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Verantwortung im StraßenverkehrWeihnachtsbäume auf dem Radweg

Neongelb und fluoreszierend sind die Farben, die Radfahrende im Herbst tragen. Für mehr Sicherheit würde allerdings etwas anderes sorgen.

Straßenverkehr in der Dämmerung, Köln, Januar 2018 Foto: Jörg SChüler/imago

I ch freue mich immer über die zuverlässig zu Beginn der „dunklen Jahreszeit“ erscheinenden Modetipps für Radfahrende und Fußgänger: Sie sollen sich bitte hell kleiden und am besten von Kopf bis Rucksack reflektieren. Ich bin selbst Besitzerin von mindestens zehn Warnwesten. Sie sind gelb, orange oder grün, haben Reiß- oder Klettverschlüsse und tragen den Aufdruck irgendeines Vereins, der Polizei oder eines Verkehrsunternehmens. Gekauft habe ich keine davon – sie wurden mir als Geschenke auf Festen, Infoständen oder Tagen der offenen Tür in die Hand gedrückt.

Die Geber eint ein wohlmeinender Gedanke: Als Radfahrerin soll ich zu meiner Sicherheit nachts und im Winterhalbjahr gerne ganztags dank Warnweste gut sichtbar sein. Meistens bekomme ich zur Übergabe des Geschenks noch ein Bild gezeigt: Darauf sieht man durch eine Autofrontscheibe einen Fußgänger oder eine Radfahrerin mit dunkler und einen mit reflektierender Kleidung. Der Warnwestenträger leuchtet. Klasse.

Noch toller als Warnwesten-Geschenke wäre nur noch Verkehrspolitik. Also zum Beispiel eine den Umständen entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzung für den Kfz-Verkehr. Wer sonst nicht rechtzeitig bremsen kann, muss langsamer fahren, oder? Wer generell zu wenig sieht, braucht vielleicht wieder Fenster anstelle der derzeit modernen Schießscharten? Und wer auf getrennter Infrastruktur unterwegs wäre, könnte ohnehin nicht gefährdet werden: Wo ein geschützter Rad- oder Fußweg ist, muss keine Weihnachtsbaumbeleuchtung getragen werden, um sichtbar zu sein. Ich jedenfalls bin noch nie in einen Fußgänger gelaufen, weil ich den im Dunkeln nicht rechtzeitig gesehen habe.

Doch die Verkehrswende hängt leider im Parkhaus fest. In Berlin zum Beispiel haben wir eine Senatorin, die Verkehrspolitik ganz neu denkt – jeder bereits durch Planung und Genehmigung gelaufene Radweg muss noch mal geplant und genehmigt werden. Das kostet Zeit, in der man Velo-Planungs-Personal abbauen kann und zugesagte Fördergelder verstreichen. Kürzlich freute sich die Senatsverwaltung in einem Post auf Instagram über ein Vorher-nachher-Bild der Friedrichstraße. Auf 500 Metern der Berliner Meile hatten unter der Vorgängerregierung Bänke gestanden, jetzt stehen und parken da wieder Autos.

Auch symbolisch sind die Wertigkeiten also wieder geradegerückt. Die einen bekommen Warnwesten, die anderen Infrastruktur. Oder Geld: In der Bundespolitik wird der Radverkehrshaushalt im kommenden Jahr auf 400 Millionen gekürzt. Klar, wir müssen sparen. Also wir Radfahrer. Das Dienstwagenprivileg verfeuert weiterhin gut 5 Milliarden pro Jahr. Und der Posten Autobahnen und Bundesstraßen steigt – auf 12,8 Milliarden.

Während wir auf den Beginn der Verkehrswende warten, fände ich zumindest gleiches Moderecht für alle passend. Also: Liebe Autofahrende, die dunkle Jahreszeit hat begonnen. Mit einem gelb oder weiß fluoreszierenden Auto werdet ihr von anderen Verkehrsteilnehmenden einfach besser wahrgenommen. Deshalb lackiert bitte Eure Autos um! Vielen Dank.

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Kerstin Finkelstein
Dr. phil, Journalistin und Buchautorin, Expertin für Verkehrspolitik und Migration. Studium in Wien, Hamburg und Potsdam. Volontariat beim „Semanario Israelita“ in Buenos Aires. Lebt in Berlin. Bücher u.a. „Moderne Muslimas. Kindheit – Karriere - Klischees“ (2023), „Black Heroes. Schwarz – Deutsch - Erfolgreich“ (2021), „Straßenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen“ (2020), „Fahr Rad!“ (2017).
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8 Kommentare

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  • Wenn keine Autos mehr führen bzw. die wenigen übrig gebliebenen strikt getrennte, eigene Infrastruktur hätten, dann könnten sich die unbewesteten, nicht reflektierenden und z. T. dann noch immer unbeleuchteten Radlfahrer*innen dennoch gegenseitig abschießen.

