Urteil zur A 20 in Niedersachsen: Autobahnbau im Moor gestoppt
Wegen Verfahrensfehlern darf das erste Stück der A20 nicht gebaut werden. Dass Moore zerstört würden, sei allerdings kein Grund, den Neubau abzusagen.
Abgewiesen hat das Gericht in seiner Entscheidung alle weiteren Punkte der Klage des Umweltschutzverbandes BUND. Dieser hatte vor allem darauf abgehoben, dass der Autobahnneubau mehrere Moore zerstören wird, was Treibhausgase in erheblicher Menge freisetzt und daher Deutschlands Selbstverpflichtung zum Klimaschutz konterkariere.
Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht, was es bereits in der Verhandlung im Mai angedeutet hatte. „Das Klimaschutzgesetz war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten und musste daher nicht berücksichtigt werden“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts vom Donnerstag. Daran ändere auch die „besondere Bedeutung und Dringlichkeit des Klimaschutzes“ nichts.
Der BUND bezeichnet das Urteil dennoch als „Teilerfolg im Kampf gegen die A20“, hieß es in einer Pressemitteilung der BUND-Vorsitzenden des Landes Niedersachsen, Susanne Gerstner. „Wir konnten im Verfahren nachweisen, dass die zuständige Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eine in gleich mehreren entscheidenden Punkten fehlerhafte Berechnung zur Stickstoffbelastung vorgelegt hat. Bei Realisierung der A20 muss mit erheblichen Beeinträchtigungen eines wertvollen Schutzgebietes gerechnet werden.“
Bau setzt 450.000 Tonnen Kohlendioxid frei
Allerdings sagte sie auch, es sei „sehr bedauerlich, dass das Gericht in seiner formaljuristischen Prüfung den Klimaschutz vollständig ausgeblendet hat“. Denn die A20 soll sowohl in Niedersachsen als auch in Schleswig-Holstein zur Hälfte durch Marsch- und Moorgebiete führen. Beide Bodenarten haben die Eigenschaft, sehr viel Treibhausgase zu binden. Moore sollen im Mittel rund 700 Tonnen Kohlendioxid je Hektar speichern, sechsmal mehr als ein Hektar Wald, schreibt das Landesumweltamt Baden-Württemberg auf seiner Homepage.
Allein für die ersten beiden Bauabschnitte in Niedersachsen würden 1,8 Millionen Kubikmeter Torf ausgehoben, schreibt der BUND in seiner Pressemitteilung. Dabei würden 450.000 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Der Bau der A20 würde daher die Klimakrise „massiv verstärken“.
Vor sechs Jahren hatte das Bundesumweltamt ausgerechnet, dass der Bau der Autobahn auf niedersächsischer Seite die mit Abstand negativste Umweltbilanz aller Vorhaben des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufweise und daher gestrichen werden solle. Dennoch hielten bisher sowohl die Bundesregierung als auch das Land Niedersachsen und das Land Schleswig-Holstein an der Küstenautobahn fest, die Polen über Norddeutschland mit den Niederlanden verbinden soll (siehe Infokasten).
Auch die Regierungsbeteiligungen der Partei Die Grünen hat an dieser Haltung bislang noch nichts geändert.
„Wir haben Zeit gewonnen“
Aufgeben wollen die A20-Gegner:innen nicht. Die Planfeststellungsbehörde müsse jetzt nachbessern, das werde Jahre dauern. „Wir haben noch einmal Zeit gewonnen“, sagte Susanne Grube, Vorsitzende des BUND Ammerland der taz. „In dieser Zeit wird der politische Druck größer werden. Wir merken ja alle, was los ist.“ Aktuell sagen die Wetterdienste für Norddeutschland für Mitte Juli Temperaturen um die 40 Grad Celsius voraus. Auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sei daher nicht ausgeschlossen.
Auch bei drei anderen Teilabschnitten der A20 gibt es einen Baustopp aufgrund für rechtswidrig erklärter Planfeststellungsverfahren, etwa bei Bad Segeberg wegen fehlenden Fledermausschutzes.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag forderten die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP dazu auf, den Baustopp zu nutzen, „den veralteten Bundesverkehrswegeplan als bisherige Grundlage für viele unsinnige Autobahnprojekte zügig zu überprüfen“, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge