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Verbände fordern Umdenken beim HaushaltKlima statt Dienstwagenprivileg

Die Bundesregierung soll den Fokus beim Haushalt stärker auf soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz legen. Das fordern mehrere Verbände vom Bund.

Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz statt Dienstwagenprivileg: Verbände fordern Umdenken im Haushalt 2025 Foto: dpa

Berlin AFP | Vor dem Hintergrund der Haushaltsgespräche für das kommende Jahr haben sich mehrere Verbände für ein günstiges Deutschlandticket und gegen eine erweiterte Förderung von Dienstwagen ausgesprochen. Der Haushalt 2025 und die geplante Wachstumsinitiative sollten sich an sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz orientieren, forderten die zwölf Organisationen in einem Appell, der der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag vorlag. Dazu gehöre auch, den monatlichen Preis für das Deutschlandticket stabil zu halten.

Die Regierung hatte Anfang Juli ein Eckpunktepapier für eine wirtschaftliche Wachstumsinitiative vorgestellt. Demnach soll unter anderem für neu zugelassene „vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge“ eine Sonderabschreibung eingeführt werden. Zudem soll die Deckelung für die Dienstwagenbesteuerung von E-Fahrzeugen erhöht werden – von 70.000 Euro auf 95.000 Euro. Das bedeutet: Liegt das Fahrzeug unter diesem Wert, müssen privat genutzte Dienstwagen monatlich nur mit 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises als geldwertem Vorteil besteuert werden.

Mit dieser Maßnahme würde die Bundesregierung den Verbänden zufolge „die soziale Schieflage bei der Dienstwagenbesteuerung verschärfen“ und gleichzeitig „hunderte Millionen Euro Steuereinnahmen“ verlieren. Die geplante Ausweitung gelte zwar nur für E-Autos, parallel bestehen jedoch weiterhin „die milliardenschweren Steuervorteile für Verbrenner-Pkw“, erklärte die Initiative. Der Zusammenschluss forderte stattdessen, die aktuelle Bemessungsgrenze beizubehalten und die Pauschalsätze bei der Versteuerung von Dienstwagen mit Verbrennungsmotor und Plug-in-Hybriden auf zwei Prozent anzuheben.

Das setze „einen zusätzlichen Anreiz zugunsten von E-Autos, die aber kostenneutral innerhalb des Systems gegenfinanziert werden können“, erklärte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Mit den verbleibenden Mitteln könne die nachhaltige Mobilität gefördert werden.

„Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achzigern“

Gleichzeitig sei es wichtig, das Deutschlandticket bis 2026 stabil bei 49 Euro zu halten. Dafür seien „langfristige Investitionen notwendig“, mahnte Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. Derzeit sei aber kein zusätzliches Geld im Haushalt für das Deutschlandticket eingeplant.

Greenpeace kritisierte die Planungen ebenfalls scharf: „Das wäre eine Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achtzigern“, erklärte Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland, schädlich für das Klima und „noch dazu schreiend ungerecht“. Averbeck von der Klima-Allianz fügte hinzu, ohne weitere Finanzmittel vom Bund für Personal, Busse und Bahnen sowie das Deutschlandticket werden Menschen noch weit über 2030 hinaus auf Pkw angewiesen sein.

Neben den genannten Organisationen unterschrieben auch der Auto Club Europa (ACE) und der Sozialverband Deutschland sowie sieben weitere Verbände den Appell. Das Bundeskabinett will sich am Mittwoch mit dem Haushalt für das kommende Jahr sowie der Wachstumsinitiative befassen.

Die Grünen forderten ein „eindeutiges Signal aus Politik und Branche“ zum Deutschlandticket, um die Zahl der Nutzenden zu steigern. Nötig sei die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Nahverkehr, „in der alle Beteiligten intensiv daran arbeiten, die Nutzungszahlen deutlich zu steigern“, erklärte der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar zu der Initiative der Verbände.

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17 Kommentare

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  • Beim Dienstwagenprivileg liegt ein gewaltiger Denkfehler vor. Fast alle denken an dicke große Wagen der Konzernleiter. Das ist grundsätzlich falsch, die Masse der Dienstwagen sind Klein- und Kompaktwagen der Hilfs- und Pflegedienste um von häuslicher Pflege zu häuslicher Pflege zu kommen, Handwerker im Notdienst etc. Leider pflegt hier die linke Neidbourgiosie ein altes Feindbild.

    • @Reinero66:

      Der Denkfehler liegt bei ihnen. Hier geht es um Luxusfahrzeuge, die jetzt bis zu einem Kaufpreis von 95.000 € von der Allgemeinheit subventioniert werden sollen. Die Erhöhung der Obergrenze von 60.000 auf 95.000 € wird sicher nicht Hilfs- und Pflegedienste oder Handwerker, sondern die reichsten 10 % mit noch mehr Geld versorgen.

  • Investieren / subventionieren sollte man (in) den öffentlichen Nahverkehr auf dem Land. Diese Subventionen sind in Großstädten nicht notwendig, da hier kein Markthindernis bei einem funktionierenden System vorliegt.

