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Verfilmung eines Bestseller-MelodramsViel Romantik, ein bisschen Darwin

Die filmische Adaption von „Der Gesang der Flusskrebse“ könnte ein leichtherziger Sommer-Blockbuster sein. Wäre da nicht die ideologische Färbung.

Kommuniziert auf ihre Weise: Kya (Daisy Edgar-Jones) in „Der Gesang der Fluss­krebse“ Foto: Sony Pictures

Das Beste an „Der Gesang der Flusskrebse“ kommt zum Schluss: Es ist der Titelsong, der während des Abspanns zu hören ist. Mit einer Stimme, die scheinbar mühelos zwischen elfenhafter Zartheit und gespenstischer Gravitas wechselt, singt ihn die US-amerikanische Popsängerin Taylor Swift, die das Lied auch geschrieben hat.

Der Film

„Der Gesang der Flusskrebse“. Regie: Olivia Newman. Mit Daisy Edgar-Jones, Taylor John Smith u. a. USA 2020, 125 Min.

„Oh, Carolina creeks, running through my veins. Lost I was born, lonesome I came, lonesome I’ll always stay“, lauten die ersten Zeilen der eindringlichen Folkballade „Carolina“. Es ist ein elegisches Stück, das die Grundsäulen des in etwas mehr als zwei Stunden erzählten Plots verblüffend gut zusammenfasst. Und dabei dennoch etwas Geheimnisvolles und Unaufgelöstes, etwas unbestreitbar Unheilschwangeres in sich trägt.

Den Film selbst prägt eine ganz andere, gelöstere Stimmung. Regisseurin Olivia Newman hat die gleichnamige Romanvorlage von Delia Owens aus dem Jahr 2018 im Stile eines leichtherzigen Sommerblockbusters adaptiert. In kräftig-warmem Kolorit zeichnet Polly Morgans Kamera die Sümpfe von North Carolina, die so zu einem charmanten, beinahe fantastischen Setting werden.

Prozess wegen Mordes

Das nahezu menschenleere Moorland ist Heimat von Catherine Danielle Clark, die von den meisten schlicht Kya (zunächst Jojo Regina, später Daisy Edgar-Jones) oder abwertend „Marschmädchen“ genannt wird. Sie steht im Zentrum eines Prozesses wegen Mords an dem Sohn (Harris Dickinson) einer einflussreichen Familie des Ortes. In Rückblenden wird ihre eremitische Kindheit und Jugend beleuchtet.

In den Fünfzigern wächst sie in einem ärmlichen Elternhaus am Rande der Zivilisation auf. Bald schon ist sie komplett auf sich allein gestellt, als ihre Mutter und älteren Geschwister nach und nach vor dem jähzornigen, trinkenden und prügelnden Vater (Garret Dillahunt) Reißaus nehmen.

Eine Zeit lang versucht sie sich mit ihm zu arrangieren und lernt so früh, in einer lebensfeindlichen Umgebung weiterzubestehen. Kenntnisse, die sich bald als von existenzieller Bedeutung herausstellen werden, als sie schließlich auch dieser verlässt. In einer kargen Hütte ohne Strom und fließendes Wasser muss Kya für ihr eigenes Auskommen sorgen, und sie beginnt dafür das Ökosystem um sich herum zu studieren. Statt zur Schule zu gehen, verbringt sie ihre Tage damit, Muscheln zu sammeln.

Selbst in diesen Episoden, die von Armut, von materiellem und seelischem Darben berichten, dominieren sonnendurchflutete, erhebende Bilder. Selbst echter Mangel und genuine Verzweiflung müssen optisch ansprechend präsentiert werden, scheint es.

Die Natur als Ernährerin

„Der Gesang der Flusskrebse“ ist kein Film, der sich ernsthaft für blanken Überlebenskampf oder die Erfahrung von absoluter Isolation interessiert. Stattdessen kommt der Natur von Anfang an die Rolle der Ernährerin – wichtiger noch – einer fast transzendenten Gefährtin zu, die die Gesellschaft der mehrheitlich schlechten Menschen ersetzt.

Was nach einem reizvollen Spiel mit einer solipsistischen Idee klingt, hat vor allem aufgrund einiger bis heute nicht aufgeklärter Vorfälle in der Vita der Romanautorin Delia Owens einen bitteren Beigeschmack. Zwanzig Jahre ihres Lebens verbrachte die Zoologin in Sambia, wo sie mit ihrem Ehemann Mark nicht nur die örtliche Flora und Fauna studierte und dazu mehrere Abhandlungen publizierte, sondern sich vor allem für die Bekämpfung von Wilderern einsetzte.

