piwik no script img

Verfassungsschutz beschäftigt sichFotojournalistin ausspioniert

Die Fotografin Marily Stroux wird seit über 25 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet – als „bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene“.

Gefahrenabwehr: Linksextreme gegen die Innenministerkonferenz, darunter Polizistin Maria B. (3.v.r.) Foto: Marily Stroux

Hamburg taz | Die Ham­bur­ger Fo­to­jour­na­lis­tin und taz-Fo­to­gra­fin Ma­ri­ly Stroux ist seit mehr als 25 Jah­ren vom In­lands­ge­heim­dienst aus­spio­niert wor­den. Das hat das Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz in Ham­burg auf An­fra­ge ein­ge­räumt. Auch die ver­deck­te Staats­schutz-Er­mitt­le­rin Maria B. des Ham­bur­ger Lan­des­kri­mi­nal­am­tes war in ihrer Un­der­co­ver-Zeit unter den Tarn­na­men „Maria Block“ auf Strouxs Um­feld an­ge­setzt und hat Be­rich­te über sie an den Ver­fas­sungs­schutz wei­ter­ge­lei­tet. „Be­rich­te über ganz nor­ma­le Ter­mi­ne, die ich als Jour­na­lis­tin und als taz-Fo­to­gra­fin wahr­ge­nom­men habe“, sagt Stroux.

Vor drei Jah­ren hatte die Ham­bur­ge­rin grie­chi­scher Her­kunft mit dem Ge­dan­ken einer Ein­bür­ge­rung ge­spielt, nach­dem SPD-Bür­ger­meis­ter Olaf Scholz alle lange in Ham­burg le­ben­den Mi­gran­ten an­schrei­ben ließ. „Das war für mich vor­her nie ein Thema, aber wegen der Eu­ro-Kri­se war mir der Ge­dan­ke ge­kom­men, dass man mich ab­schie­ben könn­te, wenn Grie­chen­land nicht mehr zur EU ge­hört.“

Über ihre An­wäl­te Ünal Zeran und Cars­ten Ge­ri­cke be­an­trag­te Stroux beim Ham­bur­ger Ver­fas­sungs­schutz, der bei Ein­bür­ge­run­gen von den zu­stän­di­gen Be­hör­den re­gel­haft ein­ge­schal­tet wird, Aus­kunft dar­über, ob per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten über sie ge­spei­chert sind.

Antwort nach drei Jahren

Jetzt, drei Jahre spä­ter, hat Stroux Ant­wort be­kom­men. Über sie seien Daten im nach­rich­ten­dienst­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­tem Nadis der Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den von Bund und Län­dern er­fasst. Dem In­lands­ge­heim­dienst lägen „Er­kennt­nis­se vor, die tat­säch­li­che An­halts­punk­te für den Ver­dacht be­grün­den“, dass Stroux sich „zu­min­dest seit 1988 an Ak­ti­vi­tä­ten links­ex­tre­mis­ti­scher Be­stre­bun­gen be­tei­ligt“ habe. Als Indiz nennt der In­lands­ge­heim­dienst ihr En­ga­ge­ment im „In­itia­tiv­kreis für den Er­halt der Ha­fen­stra­ße“, dem Mitte der 1980er-Jah­re auch Rich­ter, An­wäl­te, Pro­mis, Po­li­ti­ker, Po­li­zis­ten, Pas­to­ren, Künst­ler und Hoch­schul­pro­fes­so­ren an­ge­hör­ten, der sich da­mals für den Er­halt der be­setz­ten Häu­ser am Ha­fen­rand ein­setz­te.

In der Tat war Stroux in den Jah­ren als taz-Fo­to­gra­fin bei Po­li­zei­ein­sät­zen zu­ge­gen ge­we­sen und ge­hör­te wäh­rend der not­stands­mä­ßi­gen „Bar­ri­ka­den­ta­ge“ von 1987 zu einer Hand­voll Jour­na­lis­ten, die Zu­gang zur ver­bar­ri­ka­dier­ten Häu­ser­zei­le und den Be­woh­nern hat­ten.