    Ebenso sollte man in der Innenstadt das kostenfreie Parken für Anwohner verbieten, da diese Alternativen haben

    • @eicke81:

      Aus eins mach zwei



      Wenn einem Arbeitnehmer die Privatnutzung eines Dienstwagens zu teuer wird, dann wird er diesen Dienstwagen nicht mehr privat nutzen, sondern nur noch dienstlich. Damit er mobil bleibt, kauft er sich dann ein eigenes Fahrzeug. Nun sind zwei Fahrzeuge da, statt einem wie bisher.



      Wem soll das helfen? Der Umwelt ganz bestimmt nicht, sozial gerechter wird hierdurch gar nichts.

  • Wer das Klima belasten will, der schafft das Dienstwagenprivileg ab, damit die Leute so genervt sind von jedem protokuliertem Meter, dass sie sich nen Privatwagen anschaffen.

    Wer das Klima belasten will, investiert nicht in den oeffentlichen Nahverkehr, vor allem auf dem Land, sondern subventioniert die Ticketpreise der Priviligierten, die die Bushaltestelle vor der Tuer haben.

  • Daß Hr Wissing sehr ideologisch und weit ab der Realität operiert, hat er ja nun hinlänglich bewiesen. Wobei die im Artikel beschriebenen Planungen zudem auch eine vollkommene Betatungsresistenz erkennen lassen.

    Dennoch oder gerade deshalb ist die Kritik so wichtig. Wissings Tage sind gezählt und je länger er blockiert, desto radikaler wird die Neuausrichtung des Verkehrssektirs, wenn die Zeit (politisch) reif ist.

    Denn die Anreize, die er momentan sendet, laufen schlichtweg darauf hinaus, mit immer mehr, immer klimaschädlicheren und immer teureren Fahrzeugen immer länger im Stau stehen die urbanen Zentren zu verschandeln und die Klimakatastrophe immer schneller voran zu treiben.

    Hr Wissing nennt das ein Stück Freiheit.

    Eine echte Verkehrswende heißt aber das genaue Gegenteil, nämlich mit möglichst geringem Aufwand maximal viel zu erreichen. Sprich kurze Fahrzeiten, bequeme Beförderung in gut ausgebauten Zügen, etc. schöne Städte mit mehr Platz und Sicherheit für alle, weniger Stress und Verkehrstote...usw.

    Das nenne ich Freiheit.

    Und das tolle: wir brauchen nur die Weiche umstellen, das ist kein Hexenwerk und kann sofort beginnen.

    Die Tage der der Auto-Ideologen ist gezählt

  • Faktisch ist es eine Subvention der Autoindustrie durch die Hintertür zulasten aller Steuerzahler.

    Wenn man sich davon schon eine Steuerungswirkung erhofft, was ein politisch legitimes Ziel ist, dann sollte man die Dienstwagenregelung ausschließlich für E-Fahrzeuge gewähren.

  • Der Streit ums Auto ist auch bezeichnend für die Käseglocke Berlin-Mitte versus die Käseglocke plattes Land.



    Deutschland triftet immer mehr auseinander, in den USA werden die ländlichen Gegenden zwischen Rocky Mountains und Appalachen "Fly-Over-States" genannt, mit denen New Yorker und Kalifornier nichts zu tun haben wollen. Das Ergebnis ist Trump, zwar ein New Yorker, der sich aber gebärdet (und gewählt wird) wie ein "Redneck". Ursprünglich auch eine Abwertung von Städtern für Menschen, die sich bei der (Feld-)arbeit einen Sonnenbrand im Nacken holen. Hier sieht es inzwischen nicht besser aus.

  • Was die Verbände einfach übersehen, ist dass die aus ihrer Sicht zu streichenden Massnahmen bestimmte Zwecke erfüllen. Klar kann ich das sogenannte Dienstwagenprivileg abschaffen, nur dann schließen halt ein paar Werke (ganz besonders schön in Zeiten eines aufkommenden Wirtschaftskrieges mit China und mglweise auch mit den USA).

    Am Ende wäre der Nettoverlust aus fehlenden Einnahmen der Jobs und höheren Sozialausgaben höher als die Ausgaben des sogenannten Dienstwagenprivilegs.

    In Anbetracht der derzeitigen Glanzleistungen unseres Wirtschaftsministers wäre das ja noch so eine Art Krönchen zum Ende der Legislaturperiode.

    • @DiMa:

      Es kann nicht sein, dass jede regulierende Entscheidung hin zu mehr Gerechtigkeit und Klimaneutraöotät mit dem Argument von Arbeitsplätzen/Wirtschaft beantwortet wird. Wenn es so wäre, dann haben wir alle Autonomie vor einem kapitalistischen System verloren.

      • @llorenzo:

        Was ist dem Klima geholfen, wenn der Arbeitnehmer seinen Dienstwagen aus Kostengründen nicht mehr privat nutzen wird, sondern sich ein privates Auto kauft, weil dies billiger ist? Was ist dann gerechter?

