Venezuela führt Kryptogeld ein: Die Währung, an die niemand glaubt
Präsident Maduro will mit dem Kryptogeld Petro sein heruntergewirtschaftetes Land retten. Die Währung erfüllt jedoch kaum ein Stabilitätskriterium.
Euphorisch hatte Präsident Nicolás Maduro den Petro bereits Anfang Dezember angekündigt. Die Währung, abgeleitet vom spanischen Wort petrólio, werde helfen, die von den USA verhängte Finanzblockade zu umgehen und den Schwarzmarktkurs des Dollars in die Knie zwingen, so der Präsident. Seinen Landsleuten gab er gleich eine Einführungsstunde in Sachen Wallet, Mining und Blockchain. „Der venezolanische Staat wird die vollständige Kontrolle über die Ausgabe der Kryptowährung haben“, stellte Maduro klar. Zur Absicherung der neuen Währung hinterlegte er ein Ölfeld im Orinoco-Gürtel, in dem eine Fördermenge von mehr als 5 Milliarden Fass Rohöl liegt.
Während also grundlegende Eigenschaften von Kryptowährungen – wie dezentrale Kontrolle, keine staatlichen Organe, keine materielle Sicherheit – ausgeschlossen sind, werden der Weiterverkauf und die Anonymität beim Abwickeln von Transaktionen erlaubt sein.
Für die mehrheitlich von der Opposition beherrschte Nationalversammlung ist der Petro denn auch keine Kryptowährung, sondern eine simple Verschuldungsmaßnahme, mit der die Regierung an frische Dollar kommen will. Da sie mit natürlichen Rohstoffen abgesichert wird, verstößt sie gegen Artikel 12 der Verfassung. Zudem ist die Aufnahme von Krediten nur mit der Zustimmung des Parlaments möglich. Am Dienstag erklärte die Mehrheit der Abgeordneten die Ausgabe des Petro für „nicht gültig“.
Landesweit herrscht Mangel an allem
Für die Regierung ist das jedoch nicht von Belang. Seit zwei Jahren erkennt Präsident Nicolás Maduro die Nationalversammlung schlicht nicht an, ignoriert deren Entscheidungen und regiert mit Wirtschaftssondervollmachten, mit denen er auch sein Dekret zur Ausgabe des Petro begründete.
Die Regierung treibt eine ganz reale Blockchain an. Der gesunkene Ölpreis und der stetige Rückgang der Ölfördermenge haben das Land an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gebracht. Die Landeswährung Bolívar ist schon lange im freien Fall und hatte im vergangenen Jahr eine Inflationsrate von rund 1.000 Prozent, nach Angaben der Nationalversammlung sogar über 2.600 Prozent. Die Exporterlöse reichen nicht aus, um die notwendigen Importe gerade von Lebensmittel und Medikamenten zu finanzieren. Landesweit herrscht Mangel an nahezu allem. Vergangenes Wochenende war es in einigen Orten wieder zu Plünderungen von Supermärkten gekommen.
Jean-Paul Leidenz Font von der unabhängigen venezolanischen Agentur Ecoanalítica sieht die Erfolgsaussichten des Petro skeptisch. „Der Petro ist eine Kryptowährung, die durch eine Zentralbank ausgegeben wird, die für die Hyperinflation des Bolívar verantwortlich ist“, sagt der Ökonom. Wer sollte in eine Kryptowährung investieren, die die allgemeinen Regeln nicht einhält und über Ressourcen abgesichert werden soll, bei denen Venezuela immer weniger in der Lage, ist sie zu fördern und zu exportieren?
Update 15.01.: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, der Bolívar habe 1.000, bzw. 2.600 Prozent an Wert verloren. Richtig ist: die Inflationsrate des Bolívars betrug 1.000, bzw. 2.600 Prozent. Der Text ist nun korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe