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Unterschriftensammler vor GerichtBußgeld fürs Engagement

Ein Unterschriftensammler für eine Hamburger Volksinitiative soll Bußgeld bezahlen: Die Polizei wertete seinen Einsatz als Kundgebung.

Wie bei dieser Demo im April ging es bei der Unterschriftensammlung um die Begrenzung der Mieten Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Weil er mitten in der Pandemie Unterschriften für die Mieten-Volksinitiative sammelte, hat Johannes Kohl am 20. Oktober einen Termin beim Amtsgericht. Dort soll sein Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid verhandelt werden. Dass er zusammen mit einer zweiten Person beim Sammeln unterwegs war, werteten zwei Polizisten als Versammlung, die er spätestens 24 Stunden vorher hätte anzeigen müssen. Jetzt soll er 150 Euro plus Bearbeitungsgebühr bezahlen.

Dass die Staatsanwaltschaft die Sache weiterverfolgt und jetzt ein Gerichtstermin angesetzt ist, erstaunt. Denn das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Kohls Mitstreiterin ist eingestellt worden. „Ohne Begründung“, sagt Anwalt Marc Meyer vom Mieterverein „Mieter helfen Mietern“, die sich für die Mieten-Volksinitiative einsetzt. Meyer wundert sich über auch noch aus einem anderen Grund: Schon vor einem halben Jahr sei ein ähnliches Verfahren in Altona mangels Tatverdacht eingestellt worden.

Kohl und seine Mitstreiterin waren im August 2020 mit einem Fahrradanhänger am Neuen Pferdemarkt unterwegs, in dem sie das Material für die Unterschriftensammlung hatten: Listen, Stifte, einen Tisch und Desinfektionsspray. Laut ihren Schilderungen trugen sie einen Mund-Nasen-Schutz und hielten ein Schild mit der Aufschrift „Keine Profite mit Boden und Miete – hier unterschreiben“. Zwei Polizisten werteten das als politische Versammlung, die nach den Maßgaben der Coronaverordnung des Senats hätte angemeldet werden müssen – und damit als Ordnungswidrigkeit.

Rechtsanwalt Meyer hält das für abwegig. Zum einen sei es in keiner Weise ausgemacht, dass zwei Personen schon eine Versammlung darstellten. „Für uns ist das aber nicht die Kernfrage“, sagt Meyer. Vielmehr gehe es darum, ob das Unterschriftensammeln als Kundgebung zu bewerten sei.

„Ich stehe dort nicht, um meine Meinung kundzutun, sondern um Unterschriften zu sammeln“, argumentiert Meyer. Dass damit eine Meinungsäußerung verbunden sei, lasse sich nicht vermeiden. Das sei aber nicht der Kern dessen, worum es beim Unterschriftensammeln gehe. „Wenn man das immer als Versammlung behandelt, wird es problematisch“, warnt Meyer. Ohnehin müsse der Senat das Sammeln von Unterschriften für eine zugelassene Volksinitiative schützen.

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4 Kommentare

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  • Hier liessen sich die aufnehmenden (Aktion als Straftat gewertet) Polizeibeamten wohl vom alten Behördenmotto leiten: "Wer schreibt der bleibt". Wichtig für die dienstliche Beurteilung, welche dann auch für die dienstliche Beförderung ausschlaggebend ist.



    Wen wundert's: Selbst beschädigte Wahlplakate werden von Streifenbesatzungen als Sachbeschädigung notiert, eine Anzeige gegen unbekannt geschrieben - so zu sagen für den Papierkorb.

    • @Thomas Brunst:

      Die Aktion wurde doch gar nicht als Straftat gewertet, sondern als Ordnungswidrigkeit.

      Zu den Wahlplakaten:



      Polizist_innen sind übrigens dazu verpflichtet, für Straftaten, die ihnen bekannt werden, eine Anzeige zu fertigen.

      Andernfalls machen sie sich selbst strafbar.



      Strafvereitelung im Amt.

      Fazit:



      Manchmal lohnt es sich, Artikel richtig durchzulesen und Vorurteile zu überprüfen.

      • @rero:

        "Polizist_innen sind übrigens dazu verpflichtet, für Straftaten, die ihnen bekannt werden, eine Anzeige zu fertigen.



        Andernfalls machen sie sich selbst strafbar.



        Strafvereitelung im Amt." (Zitat rero)

        Wichtig, wichtig, tralalalala ...

        Ihre oben zitierten Behauptungen sind ganz klar gelogen, denn es gibt jede Menge Straftaten, die (wenn überhaupt, darüber entscheiden hierzulande nämlich allzu häufig nicht Gerichte, sondern StaatsanwältInnen) nur verfolgt und geahndet werden, wenn von den Geschädigten Strafantrag gestellt wird (z.B. Sachbeschädigung, Körperverletzung, Verleumdung, u.v.m.).



        Abgesehen davon hat es sich (wie Sie selbst zutreffenderweise zuvor geschrieben hatten!) überhaupt nicht um eine Straftat, sondern lediglich um eine ANGEBLICHE Ordnungswidrigkeit gehandelt, und ob die verfolgt werden, ist immer Ermessenssache.



        Was bleibt: Zwei übereifrige Möchtegern-John-Waynes haben mal wieder (zum Schaden der zu Unrecht Verfolgten und auf Kosten der Steuerzahler) Recht gebrochen, um ihre widerliche Gesinnung auszuleben, und werden dafür mit Sicherheit nicht bestraft werden - same as it ever was, also; und Forist 'rero' findet's gut.

  • Kein Wunder, dass die HH Justiz überlastet ist.