      • @llorenzo:

        Was dient es der Gerechtigkeit, wenn die Abschaffung des sogenannten Dienstwagenprivilegs am Ende mehr kostet als es bringt?

        Im Übrigen zahlen die derart begünstigten Personen auch eine höhere Steuer (Thema Progression).

        Und wenn uns die Wirtschaft am Ende wegbricht fehlen uns alle Mittel für die Klimaneutralität. Elektrobusse wachsen weder an Bäumen noch fallen sie vom Himmel.

        • @DiMa:

          Für 238 € brutto (= zu versteuerndes Einkommen als geldwerter Vorteil) werden Sie kein privat gekauftes 95.000,--€-Auto fahren können (Anschaffung, Treibstoffkosten, Werkstattkosten, Versicherung, Wertverlust usw.). Ich wüsste jedenfalls nicht, wie das gehen sollte.

          • @Josef 123:

            Nachreichung : "In der Regel übernimmt ein Arbeitgeber nicht nur Anschaffungs-, sondern auch Benzin- und Ladekosten für einen Dienstwagen. Beides kann er von der Steuer absetzen, auch wenn der Dienstwagen für private Zwecke genutzt wird.

            Die Ar­beit­neh­me­r*in­nen müssen dann nur eine Flat-Rate-Tax, unabhängig von den gefahrenen Kilometern, bezahlen. Für Verbrenner liegt diese bei einem Prozent des Autopreises, für E-Autos bei 0,25 Prozent. Als Beispiel: Wird ein E-Auto um 95.000 Euro gehandelt, werden knapp 238 Euro zum Lohn hinzugerechnet, auf den Steuern anfallen." (TAZ, "Luxusautos statt ÖPNV", 16.7.24)

            • @Josef 123:

              Nun, es bekommen ja auch nur diejenigen einen Dienstwagen, welche ihn benötigen und/oder weil man die Person im Unternehmen halten will, weil Spezialkenntnisse. Arbeitnehmer die es an allen Ecken gibt brauchen keinen Dienst-PKW, wer geht wird ersetzt. Vermutlich irgendwann auch mal durch KI.

  • Die "Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achtzigern" hat aber wenigstens allen Menschen gleichermaßen Zugang zu Mobilität ermöglicht - davon ist der ÖPNV Lichtjahre entfernt. Für einen sehr großen Teil der Bevölkerung ist es schlicht komplett egal ob "das Deutschlandticket bis 2026 stabil bei 49 Euro" bleibt, weil für sie kein realistisches ÖPNV-Angebot besteht.



    Dazu zähle ich auch alle Dörfer, die im 60-Minuten-Takt oder schlechter angeschlossen sind. Das ist kein ÖPNV mit dem man einen vernünftigen Alltag bestreiten kann: arbeiten, Termine wahrnehmen, etc...



    Da spricht sich der Berliner mit seinem 5 oder 10 Minutentakt leicht.



    Wirklich sozial gerecht wäre es jedem Menschen einen Zugang zur Individualmobilität zu ermöglichen und nicht immer im 'Namen des Klimaschutzes' und der 'Interessen der sozial Schwachen' Subventionen für ein Mobilitätskonzept zu fordern, das nur städtisch wohnenden Menschen wirklich zur Verfügung steht.



    Im Falle von Berlin bspw gibt es 15% Bürgergeldempfänger, zuzüglich Studenten und Kindern wird also einem extrem großen Anteil dort ein Mobilitätsangebot zu einem völlig unrealistischen Preis von der Allgemeinheit finanziert - DAS ist schreiend ungerecht.

    • @Farang:

      Zu den "Dörfern", die im 60-Minuten-Takt oder schlechter angeschlossen sind gehören auch Oberzentren wie Lüneburg. Der 60-Minuten-Takt des Metronom wird seit einiger Zeit durch ausfallende Züge ausgedünnt... Da kann es dann schon mal zwei Stunden bis zum nächsten Nahverkehrszug dauern.



      Oder es wird nur ab Hamburg-Harburg gefahren. Bis dahin viel Spaß in der proppevollen S-Bahn, die vielleicht sogar pünktlich vor Abfahrt des Metronom eintrifft. Da ist Spannung garantiert...



      Wer gerne täglich ein paar Stunden im Stau steht, kann auch mit dem Pkw nach Hamburg pendeln... Ein toller "Zugang zu Mobilität" für alle.



      Wer für 49 € monatlich nach Hamburg pendeln kann, verplempert daher nicht das Mehrfache davon für Autofahren.



      Wenn wir einen brauchbaren ÖPNV in den Ballungsräumen hätten, wäre dort mehr Platz auf den Straßen für die Einpendler vom platten Land. Mit P+R an Bahnhöfen und S-Bahn-Endstationen (wie in Harburg) kann man diesen Effekt noch steigern.



      Daher kann das 49-€-Ticket letztlich auf unterschiedliche Weise allen zugute kommen...



      Im Gegensatz zur Einkommensverbesserung Reicher in Höhe von bis zu mehr als 10.000 € pro Luxusautos und Jahr.