Unterbringung einer Familie: Mit Kindern in die Sammelunterkunft
Eine alleinerziehende Mutter soll aus ihrer Wohnung in eine Flüchtlingsunterkunft umziehen, unter anderem, weil sie eigenmächtig renoviert hat.
Die Familie aus der Republik Moldau wohnt seit zweieinhalb Jahren in Osloß bei Wolfsburg und soll jetzt in eine Unterkunft auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Ehra-Lessien umziehen. Wie aus der Umzugsverfügung hervorgeht, wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Ihre Duldung erlischt Ende August. Der Fall der Familie liegt nach Angaben ihrer Anwältin bei der niedersächsischen Härtefallkommission.
„Der Landkreis zwingt die Familie inmitten der Corona-Pandemie, in eine Sammelunterkunft zu ziehen – und dies, obwohl es angesichts der Enge bekanntermaßen unmöglich ist, Corona-Schutzmaßnahmen und Abstandsregeln einzuhalten, kritisiert Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchlingsrat. Im Juni standen nach einem Corona-Ausbruch alle 160 Bewohner der Unterkunft Ehra-Lessien unter Quarantäne.
Laut der EU-Aufnahmerichtlinie dürfe die Familie nur dann verpflichtet werden, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, wenn sie dort ausschließlich mit Alleinerziehenden und ihren minderjährigen Kindern untergebracht würde. „Solch eine spezifische Unterbringungsmöglichkeit existiert in Ehra-Lessien jedoch nicht“, sagt Öztürkyilmaz. Der Kreis gibt an, es handele sich bei dem Gebäude, in das die Familie ziehen soll, um ein „Haus speziell für alleinerziehende Mütter und Familien“.
Aus Sicht des Flüchtlingsrats und der Anwältin der Familie reicht das nicht. Angesichts der vielen alleinstehenden Männer in anderen Häusern der Großunterkunft mache sich die Mutter Sorgen um ihre fünf Töchter. Das gelte insbesondere für die älteste Tochter, die nach einem Vergewaltigungsversuch in Moldau traumatisiert sei und eine Umgebung mit lauter alleinstehenden Männern nicht ertragen könne.
Muzaffer Öztürkyilmaz, Flüchtlingsrat Niedersachsen
Öztürkyilmaz wirft dem Landkreis vor, dass er gegenüber der Familie mit unspezifizierten Vorwürfen hantiere. In der Verfügung ist von „Beschwerden von Nachbarn, seitens der Dorfgemeinschaft und seitens des Vermieters bezüglich des Verhaltens in der Dorfgemeinschaft“ sowie Klagen über die Abfallentsorgung, Mülltrennung und Grundstückspflege die Rede. Außerdem seien die minderjährigen Kinder zum Teil unbeaufsichtigt in der Wohnung gewesen.
Am detailliertesten geht die Verfügung auf die eigenmächtige Renovierung der Wohnung ein. Dina N. hatte auf eigene Rechnung den Teppichboden durch Laminat ersetzt und einige Möbel ausgetauscht. N. behauptet, sie habe dafür eine mündliche Zusage gehabt, der Landkreis behauptet das Gegenteil.
Der Teppich habe schlecht gerochen und sei so verschmutzt gewesen, dass sie sich als Asthmatikerin Sorgen um ihre Gesundheit machte, sagt Dina N. Er sei nicht mehr zu reinigen gewesen. Es sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als ihn zu ersetzen. In der Küche habe außer dem Herd nichts mehr funktioniert.
„Der Landkreis hat die gesundheitlichen Beschwerden der Frau N. monatelang ignoriert und bestraft die Familie nun dafür, ihre Wohnsituation eigenständig verbessert zu haben“, kritisiert Öztürkyilmaz. Das sei nicht nur absurd und gesundheitsgefährdend sondern auch juristisch fragwürdig. „Es ist unverhältnismäßig, die Familie zum Auszug zu zwingen, weil sie die Wohnung ohne Erlaubnis renoviert und damit im Ergebnis aufgewertet hat“, findet der Referent des Flüchtlingsrates.
Grund des Auszuges seien Beschwerden
Der Landkreis sieht das anders: Er habe die Wohnung vor dem Einzug von Familie N. renovieren und den Teppich gründlich reinigen lassen. „Bei Einzug in der Wohnung gab es seitens der Familie keine Beanstandungen“, teilt der Landkreis mit. Für Hygiene und Sauberkeit seien die Bewohner außerdem selbst verantwortlich.
Im übrigen sei der Grund des Auszuges „ausdrücklich nicht die eigenständig durchgeführte Renovierung, sondern die zunehmenden Beschwerden von Nachbarn und Schule bezüglich der Verhaltensweisen gegenüber dem sozialen Umfeld“. Der Vermieter habe sich über das Verhalten in der Wohnung, die Wahrung des Hausfriedens und die Sauberkeit beschwert.
All das hätten Vertreter des Landkreise mehrfach eingehend erörtert. Die Familie habe aber keine Einsicht gezeigt und sei nicht bereit gewesen, ihr Verhalten zu ändern. „Durch den Umzug in die Gemeinschaftsunterkunft ist eine intensivere Betreuung in allen Lebenslagen der Familie gewährleistet“, schreibt der Kreis.
Er wüsste gerne, wer sich wann worüber genau beschwert habe, sagt Öztürkyilmaz. N. versichert, wenn sie ihre kleinen Kinder zu Hause gelassen habe, dann immer unter Aufsicht ihrer 17-jährigen Tochter. Für Öztürkyilmaz ist klar: Für die Familie werde das Leben durch einen Umzug bloß schwieriger, die Wege würden weiter. Einige der Kinder müssten die Schule wechseln.
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