Urteil gegen Mietpreisbremse: Bremst Urteil Bremse?

Das Amtsgericht Neukölln erklärt die Mietpreisbremse für nichtig – gegen die bisherige Rechtsprechung höherer Instanzen.

Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug «Bundesgerichtshof», aufgenommen vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Sieht's anders als das Amtsgericht: Der Bundesgerichtshof Foto: dpa | Uli Deck

BERLIN taz | Handelt es sich um die nächste große gerichtliche Schlappe für das Land Berlin? Wie der Tagesspiegel am Montag berichtete, hat das Amtsgericht Neukölln in einem Mietstreit die Mietpreisbremse kurzerhand für nichtig erklärt. Ein Paar hatte auf Mietminderung geklagt und sich dabei auf die Bremse bezogen – doch das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, diese sei „nicht anzuwenden, weil nichtig“. Gegen das Urteil kann das Paar vor dem Landgericht Berufung einlegen.

Interessant ist die Begründung des Gerichts, die der taz vorliegt. Nicht angreifbar ist laut dem Richter der Inhalt der Mietpreisbremse, die 2015 vom Bund verabschiedet wurde. Unter Berufung auf die Untersuchung eines Sachverständigen sagt der Richter aber, dass die Begründung der Verordnung, mit welcher das Land Berlin die Bremse in Kraft setzte, für die Öffentlichkeit nur schwer zu finden gewesen sei. Das sei ein „zwingender Bestandteil“ einer Verordnung. Fehlt diese, sei sie nichtig.

Das Amtsgericht Neukölln stellt sich mit dem Urteil gegen die Rechtsprechung des Landgerichts und auch des Bundesgerichtshofs. Beide haben geurteilt, dass die Verordnung rechtmäßig veröffentlicht wurde. So heißt es im Beschluss des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2020, die Verordnung sei „mit den üblichen Suchhilfen im Internet – sogar mühelos – abrufbar“.

Keine Konsequenzen für Mie­te­r:in­nen

Laut Gutachter war das aber erst ab 2017, nach einem Serveraustausch im Abgeordnetenhaus, der Fall. Wie der Gutachter dazu kommt, geht aus dem Urteil nicht klar hervor. Es heißt dort: „Seine Erkenntnisse hat der Sachverständige zu 90 Prozent aus eigener Sachkunde gewonnen.“

Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sagte der taz, das Urteil, das der Verwaltung nicht vorläge, sei „überraschend“. Folgen für Berlins Mie­te­r:in­nen ergäben sich aber nicht. Ein zivilrechtliches Verfahren betreffe nur die beteiligten Parteien. Außerdem verweist Pallgen auf die höher instanzlichen Urteile.

Mietrechtsanwalt Benjamin Raabe kritisiert die Berichterstattung des Tagesspiegels als „fahrlässig“. Dort hieß es, bei Bestätigung des Urteils könnten „Tausende Mieter“ betroffen sein. Es sei aber „sehr, sehr unwahrscheinlich“, dass Landgericht und Bundesgerichtshof ihre bisherige Rechtsprechung revidieren. Selbst wenn, beträfe ein solches Urteil nur laufende Rechtsstreits, die sich auf den Zeitraum bis 2020 beziehen. Da wurde die Bremse verlängert – und unstrittig korrekt verkündet.

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