Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: Harte Landung in Tegel
Der Ex-Flughafen ist nicht nur Ankunftszentrum für Ukraine-Geflüchtete, sondern auch eine riesige Notunterkunft. Ein Besuch in Terminal C.
So ist es kein Wunder, dass an diesem Mittwoch Scharen von Journalisten aus dem In- und Ausland zum ehemaligen Flughafen Tegel gekommen sind, um sich das neue Ankunftszentrum für Ukraine-Flüchtlinge in Terminal C anzusehen. Es war am 20. Oktober aus den Zelten vor Terminal A und B hierher umgezogen. Vor allem aber wollen die Medienvertreter hören, wie Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die Krise meistern wollen, sprich: Wo jetzt ganz schnell neue Plätze herkommen sollen.
Eine „Herkulesaufgabe“ sei es, sagt Kipping tapfer lächelnd in die Mikrofone. „Wir müssen wieder vor die Lage kommen, das ist unsere politische und moralische Verpflichtung. Jeder Unterkunftsplatz, den wir hier schaffen, ist auch eine klare Verurteilung von Putins Krieg.“ Das aber bedeute: Man brauche „ganz klar großflächige Unterkünfte“. Zelte mag sie es nicht nennen, eher seien es „Leichtbauhallen“. Etwas in der Art könne man sich später auf dem Rollfeld ansehen.
Dort stünden zwei Zelte für je 400 Menschen, im Terminal selbst hätten noch mal 900 Menschen Platz – und schon jetzt seien von diesen Plätzen 1.500 belegt, sagt Andreas Kaden, Leiter des Ankunftszentrums. Eigentlich sollen die Geflüchteten nur ein bis drei Tage in Tegel bleiben. Aber weil es kaum „normale“ Unterkunftsplätze gibt, bleiben immer mehr Menschen immer länger. Tegel ist nicht nur Ankunftszentrum, sondern auch eine Riesen-Notunterkunft.
Appell an den Senat
Dazu gehören auch die 1.900 Betten in den Terminals A und B. Diese „Flächen“ zum Jahresende aufgeben zu müssen, wie es ein Senatsbeschluss vorsieht, „fällt schwer“, betont Kipping. Deutlich ist ihr erneuter Appell an die Senatskolleg*innen, endlich ihrer Bitte nachzukommen und A und B als Notunterkünfte über 2022 hinaus behalten zu können. Schon jetzt, ergänzt LAF-Chefin Carina Harms, seien 260 Asylbewerber*innen in A und B untergebracht, bis zum Wochenende könnten es 600 Menschen sein. „Die 1.900 Plätze werden wir sehr schnell belegen“, vermutet sie.
Dann geht die Besichtigung los: Durch den Eingang von C, wo viele Berliner*innen vor wenigen Monaten zum Corona-Impfen angestanden haben, lotst Kaden den Tross in die Schalterhalle. Hier sitzen und stehen Mitarbeitende in lila und gelben Westen an alten Flugschaltern und Tischen mit Laptops. Davor sitzen Menschen in „Zivil“, vermutlich Ukrainer*innen, man hört entsprechende Wortfetzen, aber stehenbleiben oder gar Fragen stellen ist nicht erlaubt.
Weiter geht’s raus aufs Rollfeld: Kaden will mit den Journalisten den Weg gehen, den auch die Flüchtlinge nehmen. Shuttlebusse bringen sie vom Hauptbahnhof oder dem ZOB hierher. In der einstigen Wartehalle harren sie nun aus, „bis der komplette Prozess der Registrierung erfolgen kann“.
Der ist – natürlich – kompliziert. Aber die Wege seien so angelegt, erklärt der Ankunftszentrumsleiter, dass man wie in einer Einbahnstraße durchlaufen kann. Zuerst müssen die Menschen eine Selbstauskunft ausfüllen, dann kommt die „erste Registrierung“, Coronatest, „zweite Registrierung“, erkennungsdienstliche Behandlung. Alles ist mit Schildern und Stellwänden eingeteilt, überall steht Security in gelben Westen, damit niemand verlorengeht – gerade kein Journalist und sonst kein Flüchtling.
Auch an Haustiere wird gedacht
Viel los ist an diesem Vormittag nicht. Jeden Tag kämen derzeit rund 100 Ukrainer*innen an, so Kaden. Dafür scheint die „Registrierungsstraße“ etwas überdimensioniert. Aber man müsse damit rechnen, dass es schlagartig mehr werden, erklärt Kipping – etwa wenn Kiew wirklich geräumt werde. Irgendwo hat die „Straße“ einen Rechtsabbieger zum Ausgang für Menschen, die in Berlin bleiben dürfen, wenn sie hier Verwandte, Arbeit oder eine Wohnung haben.
Für alle anderen geht es links rum in den „Unterkunftsbereich“. Auf dem Gang davor ist eine Kleiderstation, ein Kiosk, sogar einen „Animal Care Point“ gibt es. Dann geht es durch die Halle für die Essensausgabe, wo es täglich drei Mahlzeiten gibt, wieder aufs Rollfeld, eine andere Stelle als eben. Hier stehen die Zelte: Ganz dicht seien sie, die Böden abwischbar, betont Kaden, natürlich beheizt. Drinnen bitte keine Fotos, sagt er erneut.
Die mit Messe-Stellwänden voneinander abgetrennten „Waben“ haben sehr eng gestellt jeweils fünf Doppelstockbetten – alles wirkt wie die Hangars im alten Flughafen Tempelhof, nur dass dort die Decken viel höher waren. Das Gemurmel aus den „Waben“ erinnert daran, dass hier Menschen leben, für ein paar Tage zumindest. Menschen, die gerade noch ein Zuhause hatten mit Türen zum Schließen. Also schnell wieder raus.
Wie es den Menschen, die hier ankommen, denn gehe, will ein Journalist wissen. Kaden schaut etwas verwundert, fasst sich aber schnell und erklärt: Es gebe eine psychologische Betreuung für Kriegstraumatisierte, Kinderbetreuung, „Auslaufmöglichkeiten“ draußen, ein Fußball-Feld vor den „alten“ Terminals A und B, samstags fahre man mit den Kindern zum Skatepark. Kurz: „Wir versuchen, es ihnen so angenehm wie möglich zu machen.“
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