Urteil im Trans-Mordfall in Münster: Offensichtlicher (Selbst-)Hass
Das Gericht wollte in dem tödlichen Angriff auf Malte C. keine Queerfeindlichkeit erkennen. Es ist ein Fehler, diese Motivlage auszublenden.
D as Urteil lautete erwartungsgemäß: 5 Jahre Jugendstrafe samt Unterbringung in einer therapeutisch orientierten Entziehungsanstalt verhängte das Landgericht Münster gegen den Mann, der vor gut einem halben Jahr den trans Mann Malte C. beim CSD in Münster so aggressiv geschlagen hatte, dass dieser zu Boden fiel und dabei tödliche Verletzungen erlitt. Der Täter, so formulierte das Gericht eindrücklich, müsse von seiner Drogen- und Alkoholsucht abgebracht werden, um nach der Freiheitsstrafe überhaupt als ein gewaltfrei zurechnungsfähiger Mensch leben zu können.
Das ist problematisch, weil der aus Tschetschenien geflüchtete Mann nach allem, was die gutachterliche Expertise enthüllt, ein schwuler Mann ist. Aus Gründen des in seiner Geburtsheimat mörderisch grassierenden Hasses auf vor allem männliche Homosexuelle legte er sich einen emotionalen Panzer zu, bereit zu jedweder Aggression im Moment von Gefahr.
Beim CSD in Münster, dem er vom Rande aus und unter Drogen stehend zuschaute, erkannte er das, was ihm zu leben in seiner Heimat nicht möglich ist und womit er sich in tödliche Schwierigkeit brächte. Malte C.’s „Vergehen“ war, dass er, zumal als trans Mann, eine lebenszugewandte Queerness ausstrahlte, die offensichtlich furiosen Selbsthass beim Täter auslöste.
Die am Gericht Beteiligten, Richterschaft, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, wollten in der Tat keine Queerfeindlichkeit erkennen – und das ist ein juristischer Fehler sondergleichen: Hass auf Queers ist eine Motivlage, die des Öfteren von verkappten, aber sich selbst nicht anerkennenden Homosexuellen ausgeht.
Eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht hat immer therapeutische Mühen zur Folge. Wichtig wäre jetzt, dem Verurteilten eine positive Selbstanerkennung als schwuler Mann zu ermöglichen. Und ihm als Asylbewerber nach Strafverbüßung eine Zukunft in Deutschland zu ermöglichen. Müsste er zurück nach Tschetschenien, käme das für ihn einem Todesurteil gleich.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung