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Verdeckter Ermittler in linker SzeneEin Spitzel auf Europatour

Aktivisten hielten Mark Kennedy für einen Kumpel. Nun werden Tag für Tag neue Details über den verdeckten Ermittler bekannt. War er ein "Agent Provocateur"?

"Das ist so zum Kotzen!" Die linke Szene fühlt sich durch den britischen Spitzel betrogen. Bild: dpa

Der Mark, so dachte Jason Kirkpatrick, der ist ein echter Kumpel. Einer, mit dem man was auf die Beine stellen kann.

Seit sechs Jahren kannte der in Berlin lebende US-Amerikaner den Briten Mark Stone, sie hatten sich bei einer Aktion vor dem G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles kennen gelernt. 2007 trafen sie sich in Deutschland bei Vorbereitungstreffs zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Wann immer Mark in Berlin war, konnte er bei Jason Kirkpatrick übernachten.

Nun musste der Filmemacher, Anarchist und einstige grüne Vizebürgermeister einer kalifornischen Kleinstadt erfahren, dass Mark kein Kumpel war. Dass er in Wirklichkeit auch nicht Stone heißt, sondern Kennedy. Und dass er jahrelang als britischer Undercover-Polizist linke Gruppen in ganz Europa ausspähte.

Kirkpatrick hätte stutzig werden können. "Mark hatte schon einen Internet-Stick am Laptop, als noch niemand so ein Ding hatte", sagt er. Er habe das Geld locker sitzen gehabt, ständig Getränke ausgegeben, Fahrten organisiert. Heute ergibt das alles einen Sinn. "Er hat mich betrogen und ausgenutzt", sagt Kirkpatrick. "Das ist so zum Kotzen."

Dutzenden linken Aktivisten in ganz Europa geht es wie ihm. Täglich werden neue Details bekannt, wie systematisch der Scotland-Yard-Mann Umweltaktivisten und Globalisierungskritiker ausspähte. Immer wenn es hoch herging: Kennedy war dabei.

So soll er sich etwa im Auftrag der dänischen Polizei an der Besetzung des Jugendzentrums "Jagtvej 69" in Kopenhagen beteiligt haben. Dessen Räumung im März 2007 hatte wochenlang zu Protesten geführt. Die Polizei verweigert bislang eine Stellungnahme. Auch die isländische Polizei mauert, was Meldungen angeht, wonach Kennedy in ihrem Auftrag die Umweltbewegung "Saving Iceland" infiltriert haben soll. Die organisierte 2005 Proteste gegen den Aluminiumkonzern Alcoa und einen umstrittenen Staudammbau.

In mehr als 20 Ländern soll der verdeckte Ermittler Kennedy unterwegs gewesen sein, darunter Irland, Spanien, Island, Italien - und eben Deutschland.

Hier kommt nun Schwung in die Debatte, nachdem am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), den Einsatz des verdeckten Ermittlers in Deutschland einräumte, die Verantwortung aber auf die Bundesländer abschob, in denen Kennedy aktiv war. Demnach gab es über dessen Einsatz einen Vertrag zwischen den Briten und Mecklenburg-Vorpommern, wo im Juni 2007 der G-8-Gipfel stattfand. Eine ähnliche Vereinbarung soll es im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel in Baden-Baden und Straßburg im April 2009 auch mit Baden-Württemberg gegeben haben. Die Innenministerien der beiden Länder wollten sich dazu am Donnerstag nicht äußern. Dort ist man stinksauer, dass die Angelegenheit überhaupt öffentlich wurde.

Brisant ist, dass bei der vertraulichen Sitzung im Innenausschuss auch zwei mögliche Straftaten Kennedys eingeräumt wurden. So beteiligte er sich in Heiligendamm an einer Straßenblockade. In Berlin versuchte er, bei einer Demo eine Mülltonne abzufackeln. Die Aktion im Dezember 2007 ist besonders merkwürdig. Denn angeblich sollte Kennedy in Berlin nicht als verdeckter Ermittler eingesetzt werden, so BKA-Chef Ziercke, sondern sich nur zur Aufrechterhaltung seiner Legende herumtreiben. Unaufgeklärt ist auch, was der einstige Weggefährte Jason Kirkpatrick erzählt: dass Kennedy einmal angeboten habe, er könne mit ein paar Kumpels nach Deutschland kommen, um Neonazis aufzumischen.

War Kennedy mehr als ein Spitzel? Ein Agent Provocateur, der die linke Szene anstachelte?

Dazu passt, was die Sozialanthropologin Stine Krøijer in der dänischen Tageszeitung Information berichtet. Sie sei im Vorfeld des Klimagipfels von Kopenhagen 2009 und bei Recherchen für eine Promotion über die Planung von Protestaktionen auf Kennedy aufmerksam geworden. Der habe dort "Aktivisten aufgehetzt und provoziert" und womöglich dazu beigetragen, dass "die Entwicklung sich in eine radikalere Richtung bewegte als ohne sein Engagement", sagt Krøijer.