    Warnwesten und/oder andere sichtbar machenden Maßnahmen wären bei optimierter Infrastruktur bzw. zurückgedrängtem Autoverkehr keinesfalls obsolet, auch als Fußgänger is es mir lieber, wenn ich die Radln samt Nutzer schon von weitem sehen kann.

    Ach so, und ja: Als Radfahrer will ich gar nicht unauffällig bis unsichtbar sein.

  • ja, klasse..der warnwestenträger leuchtet.



    "Und wer auf getrennter Infrastruktur unterwegs wäre, könnte ohnehin nicht gefährdet werden: Wo ein geschützter Rad- oder Fußweg ist, muss keine Weihnachtsbaumbeleuchtung getragen werden, um sichtbar zu sein."



    "Wer sonst nicht rechtzeitig bremsen kann, muss langsamer fahren, oder? Wer generell zu wenig sieht, braucht vielleicht wieder Fenster anstelle der derzeit modernen Schießscharten?"



    wenn ich mit meinem pkw rechts abbiege, fahre ich sehr langsam, warte, stehe, passe höllisch auf niemanden auf dem rad umzumöllern. ist es dunkel, pieselig und ein unbeleuchteter held in tarnklamotten kommt angeschossen, habe ich keine chance ihn trotz grosser fenster zu sehen. solche helden begegnen mir täglich in der stadt. bisher ist durch mein glück und schnelle reaktion noch nichts ernsthaftes passiert, die tarnkappenhelden können sich entweder weiterhin darauf verlassen...oder eigenverantwortung übernehmen mit einer eingeschalteten funktionierenden beleuchtung und sichtbaren klamotten.

  • Ist ja richtig, dass Verkehrsteilnehmer verpflichtet sind, auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen.



    Aber man muss den anderen doch auch die Chance geben, einen zu sehen.



    Daher finde ich die Idee mit den neonfarben lackierten Autos gar nicht so daneben, wie sie gemeint war.

    • @Herma Huhn:

      ja, helle farben sind bei wenig licht besser zu sehen als dunkle farben. bedeutet aber nicht das ich ohne beleuchtung fahren darf, seit 2011 müssen alle neu zugelassenen pkw mit tagfahlicht ausgestattet sein, auch wenn es in deutschland noch nicht pflicht ist dieses tagsüber einzuschalten. beleuchtung wird nicht eingeschaltet wenn es zum sehen zu dunkel ist, es wird eingeschaltet wenn mich andere damit besser sehen können...also mit tagfahrlicht immer. das gilt um so mehr für für einspurige fahrzeuge, eingeschaltetes licht ist bei motorrädern auch tagsüber pflicht. sehen und gesehen werde, auf dem rad gilt das um so mehr für andere sichtbar zu sein.

  • Wir sollten die Flu..- aehm - Autofahrerursachen bekaempfen, nicht die Autofahrer!

  • Es wäre doch schon mal ein Anfang, wenn Radfahrer vorschriftsgerecht im Dunkeln auch das Rad beleuchten würden. Dann wäre eine Debatte über Warnwesten vollkommen obsolet, wobei natürlich eine Eigensicherung jedem Verkehrsteilnehmer eigen sein sollte. Insbesondere in Kreuzberg gibt es da noch erheblichen Nachholbedarf.

    Merkwürdige Aussage auch: "Ich jedenfalls bin noch nie in einen Fußgänger gelaufen, weil ich den im Dunkeln nicht rechtzeitig gesehen habe." Angesichts der unterschiedlichen Agilität von Fußgängern und Radfahrern ist der Vergleich doch seltsam.

  • Ich überlege immer noch wo der Mehrwert für mich als Leser bei diesen Artikel ist. Außer dass man den sinnlosen Konflikt Autofahrer vs. Radfahrer weiter am köcheln halten will. Ich selber fahre Auto (ca. 20% meiner Strecken) und Rad (ca. 80% meiner Strecken) und habe dabei folgendes gelernt: Dumme Menschen bzw. Verkehrsteilnehmer gibt es bei Rad- und Autofahrern. Statt immer gegeneinander zu agieren bzw. zu wettern könnte man ja gemeinsam versuchen Probleme zu lösen.

    Ich weiß. Es ist zu viel verlangt.

    • @Müller Christian:

      Es geht in dem Artikel doch nicht gegen Autofahrer, der Artikel beschreibt die Situation in der aktuellen Verkehrspolitik.