Mitte der Neunziger begleitete ein Fernsehteam des Senders ABC News ihre Arbeit und filmte, wie ein Mann, in dem man einen Elefantenjäger zu vermuten schien, erschossen wird. Während bis heute weder feststeht, wer das Opfer war, noch wer den tödlichen Schuss abgegeben hat, berichtete der Journalist Jeffrey Goldberg im Jahr 2010 im New Yorker von der rigorosen Haltung des Ehepaars gegenüber Wilderern, ihrer Bereitschaft, sie misshandeln oder sogar töten zu lassen.

Im selben Text wird außerdem aus einem Buch des Paars zitiert, in dem es die „Überbevölkerung“ Afrikas beklagt, die – „trotz Aids und zahlreicher anderer Krankheiten“ – die Ressourcen des Kontinents übersteige.

Der Wert des Menschen

Was hier mitschwingt, ist eine misanthropische Denkweise, die den Wert der Natur über den des Menschen stellt. Eine darwinistisch eingefärbte Geisteshaltung, wonach bekanntlich die am besten angepassten Individuen überleben, ist auch in „Der Gesang der Flusskrebse“ präsent, wird sogar als emanzipatorisches Element behandelt. Dadurch, dass diese Haltung möglicherweise nicht gänzlich fiktiv ist, hat sie im Film etwas ideologisch Anrüchiges, anstatt schlicht spannender Krimi-Einfall zu sein.

Umso mehr, weil das Drehbuch von Lucy Alibar („Beasts of the Southern Wild“) zuerst an der Romantisierung der Protagonistin interessiert ist. Ihrer Psychologie wird weniger Zeit gewidmet als ihren amourösen Beziehungen, vorrangig jener zu Tate (Taylor John Smith).

Schon während der Kindheit ist er stiller Begleiter, später wichtigste Bezugsperson, die ihr Lesen und Schreiben beibringt und schließlich zu einer märchenhaft anmutenden Karriere verhilft. Bisweilen hat man den Eindruck, es mit einer Nicholas-Sparks-Verfilmung zu tun zu haben.

Für solide Wohlfühlunterhaltung ist der visuell beeindruckende Film grundsätzlich hervorragend geeignet. Würden da nicht die realen Verstrickungen in die Quere kommen, durch die sein Eskapismus seine Unschuld verliert. Wahrscheinlich wäre das Melodram ein besserer Film geworden, wenn die Interpretation offen für die moralische Ambivalenz des Stoffes gewesen wäre, anstatt auf der unantastbaren Überlegenheit seiner Heldin und ihrer Weltsicht zu bestehen. Es wäre von Vorteil gewesen, etwas mehr Taylor Swift zu wagen.

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20 Kommentare

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  • PS: Die Mär vom "übervölkerten Kontinent Afrika" ist bereits mehrfach widerlegt worden. Sie dient einzig dazu, Afrika unterzubuttern. Ein ach so vernünftiger, untervölkerter Europäer braucht die Ressourcen von 15 oder 20 Afrikanern.....

  • '...Eine darwinistisch eingefärbte Geisteshaltung, wonach bekanntlich die am besten angepassten Individuen überleben...'

    Survival of the fittest,



    diese Darwin-Theorie, gerne missbraucht, hab ich bisher anders verstanden. Es geht nicht ums Überleben, sondern um die besseren Reproduktionschancen, d.h., die besser angepassten Individuen vererben ihre Anpassungs-Veranlagung mit mehr und besser angepassten Nachkommen in die nächste Generation. Es geht also um das 'Überleben' der Anpassungsleistung, nicht der Individuen.

  • RS
    Ria Sauter

    Wenn ein Buch verfilmt wird, kommt ganz selten etwas Gutes dabei heraus.



    Ich habe das Buch gelesen und fand es richtig gut.



    Anscheinend bin ich damit nicht die Einzige. Es steht seit sehr langer Zeit auf den vorderen Plätzen.



    Das macht mir persönlich Hoffnung.

  • Wer sich gegen Wilderer stellt, riskiert sein Leben. Überall auf der Welt werden Aktivistinnen bedroht und getötet. Die Träne für einen Wilderer der sein Leben verliert fällt verhältnismäßig klein aus und trocknet recht schnell.

    • @JanRockatansky:

      "Wer sich gegen Wilderer stellt, riskiert sein Leben." (Zitat @JanRockatansky - 20.08.2022, 10:08)



      Es besteht schon ein Unterschied zwischen Wilderern, die wildern, weil sie hungern, und solchen Wilderern, die im Rahmen von organisierter Kriminalität z.B. in Afrika von Flugzeugen aus mit Maschinengewehren u.A. Elefanten und Nashörner niedermetzeln, um ihnen dann die Stoßzähne bzw. Hörner abzusägen und die Überreste einfach liegenzulassen - um solche Wilderer geht es bei den (unbewiesenen) Vorwürfen gegen die Autorin der Buchvorlage, und insofern sehe ich die Sache haargenau wie Sie.



      Bei Ersteren ist die Sache allerdings schwieriger ...

  • @HANNES HEGEL

    Sozialdarwinismus hat sehr wohl mit Darwinismus zu tun: Rassetheoretiker haben sich auf Darwin berufen (wenn es auch aus heutiger Sicht ein Missbrauch des naturwissenschaftlichen Ansatzes ist).

    Wie komplex die Angelegenheit zu Darwins Zeit war (und wie dünn die Trennewand zwischen Humanismus und Eugenik) ist hier [1] sehr schön skizziert.

    Naturwissenschaft entsteht eben nicht im luftleeren Raum. Immer noch hochaktuell. Hat da nicht neulich jemand Naturwissenschaft zur politischen Provokation eingesetzt?

    [1] en.wikipedia.org/w...rwin#Human_society

  • Zitat Artikel: "Was hier mitschwingt, ist eine misanthropische Denkweise, die den Wert der Natur über den des Menschen stellt. ..."



    Das ist christ-ideologisch indoktrinierter Unsinn: Wer es ablehnt, sich (entsprechend der biblischen Forderung an die Menschheit) sich die Erde untertan zu machen, tut das nicht in der idiotischen Absicht, eine umgekehrte Hierarchie zu etablieren, sondern in der Einsicht, dass der Mensch als Teil der Natur nur im Einklang mit derselben überleben kann.



    Zitat Artikel: "Eine darwinistisch eingefärbte Geisteshaltung ... ist auch in „Der Gesang der Flusskrebse“ präsent, wird sogar als emanzipatorisches Element behandelt. Dadurch, dass diese Haltung möglicherweise nicht gänzlich fiktiv ist, hat sie im Film etwas ideologisch Anrüchiges, ..."



    Interessant!



    Was wäre der Autorin denn lieber als eine wissenschaftlich fundierte Geisteshaltung? (...)

    Der Kommentar wurde gekürzt.

    Die Moderation

  • zwar schön zum Erholen, trotzdem etwas schnulzig (vielleicht eine Traumversion, des Schriftstellers) oder wie hier beschrieben "etwas ideologisch Anrüchiges", also eine kitschige Idee, dass die Natur den Menschen leben lässt. Als würde ein Mensch wie Natur sein. Das wäre für mein Gefühl nachlässig gegenüber den tatsächlich eintretenden Episoden des Einzelnen, die ja doch irgendwie hätten benannt werden müssen, soll das Buch oder der Film ernst genommen werden können. Zum Nachdenken aber reichts.

  • @HANNES HEGEL

    Was ist jetzt schon wieder?

    Sozialdarwinismus war schon immer eine der Zutaten im faschistischen Eintopf. Der historische Zusammenhang ist auch schon lang bekannt. Ich empfehle Hannah Arendt "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft".

    Merke: Naturwissenschaft kann immer durch Interpretation für ideologische Zwecke missbraucht werden.

    Waren Ihre Geschichtslehrer*innen wirklich so schlecht, oder haben Sie schlicht nicht aufgepasst (nicht schlimm: ich habe in Geschichte auch nicht aufgepasst, musste ich dann nachholen)?

    • @tomás zerolo:

      "Sozialdarwinismus war schon immer eine der Zutaten im faschistischen Eintopf." (Zitat @tomás zerolo - 18.08.2022, 08:56)



      Die Autorin nutzt das Wort "Darwinismus", und tut die Tatsache der Evolution als Ideologie ab - wer tut das nochmal noch?



      Sie machen aus "Darwinismus" flugs "Sozialdarwinismus" und merken nicht einmal, dass weder der Film noch die unsägliche Rezension irgendwas mit Sozialdarwinismus zu tun haben.



