Urteil gegen Kinderbuchverbot: Happy End für lesbische Prinzessinnen

In Litauen wurde ein Märchenbuch verboten, das queere Paare zeigt. Nun gibt der EGMR der Autorin recht. Litauen muss Strafe zahlen.

Zwei weibliche Figuren im Brautkleid stehen auf einer Torte

Litauen betrachtet homosexuelle Partnerschaften als „Verachtung für die Werte der Familie“ Foto: Sven Lambert/imago

BERLIN taz | Schon wieder Streit zwischen Amber Heard und Johnny Depp? Nicht ganz. Das Buch, um das es dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht, nennt sich „Amber Heart“ – und die Signifikanz dieses Märchens hat sich das EGMR nun zu Herzen genommen.

Am Montag verurteilte der EGMR Litauen zu 12.000 Euro Schadenersatz und 5.000 Euro Prozesskosten, da das Land gegen das Märchen vorgegangen war. Das Buch war im Jahr 2013 von der litauischen Universität mit einem Zuschuss des Kulturministeriums veröffentlicht worden und lehnt sich an traditionelle Märchen an.

Der Unterschied zu konventionellen Erzählungen des Genres liegt bei „Amber Heart“ darin, dass die sechs Geschichten Themen wie Migration, Behinderung, Rassismus und Mobbing thematisieren. Zwei Geschichten handeln zudem von romantischen Beziehungen und Eheschließungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, was bei Familienverbänden für Aufruhr sorgte.

Dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) zufolge zählt Litauen neben Bulgarien, Rumänien oder Polen zu den wenigen EU-Ländern, in denen die gleichgeschlechtliche Partnerschaft rechtlich nicht anerkannt wird. So gibt es in Litauen weder die eingetragene Lebenspartnerschaft noch die Ehe für alle.

Queere Geschichten gefährlich für Kinder unter 14?

Nach den Beschwerden sah sich die Aufsichtsbehörde für Journalistische Ethik das Märchenbuch, geschrieben von Neringa Dangvydė, genauer an – und kam zum Schluss, dass die zwei genannten Erzählungen nicht mit dem Artikel 4 Paragraph 2 Satz 16 des Gesetzes über „den Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Auswirkungen öffentlicher Informationen“ übereinstimmten.

Das Gesetz besagt, dass jede Information als negative Auswirkung für Minderjährige interpretiert wird, die eine „Verachtung für die Werte der Familie zum Ausdruck bringt“ oder „ein anderes Konzept von Ehe und Familiengründung als das in der Verfassung oder im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte“ fördert. Der Verkauf des Buches wurde zwischenzeitlich gestoppt und schon ausgelieferte Exemplare wurden mit einem Warnhinweis versehen. Es sei gefährlich für Kinder unter 14, hieß es. Das Buch richtet sich an Neun- bis Zehnjährige.

Die Autorin Dangvydė, auch bekannt unter dem Namen Neringa Macatė, legte eine Zivilklage gegen den Verlag ein. Die Gerichte wiesen ihre Klage ab mit der Begründung, der Verlag habe im Einklang mit dem nationalen Recht gehandelt.

Kinder sollen Respekt für alle lernen

Daraufhin reichte die Autorin am 22. November 2019 eine Beschwerde beim EGMR ein und berief sich auf die Freiheit der Meinungsäußerung sowie das Diskriminierungsverbot. Die litauische Autorin, die selbst offen lesbisch lebte, brachte zudem vor, dass das Gesetz zum Schutz von Minderjährigen als Vorwand genutzt werde, um die Verbreitung von positiven Informationen über die queere Community zu unterbinden.

Dieser Beschwerde gab das EGMR nun recht. So würden in den beiden Geschichten homosexuelle Paare nicht stärker hervorgehoben als andere Paare. Da die Geschichten Respekt für alle Mitglieder der Gesellschaft propagierten, sollte Kindern der Zugang nicht verwehrt werden.

Dangvydė selbst bekam die Entscheidung nicht mehr mit: Die litauische Autorin verstarb im Alter von 44 Jahren im März 2020, seitdem war das Verfahren von ihrer Mutter weitergeführt worden. Das Buch hingegen ist online zugänglich für alle – und kann nicht nur litauische, sondern Kinder weltweit beglücken.

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