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Verfassungsgericht zu SchmähgedichtBöhmermann unterliegt

Der TV-Satiriker ist in Karlsruhe mit einer Beschwerde gescheitert. Sein 2016 vorgetragenes Gedicht über den türkischen Staatschef Erdoğan bleibt teils verboten.

Darf nicht mehr das ganze Erdoğan-Gedicht vortragen: Satiriker und Moderator Jan Böhmermann Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Karlsruhe dpa | Der Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann ist mit einer Verfassungsbeschwerde zu seinem Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus dem Jahr 2016 erfolglos geblieben. In einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hieß es: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.“ Eine weitere Begründung gab es nicht. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Böhmermann hatte 2019 Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der heute 40-Jährige hatte das Gedicht vor fast sechs Jahren am 31. März 2016 in seiner TV-Satireshow „Neo Magazin Royale“ im öffentlich-rechtlichen Sender ZDFneo vorgetragen und Erdogan darin unter anderem mit Sex mit Tieren in Verbindung gebracht. Böhmermanns Gedicht führte zu einem diplomatischen Eklat zwischen Deutschland und der Türkei. Und es begann eine Debatte darüber, was Satire darf.

Erdoğan wehrte sich vor Gericht gegen Böhmermann und erzielte einen Teilerfolg. In dem Fall ging es im Kern um die verfassungsrechtlich geschützte Kunst- sowie Meinungsfreiheit auf der einen und dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite. Nach Urteilen von Hamburger Gerichten in den vergangenen Jahren wurden große Teile des Gedichts verboten. Die betreffenden Passagen enthielten demnach schwere Herabsetzungen, für die es in Person und Verhalten Erdoğans keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gebe. Das gesamte Gedicht wurde aber nicht verboten. Der türkische Präsident wollte erreichen, dass das Gedicht insgesamt untersagt wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2019 die Beschwerde Böhmermanns dagegen, dass eine Revision nicht zugelassen worden war, zurückgewiesen. Danach zog Böhmermann vor das höchste Verfassungsgericht.

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12 Kommentare

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  • Was würde (Konjunktiv!) wohl Danger Dan zu einigen Kommentaren hier sagen?

  • Beleidigungen des politischen Gegners -auch wenn sie sich als Satire tarnen- sind ein Brandbeschleuniger. Sie dienen nur der Eskalation und vergiften das Klima in unserer Gesellschaft.

  • es it

    There was a sorcerer upon an island



    who could make things come true by simple say-so



    they locked him up in an ol' tower in the highland



    once they found out that it was in no way so.

  • Ich halte Böhmermanns Gedicht nicht für Satire, sondern für eine reine Schmähschrift. Die Freiheit der Kunst sollte natürlich so weit wie vertretbar ausgelegt werden, aber auch der Gegenstand dieses Gedichtes, der türkische Präsident, hat Persönlichkeitsrechte. Böhmermanns Gedicht geht auch nach meinem Dafürhalten in Teilen zu weit, und verletzt diese Persönlichkeitsrechte.

  • Gesetzliche Voraussetzung für Strafverfolgung speziellen Delikts der Majestätsbeleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten ist eine Ermächtigung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat Ersuchen türkischen Staatspräsident Erdogan 2016 der Strafverfolgung entsprechender Staatspraxis im Einzelfall geprüft. Bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel Strafverfolgung gemäß, anders als in anderen demokratisch verfassten Ländern, politisch deutschem Weisungsrecht von Kanzlerin, Ministern*nnen Bund, Ländern gegenüber Staatsanwaltschaften in Bund. Ländern, Generalbundesanwalt, BKA, Strafverfolgung entschied, fand Prüfung statt, an der Auswärtiges Amt, Bundesjustizministerium, Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt beteiligt waren.

    Merkel gab ferner 2016 bekannt, dass die Bundesregierung den umstrittenen Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches aus Zeiten der Hohenzollern Monarchie Kaiser Wilhelm I., II. im 19. Jahrhundert abschaffen will, auf den sich die Türkei stützt, da der „Majestätsbeleidigungsparagraf“ als nicht mehr zeitgemäß gilt.

    Da dies lt. Medienberichten mit Wirkung 1.1 2018 geschah, sollte nicht unerwähnt sein, dass dies als Jan Böhmermanns Erfolg zu verbuchen ist, auch wenn es, entgegen Europol, Interpol Forderungen mit Sanktionsandrohung, zuletzt 2018, weiter beim politischen Weisungsrecht in Deutschland geblieben ist. Inzwichen haben Europol, Interpol Deutschland z. T. von internationaler Sicherheitsbehörden Vernetzung und Zusammenarbeit zulasten deutscher Zivilbevölkerung abgeschaltet.



    Im Ampel Koalitionsvertrag 2021 heißt es lapidar, man wolle politisches Weisungsrecht in Deutschland nach europäischen Standards zeitgemä8 anpassen. Abschaffen klingt anders.

    www.spiegel.de/pan...hen-a-1185787.html

  • Gab es nicht noch eine zweite Bundesverfassungsgerichts Sache hier?

    Bitte korrigiert wenn falsch aber zum Zeitpunkt des Gedichtes gab es den Tatbestand "Staatsoberhaupt" Beleidigung? Und dies wurde später dann gekippt.

  • An jeden, der dazu neigt Böhmermanns "Mut" gut zu finden: auch Döpfner fand ihn gut.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Döpfner trinkt bestimmt auch mal Wasser, trägt Kleidung und legt sich Nachts zum Schlafen hin.

      Muss ich diese Neigungen nun auch überdenken?

  • Das finde ich beruhigend! Satire darf viel, aber nicht alles. Hr. Böhmermann wurde zurecht in die Schranken verwiesen. Sein sogenanntes Schmähgedicht zielte meiner Meinung nach ausschließlich darauf ab, Grenzen auszutesten und ggf. zu überschreiten. Jetzt konnte er Grenzen kennenlernen. Gut so.

    • @Fünfpluseins:

      Ja eben. Das Gedicht war schlecht, kaum Bezug zur Wirklichkeit und Niveaulos.

      Aber das ist es ja. Merkel bewies fehlende Integrität indem sie sich einmischte. Erdogan zeigte auf welchem Niveau er sich so angesprochen fühlt und wie sehr es ihm an Professionalität mangelt. Böhmermann ist deswegen kein Held, aber die Aktion hat uns dennoch wertvolle Erkenntnisse gebracht.