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Verhandlung über Compact-VerbotKann die Innenministerin Medien verbieten?

Der Prozess um das Verbot des rechtsextremen Compact-Verlags beginnt mit einer grundsätzlichen Frage: Hebeln Vereinsverbote die Pressefreiheit aus?

Prozessauftakt: Jürgen Elsässer (M), Compact-Chefredakteur, seine Ehefrau Stephanie Elsässer und Laurens Nothdurft, Klägeranwalt Foto: Hendrik Schmidt/dpa

LEIPZIG taz | Die Anwälte der rechtsextremen Compact Magazin GmbH halten das Vereinsverbot schon im Ansatz für haltlos: Ein Presseorgan könne nicht als Verein verboten werden. Das Bundesverwaltungsgericht, dessen Verhandlung an diesem Dienstag begann, dürften sie damit aber wohl nicht überzeugen.

Die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Sommer 2024 die Compact Magazin GmbH nach dem Vereinsrecht verboten. Das herausgegebene Magazin richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen die Menschenwürde von Migrant:innen. In einer Eil-Entscheidung setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) das Verbot jedoch bis zur jetzigen Verhandlung aus.

Zu Beginn der Verhandlung ging es zunächst nur um die Frage, ob ein Presseorgan überhaupt nach dem Vereinsgesetz verboten werden kann. Compact-Anwalt Ulrich Vosgerau argumentiert, dass sich solche Vereinsverbote typischerweise gegen die Organisierte Kriminalität richten. Ein Presse-Organ wie Compact („mit Impressum“) sei jedoch etwas ganz anderes.

Vor allem aber sei ein Magazin wie Compact von der Pressefreiheit geschützt. Das Zensurverbot des Grundgesetzes verbiete auch jedes präventive Verbot eines Mediums. Deshalb seien in den Landespressegesetzen keine Presseverbote vorgesehen. Bei Bedarf könne gegen einen Verleger die Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz beantragt werden. Darüber entscheide aber das Bundesverfassungsgericht und nicht der Innenminister.

Bundesinnenministerium weist Argumente zurück

Für das Bundesinnenministerium wies der Anwalt Wolfgang Roth die Argumente von Compact zurück. Laut Vereinsgesetz könne ein Verein, der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, auch verboten werden, wenn er keine Straftaten begeht und keine Gewalt ausübt.

Die Pressefreiheit werde auch im Rahmen eines Vereinsverbots geprüft, so Anwalt Roth, wenn die Organisation ein Medium herausgibt. Das Grundgesetz garantiere die Pressefreiheit nicht absolut, sondern lasse gesetzlich Eingriffe zu, etwa durch das Vereinsgesetz. Auch Presseverbote seien möglich, sie müssten aber verhältnismäßig sein.

Es sei „fernliegend“, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 ein Verbot von Zeitungen wie der Nazi-Hetzpostille „Der Stürmer“ ausschließen wollten. Weil der Bund Presseorgane als Vereine verbieten kann, gebe es auch keine entsprechende Regelung in den Landespressegesetzen. Das strenge Zensurverbot des Grundgesetzes beziehe sich nicht auf Medienverbote, nur auf die Pflicht Zeitungen und Artikel vor der Veröffentlichung einem staatlichen Zensor vorzulegen.

Richter verweist auf Compacts Selbstverständnis

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon mehrfach das Verbot von Medien als Vereine akzeptiert. Oft waren es allerdings Vereinszeitschriften. Zuletzt wurde 2020 das linksradikale Internetportal linksunten.indymedia.org als Verein verboten. Ein klassisches unabhängiges Medium mit Redaktionskonferenz und journalistischen Mit­ar­bei­te­r:in­nen wurde auf dieser Grundlage bisher noch nicht untersagt.

Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft gab allerdings zu bedenken, dass Compact nach seinem Selbstverständnis auch kein ganz normales Presseorgan sei und zitierte dabei den Chefredakteur Jürgen Elsässer. „Ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien ist, also wir wollen einfach das Regime stürzen“, hatte er bei einer internen Veranstaltung erklärt.

Der zweite Compact-Anwalt Laurens Nothdurft versuchte Elsässers Äußerung zu relativieren. „Das war im Superwahljahr 2024, da ging es nur um Änderungen auf demokratischem Wege durch Wahlen.“ Compact hatte mit seiner Veranstaltungsreihe „Blaue Welle“ massiv die AfD unterstützt.

