Verfassungsreform in Belarus: Lukaschenkos Versprechen

Der belarussische Machthaber Lukaschenko deutet seinen Rücktritt an. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 38.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sitzt vor einem roßen Globus

Rückzug in Aussicht gestellt: Alexander Lukaschenko Foto: Maxim Guchek/BelTA/reuters

Bei einem Besuch des Minsker Krankenhauses Nummer 6 hat Alexander Lukaschenko gesagt, dass er sofort nach der Annahme einer neuen Verfassung seinen Posten räumen werde. Schon einmal hatte er davon gesprochen, dass er sich „nicht mit blauen Fingern an die Macht klammern werde“, das heißt mit Gewalt.

Die Anzahl von Geschichten über die Anwendung von Gewalt gegen Belarussen flutet jedoch bis jetzt die Informationskanäle der Massenmedien. Gleichzeitig ist das seine erste Erklärung, in der er ein konkretes Datum und die näheren Umstände benennt.

Das Referendum soll alsbald nach der All-Belarussischen Versammlung am 2. Januar 2021 stattfinden. Doch das heißt nicht, dass er seine Versprechen hält. Warten wir es ab.

In seinem Telegram-Kanal schreibt der belarussische Politikwissenschaftler Artjom Schraibman über mögliche Konsequenzen der Verfassungsreform, die sich der illegitime Präsident ausgedacht hat:

„Kurz gesagt: Seine Beliebtheitswerte und Ressourcen reichen nicht aus, um eine noch kompliziertere Struktur des Regimes als jetzt aufrechtzuerhalten und dessen Auseinanderbrechen zu verhindern. Eine jede, wenn auch anfangs nur dekorative, Teilung der Vollmachten oder sein Weggang auf einen anderen Posten als den des Präsidenten schafft die Situation einer schlummernden doppelten Machtstruktur. In dieser Situation werden der Nachfolger oder die neue Partei der Macht versuchen, jenseits von Lukaschenko etwas aufzubauen, um nicht ins Fahrwasser seiner Unpopularität zu gelangen oder die Probleme der Wirtschaft und der internationalen Isolierung lösen zu müssen.

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Diese Distanzierung führt zu einem Konflikt, aber Lukaschenko wird kaum die Möglichkeit haben, die Paste zurück in die Tube zu schieben. Weitsichtiger für Lukaschenko wäre es, die Macht an eine hoffnungsvolle neutrale Person zu übergeben und von ihr (oder den Chefs der Opposition) Garantien für sich und seine Nächsten zu erhalten.

Doch aus unterschiedlichen Gründen – vor allem, weil er die Realität der Wahl nicht wahrhaben will – ist Lukaschenko nicht dazu bereit, sich darauf einzulassen, weil das erniedrigend ist. Das bedeutet, der Ausweg aus der Sackgasse wird länger und schmerzhafter, als er sein könnte. Doch welches Szenario es auch geben wird, die Ereignisse des Jahres 2020 werden ein Wendepunkt sein, der die Karriere des ersten belarussischen Präsidenten zum Entgleisen bringt.“

Zum selben Zeitpunkt wie diese Analyse gab der Stab von Swetlana Tichanowskaja (Präsidentschaftskandidatin und führende Oppositionspolitikerin, Anm. d. Red.) eine Erklärung ab, dass die Verbrechen der Sicherheitskräfte vor ein internationales Gericht kommen sollen. Zudem wurde Swetlana zur Amtseinführung des 46. Präsidenten der USA, Joe Biden, eingeladen. Das ist für die Belarussen eine Ehre. Bei Lukaschenkos Amtseinführung waren sie nicht zugelassen. Die Zeremonie wurde vor dem Volk geheim gehalten.

„Wir bewegen uns in die richtige Richtung“, sagt Alena, die keine einzige friedliche Sonntagsdemonstration gegen den illegitimen Präsidenten verpasst. „Unser Sieg rückt näher.“

Aus dem Russischen Barbara Oertel

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35 Jahre alt, lebt in Minsk und arbeitet bei dem Portal AgroTimes.by. Sie schreibt über besonders verwundbare Gruppen in der Gesellschaft: Menschen mit Behinderung, LGBT, Geflüchtete etc.

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