Urteil zum Suizidmedikament: Nichts für daheim
Die Gerichtsentscheidung, dass das Medikament Natrium-Pentobarbital nicht privat aufbewahrt werden darf, ist richtig. Es könnte in falsche Hände geraten.
D as Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist richtig. Es kann keinen Anspruch von Sterbewilligen auf Zugang zum Suizidmedikament Natrium-Pentobarbital geben. Gerade weil es ein zuverlässig tödliches Medikament ist, bei dem kleine Dosen genügen, darf es nicht einfach so in private Hände gelangen.
Im konkreten Fall wollten die zwei Kläger nicht sofort sterben, sondern sich das Medikament auf Vorrat sichern, damit sie es bei Bedarf – wenn sich ihre Krankheiten verschlimmern – zur Hand haben. Sie wollten von niemandem abhängig sein. Bis dahin hätten sie das Medikament in ihrem Haushalt lagern müssen, in der Nachttisch-Schublade, im Kühlschrank oder in der Medikamentenschachtel. Nicht jeder hat einen Tresor.
Wenn aber ein so tödliches Medikament ungeschützt zu Hause gelagert wird, drohen vielfältige Gefahren: Der neue Pfleger könnte das Suizidmedikament mit einem Hustensaft verwechseln, die Enkel könnten den Totenkopf für ein lustiges Piratensymbol halten oder die Erben wollen den Erbfall beschleunigen. Auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben muss zurückstehen, wenn solche Gefahren drohen.
Interessant ist, mit welcher Vehemenz inzwischen die Nutzung von Sterbehilfeorganisationen als zumutbare Alternative zum Freitod via Natrium-Pentobarbital empfohlen werden. Damit argumentierte zunächst das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und nun auch das Bundesverwaltungsgericht. So schnell kann es gehen. Noch vor wenigen Jahren galten Sterbehilfeorganisationen als Problem, als Geschäftemacher und Tabubecher. Sie wurden strafrechtlich verfolgt. Nun plötzlich sind sie Teil der verantwortungsbewussten, professionellen Lösung. Zu Recht.
Dennoch wäre es gut, wenn ihre Tätigkeit besser reguliert würde. Nachdem ein erster Versuch im Juli scheiterte (beide Gesetzentwürfe bekamen im Bundestag keine Mehrheit), besteht hier immer noch Handlungsbedarf. Zu sichern ist vor allem, dass die Vereine nur frei verantwortliche Suizide unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Nach dem Sturz von Assad in Syrien
Türkei verkündet Erfolg gegen syrische Kurden