Verfassungsschutzbericht vorgestellt: Pandemie stärkt Rechtsextreme

Laut Behörden ist die Zahl der Nazis in Deutschland 2020 erneut gewachsen. Innenminister Seehofer zeigt sich besorgt über den wachsenden Antisemitismus.

Zwei Männer in Anzügen sitzen nebeneinander

Besorgt: Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofer Foto: dpa

BERLIN epd/dpa | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich besorgt über eine Zunahme extremistischer Tendenzen während der Coronapandemie geäußert. Es gebe nicht nur eine besondere Gesundheitslage, sondern auch eine besondere Sicherheitslage, „die ein dickes Problem ist“, sagte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das vergangene Jahr in Berlin. Die größte Bedrohung für die Sicherheit seien nach wie vor Rechtsextremismus und Antisemitismus, betonte Seehofer.

Die Zahl der Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen ist laut dem Bericht im vergangenen Jahr erneut angestiegen. Danach wuchs das Personenpotenzial im rechtsextremistischen Spektrum um 3,8 Prozent auf 33.300 Menschen an. Knapp 40 Prozent von ihnen schätzt der Verfassungsschutz als „gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend“ ein.

Die Coronapandemie habe zur Verstärkung der Gefahr beigetragen, sagte Seehofer. Zahlreiche rechtsextreme Großveranstaltungen seien im vergangenen Jahr abgesagt worden. Dafür hätten sich Rechtsextreme bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden. Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, „obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit waren“, sagte Seehofer und äußerte sich besorgt über die mangelnde Abgrenzung der Mehrheit der Demonstranten gegen mitlaufende Extremisten.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestätigte, extremistische Aktivitäten hätten 2020 zugenommen. „Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown“, sagte er. Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden.

Rechtsextremisten und Treffpunkte der rechten Szene waren in den vergangenen Monaten nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch mehrfach Ziel von Angriffen. In Erfurt waren ein mutmaßlicher Angehöriger der gewaltbereiten rechtsextremen Hooliganszene und seine schwangere Freundin im Mai nachts in ihrer Wohnung überfallen und von als Polizisten verkleideten Eindringlingen misshandelt worden.

Zu den Rechtsextremisten, die der Verfassungsschutz auf dem Schirm hat, zählen auch rund 1.000 sogenannte Reichsbürger. Das sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Oft stehen sie deshalb im Konflikt mit Behörden. Nicht alle Menschen, die von den Sicherheitsbehörden zu den „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ gezählt werden, rechnet der Verfassungsschutz dem Rechtsextremismus zu.

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