Untergetauchte Autonome: Ungern nach Ungarn
Maja T. wurde entgegen einem richterlichen Beschluss nach Ungarn abgeschoben. Neun weitere AntifaschistInnen sind nun untergetaucht.
Sie ist weg. Die Tochter von Barbara W. und Walter W. ist seit fast zwei Jahren untergetaucht. Bei dem rechtsextremen Aufmarsch „Tag der Ehre“ im Februar 2023 soll sie mit weiteren AntifaschistInnen an Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen beteiligt gewesen sein, die zu Körperverletzungen führten. Danach tauchte die 24-Jährige unter. Ihre Familie befürchtet, dass die deutschen Behörden sie nach einer Festnahme nach Ungarn ausliefern würden. „Wir können gut verstehen, dass sie sich der Inhaftierung entziehen wollte“, sagte ihre Mutter, Barbara W., der taz.
Die Eltern werfen der Staatsanwaltschaft vor, ein „falsches Bild“ aufzubauen, eine „politisch motivierte Fantasie“ von einer Untergrundgruppe. Die Eltern der Tochter, der in Ungarn bis zu 24 Jahre Haft drohen, werden selbst beobachtet, berichteten sie im taz-Interview. „Wir gehen davon aus, dass unseren E-Mails weiter gelesen und Handys abgehört werden“, so die Eltern. Mit der Tochter werden weitere acht Linksautonome gesucht. Vater Walter W. sagt, dass die Abschiebung vom Maja T. und Berichte über die Haftbedingungen in Ungarn ihre Bedenken bestärkt hätten.
In der Nacht vom 27. Juni auf den 28. Juni 2024 hatte die Polizei in Berlin die nichtbinäre Person Maja T. nach Budapest abgeschoben. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schrieb noch an dem Beschluss, der die Auslieferung verbieten sollte. Der Verteidiger von Maja T, Sven Richwin, hatte dem Landeskriminalamt telefonisch mitgeteilt, dass ein Eilantrag beim BVerfG vorläge. Eine aufschiebende Wirkung der Abschiebung wollte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin aber nicht erkennen. Das BVerfG selbst teilte am Morgen mit, dass mit der Auslieferung zu warten sei.
Um 10.55 Uhr erklärte das Gericht, dass „die Übergabe des Antragsstellers an die ungarischen Behörden“ bis zur „Entscheidung über die noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Wochen, einstweilen untersagt“ werde. Um 2 Uhr morgens hatte die Polizei Maja T. in der Zelle aber schon geweckt und mit einem Helikopter um 7.38 Uhr zur österreichischen Grenze transportiert, von wo Maja T. nach Ungarn gebracht wurde. Eine Missachtung des Gerichts, sagte Richwin der taz. Der Verteidiger legte eine Verfassungsbeschwerde vor.
Haftbedingungen von Maja T.
Seit über einem halben Jahr ist Maja T. nun in Ungarn in Haft. Der Vater veröffentlichte Briefe seines Kindes, die lange Isolationsbedingungen, gezielte Erniedrigungen und anhaltende Herabwürdigungen beschreiben. Ohne Begründung werde die Zelle 24 Stunden videoüberwacht, fast täglich müsse sich die nichtbinäre Maja T. komplett entkleiden, außerhalb der Zelle Handschellen tragen, Hofgänge würden verwehrt. Durch die hygienischen Bedingungen habe Maja T. körperliche Folgen erlitten, so der Vater. Für ihn sind die Maßnahmen eine Folter, auch um ein Geständnis zu erpressen.
Diese Haftbedingungen waren zu erwarten, sagt Anwalt Richwin. „Alle Befürchtungen sind wahr geworden. Die Unterbringung in der U-Haft ist schlimmer als in der normalen Haft.“ Die Argumentation der deutschen Behörden, dass eine Haftstrafe nach einer möglichen Verurteilung in Deutschland verbüßt werden könne, lenke davon ab, dass Maja T. ohne rechtskräftiges Urteil auf unbestimmte Zeit in U-Haft bleiben könnte. Die Abschiebung löste auch über den Kreis der Betroffenen hinaus eine juristische Debatte um die geltenden Rechtsregelungen aus.
Am Donnerstag findet eine Veranstaltung zu dem „Budapest-Komplex“ an der Uni Hamburg statt. Diskutieren werden neben Anwalt Richwin auch Cuno Tarfusser, ehemaliger Richter und stellvertretender Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs sowie Martin Heger, Professor für Strafrecht an der HU Berlin und die Ungarn-Expertin Sugárka Sielaff. Die Veranstaltung wird übertragen.
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