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Stromversorgung in UruguayAls saubere Energie die beste Lösung war

Uruguay hat in nur wenigen Jahren seine Stromversorgung fast vollständig auf Erneuerbare umgestellt. Der Klimaschutz war dabei zweitrangig.

Seit 2019 besteht die Energiematrix in Uruguay zu 50 Prozent aus Wasserkraft und zu 30 Prozent aus Windenergie Foto: Andres Stapff/reuters, Montage: taz

D ass Uruguay heute unter seinen Nachbarn die niedrigsten CO₂-Emissionen bemisst und inzwischen sogar saubere Energie exportiert, war vor 20 Jahren keineswegs absehbar.

2006 war die Energiewirtschaft des kleinen südamerikanischen Landes stark von äußeren Faktoren abhängig, allen voran den globalen Konjunkturzyklen der Ölpreise. Die Energiematrix bestand zu 56 Prozent aus Erdöl, das zudem 38 Prozent der gesamten Importe ausmachte. Wegen der wechselnden Wetterphänomene El Niño und La Niña schwankt zudem die alternative Energieproduktion durch die großen mal vollen mal trockenen Flüsse. Und auch auf die Exporte durch die Nachbarländer war kein Verlass, da es ihnen selbst oft genug an Strom, Gas oder Öl mangelte.

In Uruguay haben wir niemanden mit dem Klimawandel überzeugt

Ramón Méndez, ehemaliger Direktor für Energie im Ministerium für Industrie, Energie und Bergbau

Groß war daher vor allem der Wunsch nach einer gesicherten und unabhängigen Stromversorgung. „In Uruguay haben wir niemanden mit dem Klimawandel überzeugt, das war nur ein zweitrangiges Argument. Wir haben die Menschen überzeugt, weil es die beste Lösung für sie und die Wirtschaft war“, sagt Ramón Méndez, der damals eine treibende Kraft hinter der Energiewende war. Von 2008 bis 2015 war der Physiker Direktor für Energie im Ministerium für Industrie, Energie und Bergbau.

Für den Wandel setzten die Befürworter auf einen parteiübergreifenden politischen Konsens und richteten dafür 2010 eine Mehrparteienkommission ein. An ihr beteiligten sich alle wichtigen Parteien des Landes. Das vorrangige Ziel war „den Energiemix zu diversifizieren, die Abhängigkeit vom Öl zu verringern und den Anteil einheimischer Energiequellen, insbesondere erneuerbarer Energien, zu erhöhen“.

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Die verbindlichen Beschlüsse stellten sicher, dass die eingeschlagene Energiepolitik mögliche Regierungswechsel überstehen würde, und gab Investoren das Vertrauen, Windkraftanlagen, Solarparks und Übertragungsleitungen zu finanzieren. In den folgenden Jahren der Umstellung wurden 6 Milliarden Dollar investiert, das entsprach 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes.

Mit Erfolg: Nach nur fünf Jahren war es gelungen, das Stromnetz von importierten, fossilen Brennstoffen auf nachhaltige Energiequellen umzustellen. Seit 2019 besteht die Energiematrix zu 50 Prozent aus Wasserkraft, zu 30 Prozent aus Windenergie, zu 15 Prozent aus Biomasse, zu 3 Prozent aus Solarenergie und zu den restlichen 2 Prozent aus Erdöl. Insgesamt sind die Produktionskosten gesunken, Energie ist billiger geworden und rund 50.000 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen. „Wir haben die Stromkosten in Uruguay halbiert“, sagt Méndez. Damit hätte Uruguay gezeigt, dass eine Umstellung sowohl möglich als auch effizienter sei.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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