Am Nachmittag des ersten Verhandlungstages wird es um die eigentlichen Verbotsgründe, die hetzerische Berichterstattung von Compact gehen. Ein Urteil wird am Dienstag nicht erwartet.

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6 Kommentare

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  • Warum ist es in D möglich, dass ganz klar demokratie und verfassungsfeindliche und Volksverhetzende Organe, ob Zeitungen, Vereine, Parteien ihr zersetzendes Unwesen überhaupt straflos treiben können?



    Wer hierzulande klar verfassungsfeindlich operiert, agiert oder publiziert sollte sich nicht hinter Meinungsfreiheit verschanzen dürfen.



    Unsere Verfassung ist so ziemlich die Menschenfreundlichste und deshalb schützenswerteste von den Meisten in der Welt.



    Sie verdient es gegen jeglichen Angriff geschützt zu werden. Weil sie uns alle schützt!

    • @ Christoph:

      Wir haben hier eine Exekutiventscheidung von Frau Faeser. Kein Gericht hat bisher über ein mögliches Verbot entschieden. Das Compact-Magazin vertritt zweifellos rechtsradikale Positionen, und es ruft zum Sturz der (damaligen Ampel Koalitions) Regierung auf. Nur: Artikel 5 des Grundgesetzes schützt auch diese radikalen Ansichten. „Die Meinungsfreiheit genießt einen so hohen Verfassungsrang, dass sie nicht einfach durch eine Exekutiventscheidung ausgehebelt werden kann“, so der Verfassungsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz. „Verbieten lässt sich ein Medium höchstens, wenn es eine revolutionäre Position vertritt, also zum Sturz der bestehenden Ordnung mit Gewalt aufruft. Das müsste dann aber zu einem Strafverfahren führen.“ Davon, dass derzeit ein entsprechendes Strafverfahren gegen Compact läuft oder gar ein entsprechendes Gerichtsurteil existiert, ist nichts bekannt.



      => Es ist also noch nicht einmal strafbewährt bzw. mit Urteil festgehalten, dass das Compact Magazin mögliche Verbotskriterien erfüllt.

    • @ Christoph:

      Die Charakterisierung als verfassungsfeindlich ist keine Straftat, sondern lediglich eine Einschätzung durch Sicherheitsbehörden (die auch nicht immer unproblematisch ist – ich erinnere an Feine Sahne Fischfilet). Ein Verbot einer Zeitung oder eines Vereins durch die Exekutive allein aufgrund des Zurufs durch eine ihr untergeordnete Behörde ist offenkundig höchst problematisch. Was wieder zu Compact zurückführt: So ekelhaft dieses Blatt auch sein mag, kein einziger Artikel, der dort erschienen ist, war bisher strafrechtlich relevant. Es gibt also gute Gründe, das Verbot einer Zeitung, die nichts Illegales publiziert hat, auf dem Umweg über das Vereinsrecht abzulehnen, egal was man von den dort verbreiteten Gedanken hält. Es gab lange Zeit den linken Grundsatz, dass man die Demokratie nicht dadurch verteidigen kann, dass man Grundrechte abschafft. Das sollte auch gelten, wenn ein rechtes Blatt zum Vorwand wird, die Pressefreiheit in Deutschland einzuschränken. Das ist ein Dammbruch, der uns irgendwann wieder heimsucht.

  • Welche Unterstützung bekam die Greta -Selfie-Boot-Aktion eigentlich von Jürgen Elsässer ? Wie genau sind da die Connections ? bitte mal recherchieren...Danke !

  • Wenn Herr Elsässer die Zeitung als Einzelperson und Einzelunternehmer herausgegeben hätte, dann wäre es nicht möglich, sie mittels eines Vereinverbots zu verbieten.

  • Solche Entscheidungen (Verbot eines Mediums, auch wenn juristisch gesehen der zugrundeliegende Verein verboten wurde, was aber genau den erstgenannten Effekt hat) sollten grundsätzlich nicht von der Exekutive getroffen werden, sondern von einem Gericht.



    Sonst hat man immer das Problem, die Unabhängigkeit der Entscheidung sauber begründen zu können. Dass Faeser sich nicht um solche Abwägungen gross gekümmert hat, ist ihr anzulasten.