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Verdacht auf Kumpanei

Rechter Überfall Antifa, Linkspartei und Grüne üben scharfe Kritik an der Polizei nach den Hooligan-Verwüstungen im Leipziger Szene-Stadtteil Connewitz

Rechtsextreme hinterließen Spur der Verwüstung: der Tag danach in Leipzig-Connewitz Foto: Peter Endig/dpa

Aus Leipzig Michael Bartsch

Binnen kürzester Zeit haben gut vernetzte Antifa-Gruppen aus Leipzig-Connewitz am Dienstagabend etwa 2.000 Teilnehmer zu einer Demonstration gegen den rechten Straßenterror mobilisiert. Anlass war der organisierte Überfall von 250 Hooligans auf das links, alternativ und studentisch dominierte Stadtviertel am Montagabend.

Antifa-Sprecherin Victoria Kühler warf der Polizei vor, Beweismittel und Tatwerkzeuge nur sehr nachlässig gesichert zu haben. Eine Sprecherin des Operativen Abwehrzentrums Sachsen, das die Ermittlungen übernommen hat, beklagte hingegen die schwierige Beweissicherung in dem „nicht gerade polizeifreundlich eingestellten Stadtteil“.

Das Verhalten der Polizei am Legida-Jahrestag haben auch Oppositionspolitiker scharf kritisiert. Die Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (Grüne) und Enrico Stange (Linke) verwiesen insbesondere auf den Skandal, dass Dokumente mit Klarnamen über eine Autokontrolle anreisender Linksautonomer der NPD zugespielt wurden. Einen ähnlichen Maulwurf hatte es bei Pegida in Dresden im September gegeben. Stange vermutet Netzwerke, die bis in die Polizeidirektionen hineinreichen. Für die Leipziger Direktion bestätigt Sprecher Uwe Voigt einen konkreten Verdacht des Verrats von Dienstgeheimnissen. Es sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Immer wieder taucht auch die Frage auf, warum die Polizei vor dem beabsichtigten Naziüberfall auf Connewitz nicht gewarnt wurde. Nach Antifa-Recherchen kursierten im Netz zumindest Ankündigungen einer „ganz guten Überraschung“, die „Brigade Halle“ blies zum „Sturm auf Leipzig“. „Am 7. und 8. Januar sind jeweils Faxe an die Polizeidirektion Leipzig gegangen“, erklärt Martin Döring, Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz. Dort antwortet Sprecher Uwe Voigt, dass man sehr wohl mit Hooligans gerechnet habe, allerdings bei der Innenstadt-Kundgebung und nicht in Connewitz. Dort waren Polizeikräfte nur „in der Tiefe“ platziert, brauchten also etwas Zeit zum Einsatz.

Connewitz fürchtet nun, Schlachtfeld für weitere Naziangriffe zu werden

So gelang den rechten Schlägern ein Überraschungscoup, als sie sich zunächst wie Autonome mit einem Spruchband „Leipzig bleibt helle“ tarnten. Eine Sprecherin des Operativen Abwehrzentrums wollte Beobachtungen der Antifa nicht ausdrücklich bestätigen, dass unter den Festgenommenen auch Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten oder ehemals der NPD nahe stehende Täter sind. Solche Verstrickungen sind für das im März vor dem Bundesverfassungsgericht beginnende Verbotsverfahren relevant.

Die Connewitzer Szene fürchtet nun, Schlachtfeld für weitere Naziangriffe zu werden, zumal im Netz Drohungen wie „Connewitz war erst der Anfang“ kursieren. Der von Zerstörung seines Lokals betroffene Fußballverein „Roter Stern Leipzig“ rief gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung zu einer Spendenaktion für die Laden- und Kneipenbesitzer von Connewitz auf.

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