Corona-Tests für alle in Berlin: Müller gibt den Freischütz

Erst erklärt die Gesundheitssenatorin morgens, Gratis-Tests für alle werde es nicht geben. Abends erzählt der Regierende das Gegenteil. Was soll das?

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD)

Ganz befreit: Der Regierende Michael Müller (SPD) Foto: picture alliance/Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Ach, der deutsche Föderalismus ist ein Komödienstadl. Am Anfang der Pandemie machte der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder auf harter Hund und setzte den Rest der Länder samt Bund unter Druck. Das wurde als Führungsstärke interpretiert und kam an.

Führungsstärke ist etwas, mit dem sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) gerne schmücken würde. Doch so richtig ist es dem Tempelhofer in sechs Jahren Amtszeit nicht gelungen. Nun, da er auf Abschiedstournee gegangen ist, versucht er in einem Interview nach dem anderen zu demonstrieren, dass er auch Freischuss kann.

Hat er deshalb am Montag seiner SPD-Genossin und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci ein Bein gestellt? Kalayci hatte im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses erklärt, dass es kostenfreie Tests für alle Menschen nach dem Vorbild Bayerns in Berlin in absehbarer Zeit nicht geben werde. Ähnlich äußerte sich auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne).

Am Abend darauf war alles schon wieder Makulatur. Freischütz Müller sagte in der n-tv Talkshow „Klamroths Konter“: „Wir werden sehr bald diesen bayerischen Weg einschlagen.“ Und hob gar eine Lobeshymne auf das Land der Bayern an: „Wenn ein Bundesland so anfängt, dann wird das eine Welle, die Tests werden günstiger und es wird für viele Menschen bald ganz unproblematisch, sich testen zu lassen.“

Bayern-Hymnen rächen sich in Preußen

Nun wissen wir spätestens seit der sehr kurzen und sehr erfolglosen Karriere des CDU-Politikers Frank Steffel, dass sich Bayern-Hymnen in Preußen bitter rächen. Als der CDU-Spitzenkandidat Steffel 2001 in einem Münchner Bierzelt sagte, er bringe München, der schönsten Stadt Deutschlands und seiner heimlichen Hauptstadt, beste Grüße aus Berlin, war es mit seiner Karriere vorbei. Steffel spielte Freischütz und schoss sich ins Knie.

Ins Knie schießen kann sich Michael Müller nicht mehr, seine Tage als Vorsitzender der Berliner SPD und Regierender Bürgermeister sind gezählt. Dennoch gibt die jüngste Volte Rätsel auf, richtet sie sich doch nicht gegen einen der beiden Koalitionspartner, sondern eine Senatorin aus der eigenen Partei. Und war es nicht Michael Müller, der immer wieder gemahnt hatte, Berlin und Brandenburg müssten sich mit bei ihren Entscheidungen in der Corona-Pandemie eng abstimmen?

Immerhin eines hat Müller bei der n-tv Sendung nicht angekündigt: Dass er so sehr Gefallen am Regieren unter Abstandsregeln gefunden hat, dass er nach der Wahl im Herbst 2021 weiterschießen will.

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