Vatikan gegen Synodalen Rat: Weg frei für den freien Fall
Mit dem Synodalen Weg begann die deutsche Bischofskonferenz an menschenfreundlicheren Strukturen zu arbeiten. Jetzt kam ein Veto aus Rom.
E wig und gottgegeben ist nichts in der Geschichte. Wenn Institutionen dennoch an solchen Kategorien festhalten, gefährden sie sich – in informierten Gesellschaften – selbst. Das musste die britische Monarchie lernen. Das sollten auch die Monarchisten im Vatikan zur Kenntnis nehmen, die den Synodalen Rat verhindern wollen.
Rom war eigentlich schon einmal auf einem guten Weg. Von 1962 bis 1965 tagte das Zweite Vatikanische Konzil. Es akzeptierte endlich die Menschenrechte, beschrieb die Kirche recht demokratisch als „wanderndes Volk Gottes“ und betonte die Dienstfunktion des Klerus. Es teilte die Macht und stärkte die Ortsbischöfe.
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. versuchten die Una Sancta Catholica dann wieder zu zentralisieren, verloren aber so viele Schäfchen wie nie zuvor. Nicht zuletzt wegen des Abgrunds sexualisierter Gewalt, der sich hinter den vergoldeten Fassaden verbarg. Gegen Benedikt steht immer noch eine Zivilklage im Raum. Auch andere deutsche Oberhirten versagten und vertuschten.
Doch 2018 sah die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zumindest ein, dass sie mit ihrem Latein am Ende war, und begann mit Betroffenen, Frauen und Wissenschaftler:innen im Synodalen Weg an menschenfreundlicheren Strukturen zu arbeiten. Am Ende des Reformprozesses soll mit dem Synodalen Rat ein stetiges, gewähltes Gremium der DBK bei Leitungsentscheidungen zur Seite stehen.
Eine Handvoll deutscher Traditionalisten und ihre Verbündeten in Rom wollen das verhindern. Kurz vor der DBK-Vollversammlung, auf der am Montag in Augsburg der nächste Schritt beschlossen werden sollte, kam der Vetobrief aus Rom: das Kirchenrecht spräche gegen den Synodalen Rat.
Es gibt nur eine Instanz, die im Kirchenrecht über dem Heiligen Stuhl steht: das Gewissen. Dem sollten die deutschen Bischöfe jetzt folgen und Rom zum Trotz den Synodalen Weg zu Ende gehen. Für viele Katholik:innen war er die letzte Chance, die sie ihrer Kirche gegeben haben. Wird die vertan, droht der freie Fall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“