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Urheberrecht von RegierungsdokumentenJetzt muss Europa entscheiden

Die Funke-Mediengruppe veröffentlichte interne Regierungsdokumente zur Situation in Afghanistan. Durfte sie diese online stellen?

Wenn es nur nach deutschem Recht gegangen wäre, hätte die Funke-Gruppe auch beim BGH verloren Foto: dpa

Karlsruhe taz | Kann mit dem Urheberrecht die Pressefreiheit ausgehebelt werden? Darüber muss jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Verfahren am Donnerstag in Luxemburg vorgelegt.

Hintergrund ist die Auseinandersetzung um die so genannten „Afghanistan-Papers“: Im Jahr 2013 hatte die Funke-Mediengruppe vertrauliche Berichte der Bundesregierung über die Situation in Afghanistan für die Jahre 2005 bis 2012 auf ihrem Webangebot www.derwesten.de veröffentlicht. Die Bundesregierung klagte auf Unterlassung und berief sich auf ihr Urheberrecht an den Berichten. Die Klage war in zwei Instanzen erfolgreich. Doch die Funke-Gruppe ging in die Revision zum BGH und berief sich auf die Pressefreiheit.

Bei der Verkündung machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher nun klar: Wenn es nur nach deutschem Recht gegangen wäre, hätte die Funke-Gruppe auch beim BGH verloren. Die Regierungsberichte seien urheberrechtlich geschützt und die Journalisten konnten sich auf keine der gesetzlichen Schranken des Urheberrechts berufen.

So sei es keine „Berichterstattung“, wenn einfach vollständige Dokumente online gestellt werden. Auch das „Zitatrecht“ passe nicht, da das Zitat als Beleg für eigene Gedanken diene, die hier aber fehlten. Eine zusätzliche gerichtliche Abwägung von Urheberrecht und Pressefreiheit habe der BGH bisher immer abgelehnt, weil das deutsche Urheberrechtsgesetz als abschließende Entscheidung durch den Gesetzgeber angesehen wurde.

Zurück zur EU-Richtlinie

Nun aber legte der BGH den Fall überraschend dem EuGH vor. Da das Urhebergesetz in diesen Fragen weitgehend die EU-Richtlinie über die Informationsgesellschaft (InfoSoc) von 2001 umsetze, müsse der EU-Gerichtshof entscheiden, ob sich aus dem EU-Recht eine andere Lösung ergibt. Zu berücksichtigen seien dabei auch die EU-Grundrechte aus der Europäischen Grundrechte-Charta, insbesondere die „Freiheit der Medien“ und die „Informa­tionsfreiheit“.

Ginge es nur nach deutschem Recht, hätte die Funke-Gruppe verloren

Für die Funke-Gruppe ist das Weiterreichen an den EuGH tendenziell positiv. Zwar ist der Ausgang des Verfahrens in Luxemburg völlig offen. Die Chancen stehen aber besser, als wenn der BGH allein entschieden hätte.

Andererseits wäre auch der Weg zum Bundesverfassungsgericht versperrt, wenn der EuGH zum Schluss käme, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Richtlinie keinen Spielraum hatte.

Funke-Anwältin Anna Lissner sagte nach der BGH-Verkündung: „Wenn die Bundesregierung mit ihrer Berufung aufs Urheberrecht durchkommt, ist der investigative Journalismus tot.“ Ganz so schlimm wird es aber selbst bei einer Niederlage nicht kommen. Investigativer Journalismus besteht weniger darin, nach dem Modell von Wikileaks unkommentiert Dokumente ins Netz zu stellen. Typisch ist eher, geheime Dokumente selbst auszuwerten, zu beschreiben und sie allenfalls punktuell zu veröffentlichen. So verfuhren die Medien zum Beispiel mit den Snowden-Dokumenten oder den so genannten Panama-Papers.

Urheberrecht und Kunstfreiheit

Auch ein zweites Verfahren legte der BGH am Donnerstag in Luxemburg vor. Im Dauerstreit, ob Hiphopper erlaubnisfrei fremde Beats und Tonfetzen benutzen dürfen, muss nun ebenfalls der EuGH entscheiden. Dort geht es um die Frage, ob HipHop-Produzent Moses Pelham 1997 für den Song „Nur mir“ von Sabrina Setlur ein zwei Sekunden langes Sample aus dem Kraftwerk-Stück „Metall auf Metall“ nutzen durfte.

Der BGH hatte dies 2012 verboten, denn Pelham hätte den Beat auch selbst einspielen können. Das Bundesverfassungsgericht hob das BGH-Urteil aber im Mai 2016 auf. Der Zugriff auf das Originaldokument sei von der Kunstfreiheit gedeckt und diene der „ästhetischen Reformulierung des kollektiven Gedächtnisses kultureller Gemeinschaften“, so die Verfassungsrichter.

Diese Entscheidung, so BGH-Richter Büscher, sei wohl nur für die Zeit bis zum Inkrafttreten der EU-InfoSoz-Richtlinie im Jahr 2001 relevant. Für die Zeit ab 2001 müsse der EuGH entscheiden, ob auch die EU-Kunstfreiheit dem Schutzrecht von Kraftwerk vorgehe.

In beiden Fällen wird es bis zu einer EuGH-Entscheidung rund eineinhalb Jahre dauern.

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2 Kommentare

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  • "Durfte sie diese online stellen?"

     

    Ja, sie durfte. Sie durfte es ebenso, wie eine Sekretärin es melden darf, wenn sie feststellt, daß der Buchhalter Gelder unterschlägt, selbst wenn der Buchhalter daraufhin Schaum vor dem Mund bekommt.

     

    Demokratisch wählen dürfen, aber nicht wissen dürfen, was diejenigen tun, die gewählt wurden, paßt nicht zusammen.

     

    Allerdings paßt es nicht zur Vernunft, wenn die Schafe beständig meinen, daß ihr Wohl nur dann gewährleistet ist, wenn sie sich den Spielregeln der Wölfe unterwerfen. Theoretisch ließe sich die Messibude "Politik" auch aufräumen, doch in der Praxis überwiegt die Angst vor der Wahrheit.

  • Herr Rath, kein Wort darüber, dass von unser aller Bundesregierung erstellte Dokumente per definition gemeinfrei sein sollten? Unser aller Bundesregierung wird offensichtlich komplett aus Steuergeldern finanziert. Alles, was die machen, haben wir Steuerzahler bereits bezahlt. Unterliegt das Grundgesetz oder das BGB auch dem Urheberrecht? Das ist doch etwas anderes, als wenn sich eine Privatperson/ein Unternehmen über die Verletzung ihrer Rechte beschwert?? Ich finde nicht, dass eine Regierung das Recht haben sollte, sich durch solche verqueren um-die-Ecke-Argumentationen davor schützen darf, dass politisch missliebige Dokumente veröffentlicht werden.