Vorher habe sie Kennedy und einen mittlerweile ebenfalls enttarnten Polizeispitzel Anfang 2009 auf einem Vorbereitungstreffen zu Protesten im Umfeld des Nato-Gipfels in Baden-Baden und Straßburg getroffen. Auch hier hätten beide für militante Aktionen plädiert - und dafür, "dass es Frieden mit Cops nicht geben kann".

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15 Kommentare

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  • HD
    Horst Demmel

    Ich frage mich ob die Taz allmählich nicht doch etwas an Niveau verliert. Ein Foto von Krawallen über einen Artikel zu setzen, in dem es um die linke Szene und Spitzel geht ist schon sehr arm. Ich warte darauf, dass in Zukunft wie in der Bild jeder Demonstrant "Chaot" genannt wird.

  • H
    Happes

    Als Polizeistaat scheint Europa ja prima zu funktionieren.

  • E
    Eichenlauf

    Jetzt kommt endlich mal richtig an die Öffentlichkeit, dass die "linken Szene" schon seit Jahren prozentual mehr mit V-Männer und Agent Provocateurs durchsetzt ist als die NPD.

  • JW
    Jack Wolfskin-Ripper

    Ist die linke Szene nicht in Teilen mitschuld? Immerhin hat sie offensichtlich keine Spitzel beim BKA und Scotland Yard! Es scheint also, als hätte man die Leute nicht ausreichend rekrutiert.

  • V
    vic

    Eine Behördenhure.

    Wie kann einer in jungen Jahren schon so moralisch versaut sein.

    Wenn es stimmt, dass Geld stinkt, dann stinkt sein Lohn besonders ekelhaft.

  • M
    miesgelaunter

    und schon wieder so ein foto

     

    linke szene = brennende autos

     

    gut gemacht taz, das bildniveau ist nicht mehr fern

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wenn wir ständig von Demokratie und Rechtsstaat reden. Wenn wir in der Vergangenheit des Ostens Deutschlands extrem nachtragend sind, liebe Frau Birthler, lieber Herr Super-Gauck: Wieso gehört der staatliche Einsatz von "Agent Provocateurs" (Polizisten mit dem Befehl eingeschleust, vermeintliche Gegner zu Verbrechen zu bwewegen) zu polizeilichen oder geheimdienstlichen Möglichkeiten? Bitte, wer kann mir dies Geheimnis lüften? Das kann es nur in Schurkenstaaten geben. Birthler und Gaucks Schweigen erklärt aber schon sehr viel...

  • TR
    Tim R.

    Ein Traumjob! Man bereist ganz Europa und kann dabei noch für seine Sache kämpfen! Von dem was ich gehört habe, hat er der "Szene" mehr genützt, als das er ihr geschadet hat. Vom Vertrauensbruch einmal abgesehen.

     

    Hallo BKA, hallo MAD, hallo BND! Ihr sucht noch jemanden und habt die Millionen für anfallende Spesen locker sitzen? Ich warte auf euren Anruf!

  • H
    hans

    Mir gefällt der Ausdruck "Aktivist" hier nicht. Würdet Ihr einen molotowcocktailwerfenden rechtsradikalen Skinhead auch als "Aktivisten" bezeichnen?

  • H
    Hauke

    Das ist so spannend, das wird sicher ein schöner Samstagabendfilm auf arte.

  • P
    Piefke

    Dass es erst eines Spitzels bedarf um darauf zu kommen dass Straßenblokaden Straftaten sind ... Interessant!

  • W
    WiderWusel

    Solche Schweine sollte es garnicht geben.Manipulation ohne Ende.

  • T
    tom

    wir schätzen circa 120 verdeckte ermittler und provokateure in der Linken Szene

  • R
    rocker

    Zitat: " Kirkpatrick hätte stutzig werden können. "Mark hatte schon einen Internet-Stick am Laptop, als noch niemand so ein Ding hatte", sagt er. Er habe das Geld locker sitzen gehabt, ständig Getränke ausgegeben "

     

    Wenn's danach geht, bin ich auch ein Spitzel, hihihi!

     

    Das Problem mit diesen Zivis, die immer mal wieder auftauchen/enttarnt werden, ist, dass sie Misstrauen säen und Solidarität langfristig unterwandern. Das merkt man schon, auch in der Roten Flora... Ziel erreicht

  • M
    Michael

    Finde ich gut. Gerade auch weil es ein Brite ist, da wurde wenigstens einmal nach dem Motto "No nations, no borders" gehandelt! Gerade das ist vorbildlich! Ich hoffe das es solche positiven Geschichten auch bei der Überwachung von Rechtsextremisten gibt.

     

    Aber vielleicht könnten die Linken und Grünen einen Volksentscheid einbringen wo gefragt wird ob Linksextremisten überwacht werden dürfen.