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Urteil nach Sturm auf das KapitolProud Boys drohen 20 Jahre Haft

Mitglieder der rechten Gruppe sind wegen „Verschwörung zur Aufruhr“ verurteilt. Das Strafmaß kommt im Sommer, Trump macht Wahlkampf.

Enrique Tarrio mit seinen Proud Boys auf einer Rallye im Jahr 2019 Foto: Noah Berger/ap

New York taz | Vier Führungsmitglieder einer Schlägertruppe, die sich als bewaffneter Arm des Ex-US-Präsidenten Donald Trump verstanden, sind am Donnerstag in Washington der „Verschwörung zur Aufruhr“ für schuldig befunden worden. Die Geschworenen halten die „Proud Boys“ für schuldig, die gewalttätigen Ausschreitungen im Kapitol am 6. Januar 2021 geplant und angeführt zu haben.

Ein fünfter Angeklagter aus der Spitze der Proud Boys wurde lediglich anderer schwerer Straftaten – darunter Körperverletzung von Polizisten und Gewalt gegen das Kapitolgebäude – für schuldig befunden. Allen Fünf drohen im Sommer, wenn das Strafmaß festgelegt wird, bis zu 20 Jahren hinter Gitter.

An dem Tag, als Tausende Trump-Anhänger das US-Kapitol stürmten, um die Machtübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden zu verhindern, waren vier der jetzt verurteilten Proud Boys in der allerersten Reihe dabei: als Schläger im Kapitol, sowie als Einpeitscher des Mobs auf den Treppen und Plätzen rund herum.

Der fünfte, der ehemalige Chef der Proud Boys, Enrique Tarrio, verfolgte und koordinierte den Sturm auf das Kapitol aus der Nachbarstadt Baltimore. Wegen einer anderen Straftat hatte die Justiz ihm den Zugang zur US-Hauptstadt Washington verboten. „Tut, was getan werden muss“, stachelte Tarrio seine Leute am 6. Januar an. Am Ende des Tages, der fünf Menschen das Leben kostete, prahlte er in rechtsradikalen Kanälen: „Lasst euch nicht täuschen. Wir haben das getan“.

Auch Mitglieder der Oath Keepers verurteilt

Die Proud Boys sind nicht die einzige rechte Gruppe, die wegen des Sturms auf das Kapitol rechtlich belangt wird: Die Spitze der Oath Keepers, darunter ihr Gründer Stewart Rhodes, wurde bereits im vergangenen November derselben Straftaten für schuldig befunden.

Nach dem Schuldspruch vom Donnerstag erklärte Justizminister Merrik Garland in einer Pressekonferenz, dass die Ermittlungen nach dem 6. Januar zu den aufwendigsten der US-Geschichte gehören. Bislang sind 600 Menschen unterschiedlicher Straftaten für schuldig befunden worden, weitere könnten folgen. Das Urteil zeige, so Justizminister Garland, „dass wir alles tun, um das amerikanische Volk und die amerikanische Demokratie zu verteidigen.“

Vor Gericht hatten Dutzende Zeugen und Tausende Dokumente – darunter viele interne Nachrichten der Rechtsradikalen – die Vorbereitungen der Proud Boys auf den 6. Januar gezeigt. Sie verbreiteten Trumps Behauptung von angeblich gefälschten Wahlen und bereiteten sich mit militärischem Training und Ankündigungen des kommenden Bürgerkrieges darauf vor, den demokratischen Prozess auszuhebeln.

Doch vor Gericht versuchten die Angeklagten, sich damit herauszureden, sie hätten lediglich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Einen Aufruhr hätten sie nicht geplant. Einer ihrer Verteidiger sprach von ihnen als einem „Trinker-Club“ von „Männern, die zusammen kommen, um sich über ihren Ärger auszutauschen“.

Die Proud Boys wurden erst mit Trump groß

Ex-Chef Enrique Tarrio, der sich selbst als „Afro-Kubaner“ bezeichnet, erklärte, er werde von Trump „als Sündenbock“ benutzt. Wie seine Mit-Angeklagten machte Tarrio den Ex-Präsidenten für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich.

Die 2016 gegründeten Proud Boys sind eine anti-demokratische, antimuslimische und antisemitische Organisation, die lediglich Männer aufnimmt. Die müssen sich in brutalen Ritualen beweisen, bevor sie Vollmitglieder werden können.

Während der Präsidentschaft Trumps wurden die Proud Boys groß: Als Trump bei einer TV-Debatte im Präsidentschaftswahlkampf 2020 aufgefordert wurde, auf Distanz von den Schlägern zu gehen – die unter anderem auf den Straßen von New York, Charlottesville und Portland gewaltsam gegen linke Aktivisten und Schwarze Bürgerrechtler vorgingen – antwortete er vor laufender Kamera mit einem Satz, den sich die Rechtsradikalen umgehend zu Eigen machten: „Proud Boys – tretet zurück und haltet Euch bereit“. Nach dieser präsidentiellen Rückendeckung verdreifachte sich nach Angaben eines abtrünnigen Proud Boys der Mitgliederzulauf schlagartig.

Trump macht derweil Wahlkampf für 2024

Während die Proud Boys die Urteile anfechten wollen, droht ihrem einstigen Helden Trump in immer mehr Verfahren und Ermittlungen eine Verurteilung. In New York ist er wegen der illegalen Zahlung von Schweigegeldern angeklagt. Ein anderer Prozess, in dem ihm Vergewaltigung vorgeworfen wird, ist in der Endphase. In Georgia könnten die Ermittlungen wegen Wahlfälschung demnächst zu einer Anklage führen. Und in Florida hat die Justiz einen namentlich nicht genannten Trump-Mitarbeiter in Mar-a-Lago gefunden, der bei den Ermittlungen über illegal mitgenommene Geheimdokumente kooperiert.

Dennoch ist Trump – der seine Anhänger am 6. Januar mit dem Versprechen nach Washington gerufen hat: „Kommt, es wird wild werden“ – bislang nicht wegen seiner Rolle bei dem Sturm auf das Kapitol angeklagt. Stattdessen macht er Wahlkampf, um 2024 das Weiße Haus zurückzuerobern.

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