Unwetter auf dem Mount Everest: Extremste Bedingungen
Auf der tibetischen Seite des Mount Everest sind Hunderte Wanderer in Lebensgefahr. Grund ist ein unerwarteter Schnee- und Kälteeinbruch.

Das war passiert: Am Freitag hatte auf der Ostseite des Everest Schneefall eingesetzt. Der Mount Everest, auf Tibetisch heißt er Qomolangma („Mutter des Universums“), ist mit 8.848 Metern der höchste Berg der Welt. Viele Menschen wurden im Karama-Tal, das zum Basecamp hinführt, von Schneemassen eingeschlossen. Nach ersten Informationen des chinesischen Fernsehsenders CCTV betraf dies etwa 1.000 Personen.
Ob die Zahl zu hoch geschätzt war, ließ sich bis zum frühen Montagnachmittag nicht ermitteln. In Tibet setzt dann der Sonnenuntergang ein, was die Rettung erschwert. Die meisten Betroffenen befanden sich wohl in Zeltdörfern auf etwa 4.900 Meter Höhe. Das ist etwas unterhalb des chinesischen Everest-Basecamps.
Rettungskräfte, zu denen auch die tibetische Feuerwehr sowie die Bewohner der umliegenden Dörfer gehören, konnten etliche Menschen retten. Das geschah, indem sie in die nahegelegene Ortschaft Qudang geführt und mit warmem Essen versorgt wurden. Etliche wurden von Helfern auf dem Rücken getragen – durch Schnee, der teils höher als einen Meter liegt. Auch Yaks und Pferde kamen zum Einsatz.
Unerwarteter Wetterumschwung
Geshuang Chen, eine gerettete Frau, sagte zu Journalisten: „Der Schnee kam plötzlich. Unsere Zelte stürzten ein. Es gab auch Blitz und Donner. Wir wussten nicht, ob wir es schaffen würden.“ Die 29-Jährige war Teil einer mehr als zehnköpfigen Wandergruppe, die zum Basislager des Cho Oyu wollte, ein 8.188 Meter hoher Berg des Himalaja. „Wir sind alle erfahrene Wanderer. Aber dieser Schneesturm war extrem schwer zu bewältigen. Ich hatte großes Glück, dass ich herausgekommen bin.“ Ein anderer Wanderer, Eric Wen, sagte zur Nachrichtenagentur Reuters, aus seiner Gruppe seien drei Menschen von Unterkühlung betroffen. Auch ihr Bergführer habe zu dieser Jahreszeit noch nie einen solchen Wetterumschwung erlebt.
Kälteeinbrüche und Schnee sind im September und Oktober höchst ungewöhnlich. Dann sollte der indische Monsun beendet sein. Auf der anderen Seite des Everest, im südlich gelegenen Nepal, war es jedoch in den vergangenen Tagen zu heftigen Regenfällen gekommen, was zu Überschwemmungen und Bergrutschen führte. Mindestens 47 Menschen kamen hier zu Tode.
Die Nordostseite des Everest und das zu ihr führende Karma-Tal sind gerade unter Wanderern beliebt. Vor allem chinesische Touristen sind derzeit hier unterwegs, denn aktuell – vom 1. bis zum 7. Oktober – wird in der Volksrepublik die arbeitsfreie Goldene Woche mit dem Nationalfeiertag begangen. In diesem Jahr vermeldeten die Behörden eine leicht höhere Zahl an Touristen in der Region.
Im Vergleich zum Everest-Basecamp auf nepalesischer Seite gilt das chinesische Basecamp als touristisch gut erschlossen. Es gibt Souvenirshops, öffentliche WC-Anlagen und sogar ein Postamt, das damit wirbt, das höchstgelegene der Welt zu sein. Dieses Lager ist allerdings nicht identisch mit dem Basecamp, von dem aus Bergsteiger ihre Expeditionen beginnen. Zu dem touristischen Basecamp führt eine asphaltierte Straße, auch Busse verkehren hier. Beliebt ist das Lager, wie auch ein etwas höhergelegener Aussichtspunkt, weil er beeindruckende und vergleichsweise nahe Blicke auf den Everest ermöglicht. Auch der Sternenhimmel ist besonders klar und beeindruckend.
Die BBC unterhielt sich mit der Himalaja-Expertin und Bergsteigerin Rebecca Stephens, die sich wunderte, dass es auf der nepalesischen Seite im Oktober noch Starkregen gibt. „Auf der tibetischen Seite ist es tendenziell trockener, und dies ist ein ungewöhnlich starker Schneefall, der mit Lawinengefahr einhergeht.“ Auch die Meteorologen waren überrascht. Lediglich leichter Schneefall für den 4. Oktober war prognostiziert worden. So etwas Schlimmes jedoch nicht.
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