      Dafür haben Sie aber prima oberlehrerhafte Unverschämtheiten parat:



      "Der historische Zusammenhang ist auch schon lang bekannt. Ich empfehle Hannah Arendt "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft". " (Zitat @tomás zerolo - 18.08.2022, 08:56)



      "Merke: Naturwissenschaft kann immer durch Interpretation für ideologische Zwecke missbraucht werden. " (Zitat @tomás zerolo - 18.08.2022, 08:56)



      "Waren Ihre Geschichtslehrer*innen wirklich so schlecht, oder haben Sie schlicht nicht aufgepasst" (Zitat @tomás zerolo - 18.08.2022, 08:56)



      Ein paar kleine Tips:



      1. Wenn man nicht weiß, worum es geht (hier: weder im Film, noch in der Rezension), schweigt man besser.



      2. Wer die wissenschaftliche Tatsache "Evolution" mit "Sozialdarwinismus" gleichsetzt, ist schlicht nicht ernstzunehmen.



      3. Ein Kommentar, der zu drei Vierteln daraus besteht, einen anderen Foristen durch überhebliches Getöne argumentationslos runterzuputzen, lässt sehr unvorteilhafte Rückschlüsse auf den Urheber zu.

    • @tomás zerolo:

      Meine Geschichtslehrer (alles alte weiße...) waren überdurchschnittlich gut würde ich behaupten, danke der Nachfrage.

      Sozialdarwinismus hat nichts mit Darwinismus (ob eingefärbt oder was auch immer) und auch nichts mit Naturwissenschaft und auch nichts mit diesem Artikel zu tun. Oder habe ich etwas übersehen... ?

      Übrigens: Ich würde zaghaft behaupten, dass die Tötung eines Hominiden durch einen Sapiens von vielen Sapiens inzwischen als Verbrechen vergleichbar mit Mord angesehen wird.

  • Ja, unter der Maßgabe des politischen Erziehungs- und Lernaspekts kein herausragender Film. Und warum sollte man sonst ins Kino gehen?

  • "Eine darwinistisch eingefärbte Geisteshaltung, wonach bekanntlich die am besten angepassten Individuen überleben, ist auch in „Der Gesang der Flusskrebse“ präsent, wird sogar als emanzipatorisches Element behandelt."

    Evolutionstheorie ist jetzt also Ideologie...? Obwohl doch Gott der Herr den Mann nach seinem Ebenbilde schuf und ihm so allerlei auftrug bezüglich der Untertanisierung der von ihm zu differenzierenden Natur? ... na herzlichen Glückwunsch.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Das Buch hat mir sehr gut gefallen - Misanthropie konnte ich nirgendwo entdecken. Eher eine sehr realistische Darstellung, was den Umgang mit Menschen am Rande der Gesellschaft angeht. Ist das heute wirklich anders, wenn man/frau sich die ständig steigende Zahl der Obdachlosen ansieht?



    Den Film werde ich mir nicht angucken - da habe ich die Befürchtung, dass mir die Umsetzung zu verkitscht ist.



    Den Mord an einem Wilderer mit der Autorin in Verbindung zu bringen kann ich nicht nachvollziehen. Das klingt doch ziemlich unwahrscheinlich.

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Zitat Amthala20 (17.08.2022, 23:28): "Das Buch hat mir sehr gut gefallen - Misanthropie konnte ich nirgendwo entdecken."



      Das wundert mich nicht, ist diese Unterstellung der Artikelverfasserin doch offensichtlich nur durch die evolutionsfeindliche bzw. anthropozentrische Argumentation begründet, die bekanntlich ein Lieblingsthema der christistischen Fundamentalisten ist.

    • RS
      Ria Sauter
      @03998 (Profil gelöscht):

      Geht mir ebenso.

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Mit geht es genauso. Da ich eine Zeit lang in der Gegend - in South Carolina nicht weit vom Ozean - gelebt habe, konnte ich mir das alles sehr gut vorstellen. Auch heute noch gibt es dort sehr arme Menschen. Den Film möchte ich jedoch ebenfalls nicht ansehen. Nur mit Erfahrungen in der "Wildnis" und als Tierschützerin kann man überhaupt einen solchen Roman schreiben. Alles andere ist Spekulation.

  • Ich habe das Buch gelesen und den Film noch nicht gesehen. So wie diese Kritik den Film beschreibt, erscheint es mir, als wäre der Film dem Buch sehr gut nachempfunden. Möglicherweise haben Sie das Buch noch nicht so ganz verstanden?

  • Zumindest das Lesen dieses Artikels dauert weniger lang als den Film zu sehen. Voll abstoßend.



    Genauso die esoterischen Filme von Terrence Malick.



    Wie wäre es mit



    Małgorzata Szumowska - The Other Lamb (2019) oder



    Gus van Sant - My Own Private Idaho (1991)



    um mal beim gleichen Schauplatz zu bleiben.



    Oder eben Junebug (2005) von Phil Morrison mit Will Oldham, im Setting North Carolina.