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Update der Berliner Corona-RegelnSenat kippt Kontaktverbot

Regierungschef Michael Müller (SPD) sieht wegen Anstiegs bei Corona „Gratwanderung“. Bußgeld soll für mehr Maskendisziplin in Bus und Bahn sorgen.

Sie macht's richtig – ohne Mundschutz in Bus und Bahn wäre ab Samstag ein Bußgeld fällig. Foto: dpa

Berlin taz | „Es ist eine Gratwanderung.“ Diese vier Worte sind die zentrale Botschaft, die Regierungschef Michael Müller (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung vor die wartenden Journalisten träg. Die Landesregierung hat gerade weitere Lockerungen beschlossen – und warnt zugleich vor Nachlässigkeit angesichts stark steigender Corona-Neuinfektionen. Nach dem Beschluss gibt es künftig vor allem keine Kontaktverbote mehr: Durften sich bislang nur maximal fünf Personen oder Angehörige zweier Haushalte treffen, so gilt diese Einschränkung nun nicht mehr. Gleichzeitig besserte der Senat bei der Pflicht zum Mund-Nase-Schutz in Bus und Bahn nach: Masken-Verweigerern droht nun ein Bußgeld.

Die Regel, eineinhalb Meter Abstand zu halten, soll weiter gelten, gleiches gilt für dei Hygiene-Vorgaben. Ausgenommen von der Abstandsregel sind künftig die Schulen, wo es nach den Ferien ab dem 10. August wieder vollen Betrieb geben soll. Zudem dürfen doppelt so viele Kunden gleichzeitig in einem Geschäft sein: Der Senat halbierte die Vorgabe von 20 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Kunde auf zehn. Gültig sind die neuen Regeln ab Samstag. In einer Sondersitzung am Freitag will der Senat laut Müller zudem ein weiteres wirtschaftliches Hilfsprogramm beschließen, das auch einen „namhaften Betrag“ für Kulturinstitutionen umfassen soll.

Neu ist auch ein Stufenplan für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen: Demnach sind bis Ende Juli Events mit maximal 300 Menschen erlaubt. Am 1. August erhöht sich diese Zahl auf 500, am 1. September auf 750, am 1. Oktober auf 1000 – immer unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln.

„Wir wollen ja gern mehr Normalität zulassen“, sagte Müller, „ich glaube, unsere Zahlen rechtfertigen auch dieses schrittweise Vorgehen.“ Aber die Situation kann sich aus seiner Sicht „beinahe täglich“ ändern, man sei noch nicht über den Berg: „Wir wollen alles tun, um einen Lockdown zu verhindern – wir sehen ja in Nordrhein-Westfalen, wie schnell es gehen.“ Dort hatte es im dortigen Landkreis Coesfeld einen massiven Corona-Ausbruch gegeben.

Corona-Ausbruch in Friedrichshain

In einem Wohnblock am Ostbahnhof stehen seit dem Wochenende 30 Haushalte unter Quarantäne, weil BewohnerInnen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet wurden. Das Gesundheitsamt habe eine entsprechende Anordnung erlassen, bestätigte eine Sprecherin von Bezirksbürgermeistern Monika Herrmann (Grüne) entsprechende Medienberichte am Dienstag.

Die Ursache für den lokalen Ausbruch sei noch unklar, hieß es. "Die Bewohnerinnen und Bewohner sind aber sehr untereinander vernetzt", so die Sprecherin. Auch in einer Kita und mehreren umliegenden Schulen werde jetzt systematisch getestet. Die BewohnerInnen seien "sehr kooperativ". In der vergangenen Woche war ein kompletter Gebäudekomplex in Neukölln unter Quarantäne gestellt worden. Viele der Infizierten gehörten einer gemeinsamen Religionsgemeinschaft an. (akl)

500 Euro Bußgeld für Dauer-Verweigerer

Beim Bußgeld für Masken-Verweigerer ließ sich die Landesregierung offenbar auch von einer wieder steigenden Corona-Verbreitung in Berlin leiten – die Zahl der Neuninfektionen binnen sieben Tagen hat sich in den vergangenen drei Wochen mehr als verdreifacht. Die bereits seit Anfang Mai geltende Pflicht in Bus und Bahn ist nun mit einer Bußgeldandrohung verbunden. Wer den Mund-Nasen-Schutz trotz Aufforderung nicht trägt, soll zwischen 50 und – „bei dauerhafter Verweigerung“ – 500 Euro zahlen müssen.

Aus Müllers Sicht verhält sich der Großteile der Bevölkerung weiter verantwortungsvoll. Aber es gebe eben „einige, die sich bewusst oder unbewusst nicht an die Regeln halten.“ Da müsse man deutlicher werden sagte Müller. Die Kontrolle durch die Polizei soll wie bei Verkehrskontrollen punktuell geschehen, „zu ausgewählten Zeiten, an ausgewählten Orten“. In der rot-rot-grünen Koalition hatte sich am längsten die Linkspartei gegen ein Bußgeld gewehrt, das anfangs auch die Grünen skeptisch betrachteten. In der Senatssitzung war man jetzt laut Müller auf einer Linie: „Es hat niemand widersprochen.“

Mit Blick auf den Corona-Ausbruch in Neukölln sagte Müller, Bewohner der Häuser seien „sehr sorglos“ mit der Pandemie umgegangen und hätten Regeln nicht beachtet. Auf den Vorhalt, auch nach einer Woche seien immer noch nicht alle dort unter Quarantäne gestellten Menschen getestet, reagierte Müller mit einer Gegenfrage: „Können Sie sicher sagen, dass da alle kooperationswillig sind?“ Diese Situation taucht nach seiner Schilderung auch bei den Tests in Kitas und Schulen auf. Mit mehr Übersetzern soll es besser gelingen, dass sich Betroffene zu Tests bereit erklären.

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