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Urteil zur Geflügelindustrie in NRWKükenschreddern weiter erlaubt

Männliche Küken können in NRW weiter nach dem Schlüpfen getötet werden. Ein Gericht entschied, dass die Praxis nicht tierschutzwidrig ist.

Müssen sterben: männliche Küken Foto: dpa

Münster taz | Brütereien dürfen weiter männliche Küken schreddern. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am Freitag entschieden, dass diese Praxis nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Damit haben sich zwei Brütereien gegen die nordrhein-westfälischen Kreise Gütersloh und Paderborn durchgesetzt, die ihnen das Töten der Tiere verbieten wollten.

Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass „die Tötung der Küken Teil der Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch“ und damit ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes sei. Hähne von spezialisierten Legehennenrassen sind mager und als Hähnchen kaum zu vermarkten. Seit 2008 sind laut NRW-Agrarministerium deshalb 340 Millionen Küken direkt nach dem Schlüpfen getötet worden.

2013 hatte das Ministerium die Aufsichtsbehörden angewiesen, dagegen vorzugehen. Gegen die daraufhin von den Landkreisen verfügten Verbote wandten sich die erfolgreichen Kläger. Eine Revision gegen das Urteil ließ das Oberverwaltungsgericht nicht zu, allerdings können die Kreise dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Der zuständige NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) kündigte nach dem Urteil an, „alle juristischen und politischen Wege auszuschöpfen, um ein Grundsatzurteil für den Tierschutz zu erstreiten“. Tiere seien „keine Abfallprodukte, die nur wegen der Gewinnmaximierung getötet werden dürfen“, sagte der Minister. Er appellierte an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), „endlich die Verfassung ernst zu nehmen und eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen“.

Die Tierrechtsorganisation Peta zeigte sich zwar enttäuscht von dem Münsteraner „Urteil gegen das Leben“, meint aber: „Die Branche weiß, dass sich der Ring um sie enger zieht“, so Edmund Haferbeck, Peta-Rechtsexperte. Immerhin habe das Gericht das Verfahren nicht sofort schriftlich aus dem Weg geräumt, sondern erst nach einer mündlichen Verhandlung entschieden.

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5 Kommentare

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  • "Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass „die Tötung der Küken Teil der Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch“ und damit ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes sei"

    Da Menschen kein Fleisch und keine Eier zum gesunden Leben benötigen ist die Begründung ein Armutszeugnis.

    Eier und Fleisch werden gegessen weil es den Menschen schmeckt. Es gibt kein anderes schlüssiges Argument.

    Jeder, der Tierisches konsumiert, ist also mitschuldig am unnötigen Töten wie das Schreddern. Die Begründung daß es halt so gut schmeckt ist richtig, das Tier wird aber als niederes Wesen degradiert, welches man nach Belieben töten darf. Mit staatlicher Unterstützung. Das ist nichts Anderes als traurig und beschämend !

  • Meine Güte ist das traurig.

  • Zumindest haben wir es jetzt offiziell, jedenfalls von einem Gericht: Ausufernde Habgier in Verbindung mit Geiz-ist-geil-Denken ist immer ein vernünftiger Grund, mit dem sich jede Abscheulichkeit rechtfertigen läßt.

     

    Wie ist das eigentlich mit dem deutschen Grundsatz "gleiches Recht für alle"? Zwar sind Menschen keine Küken, aber immerhin: Ist es im Anklang an das Urteil auch gerechtfertigt, kranke Menschen aus reiner Habgier völlig unnötig (und oft mit lebenslangem zusätzlichen Leid verbunden) unnötig zu operieren? Schließlich dient ja auch die Medizin nur dem Nutzen der Allgemeinheit. Oder wie ist es mit dem Betrug bei Abgaswerten? Das Auto dient doch auch dem Wohl der Allgemeinheit (und der Profitgier einiger Konzerne). Rechtfertigt nicht aus dieser "vernünftige Grund", weiterhin die Umwelt zu verpesten?

     

    Wenn diese Fragen aber mit "nein" beantwortet werden müssen, dann wäre es nachdenkenswert, ob es einen vernünftigen Grund gibt, solche Richter im Amt zu behalten.

  • Tja, da hat der Herr Remmel offenbar das Grundgesetz nur sehr punktuell wahrgenommen und die Aufnahme des Tierschutzes als eine Art Persilschein für die politischen Anliegen der Tierschützer verstanden. Nur ist das eben nicht so. Genauso wie die Religionsfreiheit es nicht erlaubt, jemand Anderem ohne Einwilligung religiös begründet an den Genitalien herumzuschnippeln, darf der Staat auch einem Agrarunternehmer nicht so ohne Weiteres aufgeben, sich um des Tierschutzes willen in den Ruin zu wirtschaften - "praktische Konkordanz" nennen die Verfassungsrechtler das.

     

    Davon abgesehen misstraue ich dem Sturm der Entrüstung gegen das Schreddern. Tatsächlich ist es trotz des unappetitlichen Ablaufs und der martialisch-lautmalerischen Bezeichnung eine der am wenigsten schmerzhaften Arten, wie Tiere und Menschen zu Tode kommen können. Und ich wage die These, dass wenn es nicht um süße, gelbe, flauschelige Küken ginge, sondern z. B. um Insekten oder Nacktmulle, ihr Schutz auch nur sehr wenigen von uns ungefiederten Zweibeinern ein so brennendes Anliegen wäre. Es menschelt halt doch immer wieder sehr stark im Tierschutz...

     

    Etwas würde mich aber interessieren: Wie ist es mit der angestebten Alternativmethode, dem selektiven Ausbrüten? Wäre das dann Mord am ungeschlüpften Leben, oder könnte der Tierschutz sich damit, wenn sich die Verwendung (und damit die Existenz) von Legehennen schon nicht komplett auslöschen lässt, wenigstens ein bißchen anfreunden?

  • Eine miese Vorstellung. Konsumgesellschaft auf den Punkt gebracht im sexistischen Kükenshreddern.