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Verfahren zu Chemnitz-TotschlagSachsen als Schauplatz infragegestellt

Im März wird der Prozess zum Tod von Daniel H. starten. Die Verteidiger fordern, dass es außerhalb Sachsens stattfindet – aus Sicherheitsgründen.

Nach der Tötung von Daniel H. war Chemnitz aufgewühlt – der Prozess soll nun nicht dort stattfinden Foto: dpa

Berlin taz | Am 18. März soll es soweit sein. Dann soll der Prozess starten zu einer Tat, die Chemnitz aufgewühlt hat. Ende August 2018 war der 35-jährige Daniel H. in der Stadt erstochen worden, mutmaßlich von zwei Asylsuchenden. Es folgten rechte Aufzüge in der Stadt, Angriffe auf Migranten, wochenlange Unruhe. Nun soll sich einer der Tatverdächtigen, der Syrer Alaa S., vor dem Landgericht Chemnitz verantworten. Aber die Verteidigung interveniert: Sie will den Prozess außerhalb von Sachsen stattfinden lassen.

Eine Gerichtssprecherin bestätigte, dass ein entsprechender Antrag beim Landgericht einging. Nach taz-Informationen werden darin Sicherheitsrisiken und zu erwartende Protestaktionen angeführt, sollte der Prozess in Chemnitz stattfinden. Auch heißt es darin, diese würden in die Zeit des Landtagswahlkampfs fallen, rechte Parteien könnten das Verfahren instrumentalisieren. Ein fairer Prozess sei so gefährdet. Die Verteidiger von Alaa S. beantragten außerdem, die Verhandlung auch nicht in Thüringen und Brandenburg stattfinden zu lassen, wo im Herbst ebenfalls gewählt wird.

„Der Antrag ist noch in Bearbeitung“, sagte die Gerichtssprecherin der taz. Wahrscheinlich werde das Oberlandesgericht Dresden darüber entscheiden.

Die Anklage wirft Alaa S. gemeinschaftlichen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. In der Nacht des 26. August 2018, um 3.15 Uhr, soll der noch flüchtige Beschuldigte Farhad R. mit dem Chemnitzer Daniel H. in Streit geraten sein. Laut Süddeutscher Zeitung und ARD soll sich Farhad R. nach Kokain erkundigt oder dieses angeboten haben, H. habe ihn zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft teilte dagegen mit, der Grund für den Streit „konnte bislang nicht aufgeklärt werden“.

Die Beweislage ist noch immer unklar

Auf den Streit seien „wechselseitige Tätlichkeiten“ gefolgt, so die Anklage. Alaa S., der sich zuvor in in einem nahen Döner-Imbiss befand, eilte Farhad R. daraufhin zur Hilfe. Es folgten die Messerstiche auf Daniel H., einer traf ihn ins Herz, einer in die Lunge – der 35-Jährige verstarb noch am Tatort.

Die Beweislage gegen den nun angeklagten Alaa S. bleibt indes unklar. Mehr als 100 Zeugen befragten die Ermittler. Viele beobachteten das Geschehen aber nur aus der Ferne. Laut seinen Verteidigern ergebe sich auch aus den DNA-Spuren kein konkreter Tatverdacht gegen Alaa S. Man werde auf Freispruch verteidigen, sagte der Verteidiger von Alaa S. bereits direkt nach Anklage-Erhebung der taz.

Offenbar ist es vor allem ein Zeuge, der Alaa S. belastet. Er will Stichbewegungen des Syrers gesehen haben, allerdings auch aus einiger Entfernung. Laut Süddeutscher Zeitung und ARD wurde der Mann zuletzt von Bekannten von S. bedroht, auch mit einem Stuhl beworfen. Eine entsprechende Anzeige sei im September gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wollte sich dazu nicht äußern. Die Sprecherin des Landgerichts sagte, die verhandelnde Kammer prüfe selbstverständlich alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen für den Prozess und dort auftretende Zeugen.

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1 Kommentar

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  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ein Mordfall, wie er vielleicht alle 2 Tage in Deutschland stattfindet. Ein Mann wird von 2 anderen umgebracht.



    Der Vorfall ist nur deshalb so anders, weil plötzlich ein halbes Bundesland vor lauter Fremdenhass sich selbst in Exstase brachte.



    Deshalb, aus diesem irrationalen Grund, der mit dem Mordfall kaum mehr etwas zu tun hat, sondern eigentlich nur mit den Auswüchsen des Fremdenhasses der Bevölkerung in Sachsen, sollte dieser Prozess woanders stattfinden.