nicht länger von der Union hinhalten lassen und endlich politisch durchsetzen, was sie beschlossen hat: Die Streichung von 219a.“ Linke und Grüne im Bundestag wollen den Paragrafen abschaffen, die Union will ihn beibehalten, die SPD wackelt.
In Kassel wird nun wird ein anderer Richter des Amtsgerichts entscheiden, ob der Vorwurf der Befangenheit berechtigt ist. Einen Termin für eine Fortsetzung der Verhandlung gab es noch nicht. Sollte kein Termin in den nächsten drei Wochen gefunden werden, muss das Verfahren neu aufgerollt werden.
Gabriele Heinecke, die Anwältin von Natascha Nicklaus, sagte, beide Frauen würden wenn nötig bis vor das Bundesverfassungsgericht oder auch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ziehen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung