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Verdrängung in BerlinVorkaufsrecht wiederbelebt

Die Weichselstraße 52 soll an einen Investor verkauft werden. Doch das Land nutzt erstmals eine Gesetzteslücke um ihm zuvorzukommen.

Seitdem es vom Bundesverwaltungsgericht kassiert worden ist, wird das Vorkaufsrecht stark vermisst Foto: dpa

Das Bangen für die Mie­te­r:in­nen der Weichselstraße 52 hat ein Ende. Der Bezirk Neukölln soll das Vorkaufsrecht für das Mietshaus ziehen. Am Freitag verkündete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen mit der erforderlichen Finanzierung zu bezuschussen. Nach Informationen der taz handelt es sich hierbei um die Stadt und Land.

Damit sind alle Voraussetzungen für die Ausübung des Instruments Vorkaufsrecht beschlossen. „Neben dem Schutz der Mieterinnen und Mieter ging es uns dabei auch um ein Zeichen, dass dem Land Berlin der Milieuschutz und die Vorkaufsrechte sehr wichtig sind“, erklärte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) am Freitag.

Erst im Juli erfuhren die 21 Mitparteien, dass ihr Haus an den Hamburger Investor Hansereal verkauft werden soll. Die Geschäftsführer des Unternehmens stehen in Verdacht, der AfD nahe zu stehen. In der Rigaer Straße in Friedrichshain besitzt das Unternehmen drei Häuser, die kurz nach dem Erwerb in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden.

Um die drohende Verdrängung zu verhindern, ermöglicht das Vorkaufsrecht dem Land, den potenziellen Käufern einer Immobilie zuvorzukommen. Meist geschieht dies in Form von Dritten, wie eben landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, gemeinwohlorientierten Genossenschaften oder Stiftungen.

Mieterschutz kassiert

Doch ein richtungsweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vor zwei Jahren erklärte das Instrument in den meisten Fällen für ungültig, mit der Begründung, dass durch den alleinigen Kauf eines Gebäudes nicht automatisch von einer Verdrängung der Mie­te­r:in­nen ausgegangen werden kann. Damit fand die Anwendung des Vorkaufsrechts, das nach dem Scheitern des Mietendeckels als eines der wenigen verbliebenen politischen Steuerungsinstrumente galt, ein jähes Ende.

Ein Passus im Gesetz ermöglicht indes weiterhin den Vorkauf, wenn sich das Gebäude in einem schlechten baulichen Zustand befindet. Eine Sanierung hätte dann nämlich zwangsläufig erhebliche Mietsteigerungen und damit auch Verdrängungen zur Folge. Dies sei bei dem Haus in der Weichselstraße zweifelsohne der Fall, berichteten die Be­woh­ne­r:in­nen schon im Juli der taz.

Der Kauf des Hauses könnte damit die erste Ausübung des Vorkaufsrecht seit dem Gerichtsurteil werden. Trotzdem drängt der Senat den Bund dazu, das Instrument rechtssicher nachzubessern: „Das aktuell sehr stark beschränkte Vorkaufsrecht macht die Ausübung schwierig“, so SPD-Senator Gaebler, „Ich appelliere an die Bundesregierung, den Gesetzentwurf zum Vorkaufsrecht endlich zu beschließen.“

Auch wenn es sich bei der Weichselstraße um einen Sonderfall handelt, könnte er dem Vorkaufsrecht zu einem kleinen Comeback verhelfen. So fordert die mietenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger, das Instrument auf weitere in Frage kommende Häuser anzuwenden: „Derzeit gibt es drei weitere Häuser, die sich in der Prüfung befinden. Der Senat steht in der Pflicht, eine gemeinsame Ankaufstrategie zu entwickeln.“

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9 Kommentare

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  • Ich wünsche den Mietern, dass der Bezirk mit seinem Vorkaufsrecht durchkommt. Allerdings finde ich die Begründung etwas dünn. Die möglichen Mietsteigerungen nach einer Sanierung sind durch Gesetze geregelt. Ein neuer Eigentümer muss sich genauso daran halten, wie ein Alteigentümer.

    • @Abid Kidoh:

      Hier ist allerdings nur die Maximalhöhe geregelt. Das macht den Unterschied.

      • @Sonnenhaus:

        Nach einer Sanierung darf die Miete um max. 3 Euro pro m² erhöht werden, wenn ich mich richtig erinnere. Das gilt für "Hansereal" genauso wie für "Stadt und Land."



        Ich wünsche den Mietern von ganzem Herzen, dass sie in ihren Wohnungen bleiben können, aber für den absehbaren Prozess braucht man eine schlüssige Argumentation.

  • Sehr viel Geld für einige wenige Mieter - und keine einzige Wohnung entsteht zusätzlich. Mir soll nur niemand vorjammern, wenn an anderer Stelle Geld fehlt.

    • @Dr. McSchreck:

      Aber dafür gehen auch keine Verloren und der Mietspiegel steigt gegebenenfalls weniger. Die Menschen die ausziehen müssten, wären ja damit auch auf der Suche und die Wohnungsnachfrage würde sich nur erhöhen. Trickle-down ist erwiesener Humbug. Arm wird gegen Wohlhaben ausgetauscht. Trotz alledem müssen die Häuser saniert werden, allerdings nicht renditeorientiert.

      • @Jugend:

        Trotzdem sind es Steuergelder (die der Senat zuschießen soll), die letztlich nur den aktuellen Bewohnern und dem Verkäufer nützen und mit denen man meines Erachtens besser Sozialwohnungen oder Wohngeld bezahlt. Denn damit hilft man Leuten, die ein niedriges Einkommen haben - was für die Bewohner besagter Häuser möglich ist, aber keineswegs sicher.

      • @Jugend:

        Diese alten Mietverträge fließen nicht in die Erstellung des Mietspiegels mit ein - daher ist die Aussage, dass dieser Ankauf eine preisdämpfende Wirkung entfaltet gelinde gesagt Unsinn.

  • Das klingt nach nem durchdachten Plan, dass jetzt nur noch die runtergekommenen Objekte eingesammelt werden. Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf ist hier ja erheblich (u.a. Fenster, Dach, Heizungen) und bleibt ja bestehen. Die öffentlichen Wohnungsgesellschaften der Stadt sind ja überspitzt gesagt, selbst bis unter das Dach verschuldet. Wie soll dieses Vorgehen denn nachhaltig wirtschaftlich darstellbar sein?

  • Der Käufer wird in einem etwaigen Gerichtsverfahren nur nachweisen müssen, dass es das Gebäude in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt. Das Bangen hat alsoe erst ein Ende, wenn Bestandskraft eingetreten ist.

    Und der Autor des Artikels sollte wohl besser mal nachlesen, was der Unterschied zwischen Bundesgerichtshof (hat in dieser Sache nicht entschieden) und Bundesverwaltungsgericht (hat in Hinsicht auf das Vorkaufsrecht entschieden) ist.