Dass nach dem Be­frie­dungs­ver­trag und dem Rück­tritt von Bür­ger­meis­ter Klaus von Dohn­a­nyi (SPD) der Kon­flikt nicht zu Ende sein werde, war für die Do­ku­men­ta­rin klar, so­dass sie die Ent­wick­lun­gen fo­to­gra­fisch wei­ter haut­nah ver­folg­te. Spä­ter soll­te sie für ihre Fo­to­do­ku­men­ta­ti­on „Das Leben in der Ha­fen­stra­ße“ Aus­zeich­nun­gen der Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te und der Pa­trio­ti­schen Ge­sell­schaft in Ham­burg be­kom­men.

Engagement für Geflüchtete

Als Indiz nennt derInlandsgeheimdienst ihrEngagement im Initiativkreis für den Erhalt der Hafenstraße

Dass sich Stroux so­wohl jour­na­lis­tisch als auch per­sön­lich für die Si­tua­ti­on von Ge­flüch­te­ten en­ga­gier­te, die in Ham­burg bis An­fang 1993 auf Wohn­schif­fen am Fisch­markt un­ter­ge­bracht waren, ist eben­falls für den Ge­heim­dienst links­ex­trem ver­däch­tig. Für ihre Aus­stel­lung über das „Woh­nen auf den Flücht­lings­schif­fen“ er­hielt sei einen Preis der Wohl­fahrts­ver­bän­de. Und auch dass Stroux die Ar­beit der In­itia­ti­ve „Kein Mensch ist il­le­gal“ be­glei­te­te und un­ter­stütz­te, wird vom Ver­fas­sungs­schutz als ein Indiz für ihre Ver­fas­sungs­feind­lich­keit ge­nannt. So gibt es de­tail­lier­te Be­rich­te in Strouxs Ge­heim­dienst­dos­sier über Ak­tio­nen gegen die In­nen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Ham­burg 2010, der Grün­dung der „An­ti­ra-Knei­pe“ in der Ha­fen­stra­ße oder über in­halt­li­che Dif­fe­ren­zen bei dem in­ter­na­tio­na­le No Bor­der Camp 2009 auf der grie­chi­schen Insel Les­bos. „Diese In­for­ma­tio­nen kann der Ver­fas­sungs­schutz nur von Maria (die Spio­nin Maria Block, Anm. d. Red.) haben, die auf Les­bos dabei ge­we­sen ist“, so Stroux.

Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die 31 auf­ge­zähl­ten Er­eig­nis­se, die die Ver­fas­sungs­schüt­zer zu der Be­wer­tung ver­an­las­sen, dass Stroux als „be­deu­ten­de Per­son in­ner­halb der links­ex­tre­mis­ti­schen Szene ge­wer­tet“ wer­den müsse, nicht die ein­zi­gen Daten sind, die noch von ihr ge­spei­chert sind – zumal die of­fi­zi­el­le Samm­lung völ­lig feh­ler­haft ist. „Da sind Sa­chen auf­ge­lis­tet, wo ich zum Zeit­punkt nach­weis­lich in Grie­chen­land war,“ sagt Stroux. So be­han­delt der In­lands­ge­heim­dienst Da­ten­sät­ze als Ver­schluss­sa­che, da sonst „Nach­rich­ten­zu­gän­ge des Ver­fas­sungs­schut­zes ge­fähr­det sein kön­nen“.

Stroux hält die Über­wa­chung ei­ner­seits für lä­cher­lich: „Vor was haben die ei­gent­lich Angst?“, fragt sie. „Wäh­rend die Nazis un­ge­stört Flücht­lings­un­ter­künf­te an­grei­fen und Men­schen er­mor­den, wer­den Men­schen, die an­ti­ras­sis­ti­sche Ar­beit leis­ten, ver­folgt, ob­ser­viert und kri­mi­na­li­siert.“ Die Prak­ti­ken des In­lands­ge­heim­diens­tes hält sie aber für ge­fähr­lich: „Wenn ich eine junge Kran­ken­schwes­ter auf Job­su­che wäre, dann wäre so ein Pa­pier töd­lich.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema