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Vergesellschaftung der StromkonzerneEnergie neu organisieren

Gastkommentar von Tamara Neuenbach

Das Beispiel aus Berlin hat gezeigt: Enteignen ist mehrheitsfähig. Auch bei der Energieversorgung sollten wir eine Vergesellschaftung anstreben.

RWE-Strommasten bei Wesseling Foto: Hans-Günther Oed/imago

E in Blick auf den Volksentscheid in Berlin zeigt: Enteignen ist mehrheitsfähig! Nicht erst seit dem Wahlsonntag fragen wir uns als Klimaaktivist*innen, was das für den Energiesektor bedeutet. Auch hier werden unsere Bedürfnisse und Lebensgrundlagen unternehmerischen Interessen untergeordnet. Das ist die Realität eines freien und unregulierten Marktes. Dieser Logik werden wir den Strom entziehen und die Energieproduktion vergesellschaften!

Aktuell liegen 15 Prozent der RWE-Aktien bei den Kommunen in NRW. Man könnte meinen, das hieße 15 Prozent Vergesellschaftung. Aber auch die Kommunen schlagen aus diesen Aktien Profit und kommen so als Interessenvertretung kaum in Frage. Der Fall Ullrich Sierau sagt alles zu wirtschaftlicher Einflussnahme in politischen Ämtern: Das RWE-Aufsichtsratsmitglied war 2009 bis 2020 Oberbürgermeister von Dortmund, der Stadt mit dem größten Anteil an RWE-Aktien.

Was es braucht, ist Mitbestimmung, auf mehreren Ebenen: Ex­per­t*in­nen­tum muss in einem hochtechnologisierten Sektor Basis der Entscheidungsfindung sein und für nicht Fachwissende zugänglich gemacht werden. Natürlich frei von den Interessen externer Arbeitgeber*innen.

Tamara Neuenbach

Tamara Neuenbach ist Aktivistin für Klimagerechtigkeit. Sie kommt aus Köln und hat die Kampagne „RWE & Co enteignen“ mit initiiert.

Für Ar­bei­te­r*in­nen heißt es dann: Selbstverwaltung statt auf Konzernspitzen hören. Sie sollten selbst über Arbeitsumstände und Produktionsprozesse entscheiden können. Und für die Mitbestimmung durch lokale Ver­brau­che­r*in­nen steht fest: Wer den Strom bezieht, sollte mitentscheiden, wie er produziert wird, auch ohne Mitgliedschaft. Und nicht zuletzt müssen wir als gesamte Gesellschaft Richtungsentscheidungen treffen, wie etwa für den Kohleausstieg: direkt, nicht partei-mandatiert und gemeinsam.

Tamara Neuenbach

Tamara Neuenbach ist Aktivistin für Klimagerechtigkeit. Sie kommt aus Köln und hat die Kampagne „RWE & Co enteignen“ mit initiiert.

Wie das alles am Ende aussehen kann, lässt sich nicht am Reißbrett entwerfen. Es wird ein langer Weg dorthin, mit Ausprobieren, Scheitern und Lernen. Aber wir schauen optimistisch nach Berlin, das gezeigt hat, was möglich ist. Lasst uns Grundbedürfnisse wie Wohnen und Energie neu organisieren und dafür enteignen!

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6 Kommentare

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  • Was ist das für ne blöde Idee, damit die Atomkosten komplett abgewetzt werden ?



    Wie wäre es Solar auf jedes Dach und Windkraft?

    • @allesOK?:

      richtig. Auf alte Strukturen setzen ist eine Sackgasse.

  • Beim Wohnen kann man noch argumentieren - aber ich muss doch in Berlin wohnen ... warum auch immer ...

    Aber beim Strohm hat jeder die Möglichkeit seinen Anbieter zu wählen. Egal wo er wohnt.

    Ebenso in anderen Bereichen - z.B. kann man auch freiwillig max. 130 km/h fahren - dafür muss man nicht auf ein entsprechenden Gesetz warten.

    Einfach etwas mehr Eigenverantwortung.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Bis 1998 hatten wir eine weitgehend staatliche Stromwirtschaft und da schon eine hohe Beteiligung der Kommunen - und das war auch nicht nur Gold.

    Wahrscheinlich ist das, was wir als Föderalismus kennen, hier die cleverste Lösung: Die Versorger sind kommunal, die können sich auf Kreisebene organisieren, die Netze werden von den Ländern betrieben und vom Bund koordiniert - und lediglich die Stromerzeugung kann auch privat stattfinden. Jeder Strom wird an einem zentralen Handelsplatz, an dem die Versorger einkaufen, gehandelt. In ihrem eigenen Netz können die Versorger aber auch selbst vergüten.

    So verhindert man Kartellbildung und ungeeignete Quersubventionierungen sowie Gewinnabschöpfungen, kann aber Marktmechanismen zur Preisfindung beibehalten, die man braucht, um dringend notwendige Leistungen entsprechend zu Bepreisen und Investitionen zu ermöglichen - also zum Beispiel Speichertechnologien.

    Ich bin wirklich kein Freund von blinder Marktgläubigkeit - im Gesundheitswesen lehne ich Markt zum Beispiel fundamental ab - aber die Energiewirtschaft der Zukunft wird so komplex, dass zentrale Lenkung dem einfach nicht standhalten können wird.

    Dass geht schon damit los, dass auf regionaler Ebene die Anteile der Quellen so unterschiedlich sind, dass in einem Netz Wasserkraft wertvoll sein kann, in einem anderen Netz aber Photovoltaik eine wichtigere Rolle spielt. Der Harz ist etwa anderes als Niederbayern und Ostfriesland ist damit erst recht nicht vergleichbar.

    Genaugenommen muss das Ziel sein, das Hochspannungsnetz überflüssig und die einzelnen Regionen weitgehend autark zu machen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Klingt nach Konzept. Chapeau.

  • Und dann noch die Landwirtschaft kollektivieren. Schließlich werden dort auch "unsere Bedürfnisse und Lebensgrundlagen unternehmerischen Interessen untergeordnet".