Utopie für Zölle: Die Vision eines Fair Trade
Es gibt eine Alternative zur Zollpolitik à la Trump oder Mercosur. Zollfreiheit sollte nur noch gelten, wenn fair und grün produziert wurde.
N ach dem Zolldeal zwischen der Europäischen Union und Donald Trump ist es endgültig klar: Ob Zölle die Weltwirtschaft beschädigen, interessiert den US-Präsidenten nicht. Er nutzt sie als Machtinstrument gegen die ganze Welt – und dies erfolgreich.
Tragisch ist dabei nicht nur, dass die Europäische Union Trump immer wieder entgegenkommt, sondern auch, dass sie als Alternative zu Trumps Zolldiktaten nichts anderes als das Konzept eines freien Welthandels ohne Zollschranken ins Feld führt.
Dabei wird ignoriert, dass der sogenannte freie Welthandel der vergangenen Jahrzehnte viel mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und mit der globalen ökologischen Zerstörung zu tun hat.
Viel zukunftsorientierter für die ganze Welt wäre eine Zollstrategie, die Anreize für einen fairen und nachhaltigen Welthandel bietet. Unmöglich, sagen viele. Doch angesichts der prekären Lage der Welt wird es Zeit, das scheinbar Unmögliche zu denken.
Utopie des freien Welthandels
Klar, die Utopie eines freien Welthandels klingt gut: Wenn weder Zölle noch Abgaben und Vorschriften den Handel zwischen Nationen behindern, dann, so die Theorie des britischen Ökonomen David Ricardo (1772–1823), können alle Beteiligten ihre „komparativen Kostenvorteile“ ausspielen: Sie spezialisieren sich dann auf jene Produkte, deren Herstellung sie am besten beherrschen. Dann verkaufen die Unternehmen mehr.
Das Problem liegt jedoch darin, dass die wachsende Konkurrenz allenfalls zwischen ähnlich strukturierten Ländern wie Deutschland und Frankreich Vorteile für alle haben kann.
Ganz anders wirkt der Freihandel zwischen Volkswirtschaften mit völlig ungleichen Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsbedingungen. Da die globale Konkurrenz die billigsten Produkte und mithin die billigsten Anbieter begünstigt, profitieren von Freihandelsabkommen vor allem Unternehmen, die die geringsten Löhne zahlen oder kaum Umwelt- und Klimaauflagen beachten (müssen).
Deshalb entbrennt ein Wettbewerb um die Verlagerung von Produktion in Länder mit niedrigen Arbeitskosten, schlechten Arbeitsbedingungen und geringen Umweltauflagen. Das 3-Euro T-Shirt ist hierzulande nur deshalb so billig, weil die Näherinnen in Bangladesch sehr wenig verdienen und 12 Stunden am Tag im Akkord nähen.
Mercosur-Abkommen reproduziert Probleme
Diese Probleme zeigen sich auch in Freihandelsabkommen, dem geplanten Mercosur-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay.
Das Abkommen kann geostrategisch als Reaktion auf Trumps Zollpolitik richtig sein. Es wird aber dafür sorgen, dass die Europäische Union Autos und Maschinen leichter nach Lateinamerika verkaufen kann, während von dort mehr Soja und Rindfleisch nach Europa kommen wird. Ein Vorteil für die EU.
Da für den Anbau von Soja Regenwälder und andere Naturregionen zerstört werden, geht dieses Abkommen aber zulasten von Umwelt und Klima.
Zollfreier Fair-Trade
Die wirkliche Alternative zu Trumps Handelskrieg liegt deshalb nicht im Freihandel, sondern in Zollvereinbarungen, die Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit belohnen.
Dann würden nur Waren zollfrei gehandelt, die diese Bedingungen erfüllen: Zum Beispiel nur Produkte, bei denen ein Fairtrade oder ein Umweltsiegel garantiert, dass sie unter gerechteren und ökologischen Bedingungen hergestellt wurden – und die deshalb heute viel teurer sind als konventionelle Waren.
Fallbeispiel Baumwolle
Welch grundlegende Veränderungen diese Zollpolitik auslösen könnte, zeigt das Beispiel von Baumwolle. Ihr konventioneller Anbau verschlingt Unmengen an Wasser, 8.000 Liter für jede Jeans – und dies in trockenen Ländern.
Häufig werden auf den Plantagen Hungerlöhne gezahlt und die Pflückerinnen und Pflücker mit Pestiziden besprüht – mit schwerwiegenden gesundheitlichen wie ökologischen Folgen. Unter diesen Bedingungen begünstigt der zollfreie Handel für Baumwolle ein wichtiges, aber auch sehr schädliches Produkt.
Was aber wäre, wenn nur Baumwolle mit Umwelt- und Fairtrade-Siegel zollfrei gehandelt würde, während die Zölle für die konventionelle Ware langsam erhöht würden?
Dann würden sich die Konkurrenzverhältnisse grundlegend verändern: Jetzt wäre jene Baumwolle konkurrenzfähiger, für die viel weniger Wasser und keine Pestizide benötigt würden.
Die Pflückerinnen und Pflücker könnten sich über höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen freuen. Wird diese Art von Zollpolitik auf Kaffee, Tee, Rohstoffe oder Textilien übertragen, dann würde der Welthandel Jahr für Jahr mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit fördern statt Ausbeutung und Umweltzerstörung wie heute.
Klimazoll als Hoffnungsschimmer
Wie soll dies je in der Politik durchgesetzt werden? Nun, einfach wird es nicht. Und doch hat die Europäische Union im Rahmen des Green New Deal bereits ein Zollregime beschlossen, das in diese Richtung geht, nämlich einen Grenzausgleichsmechanismus, der einem Klimazoll gleichkommt.
Ab 2026 sollen Güter, die im Ausland mit einem hohen Ausstoß an Kohlendioxid hergestellt wurden, an den Grenzen zur EU mit einer C02-Abgabe belegt und auf diese Weise verteuert werden. Dies soll ein Klimadumping durch Verlagerung von klimaintensiven Industriebereichen ins Ausland verhindern.
Auf ähnliche Weise könnte die EU auch Sozialdumping begegnen, indem sie Zollfreiheit nur für die Einfuhrt fair gehandelter und nachhaltig produzierter Produkte gewährt.
Zugegeben, bei den politischen Mehrheiten in der Europäischen Union erscheint dies derzeit unwahrscheinlich.
Allerdings wäre eine alternative Zollpolitik eine Chance für die grüne und linke Opposition im Deutschen Bundestag und im Europaparlament, dem Zollkrieg von Donald Trump, aber auch den Freihandelsillusionen der Liberal-Konservativen eine echte Alternative entgegenstellen: Zölle, die den Weg zu einem gerechteren und nachhaltigeren Welthandel ebnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Länderchefs gegen Bundestagsfraktion
Sexuelle Identität entzweit Union
Einwanderung und Extremismus
Offenheit, aber nicht für Intolerante
Nicht-binärer Geschlechtseintrag
Zweitpass gegen Diskriminierung auf Reisen
Verkehrswende in Paris
Blick in die Zukunft
Anschlag auf Pipelines 2022
Tatverdächtiger für Angriff auf Nordstream verhaftet
Rechtsextremer Onlineshop Druck18
Verein „Laut gegen Nazis“ sichert sich Markenrechte