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Ungleichheit in der EUEU-Kommission prüft Steuer für Superreiche

Der europäische Klimakommissar Wopke Hoekstra teilt auf Anfrage mit, er arbeite an einer Machbarkeitsstudie. Einigen geht das viel zu langsam.

EU-Kommissar Wopke Hoekstra hat es nicht eilig. Derzeit gehe es darum, das „Umfeld“ für eine Reichensteuer zu prüfen, erklärt er Foto: MaciejKulczynski/dpa

Brüssel taz | Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. So legte das Vermögen der Superreichen laut dem World Wealth Report der Beratungsfirma Capgemini im Jahr 2024 auf einen Rekordwert von 90,5 Billionen Dollar (79,3 Billionen Euro) zu. Auch in Deutschland blieb das Vermögen der Reichen nahezu unverändert hoch – trotz der Rezession. Von den Wahlversprechen, etwas gegen die wachsende Ungleichheit zu tun, ist wenig übrig geblieben.

Doch nun kommt Bewegung in die Debatte, zumindest in der EU. Der für Klima und grünes Wachstum zuständige EU-Kommissar Wopke Hoekstra prüft eine Reichensteuer, wie er auf Anfrage des Europaabgeordneten Fabio De Masi (BSW) mitteilte. Eine Machbarkeitsstudie sei schon in Arbeit, heißt es in Hoekstras Antwort, die der taz vorliegt.

Diese Studie soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Sie baut auf Vorarbeiten einer Expertengruppe – des „EU Tax Observatory“ unter Leitung des renommierten französischen Ökonomen Gabriel Zucman – auf. Zucman hat vorgeschlagen, weltweit eine Reichensteuer von mindestens zwei Prozent einzuführen, allerdings zunächst nur für Milliardäre.

Damit könnten jährlich 200 bis 250 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen generiert werden, hat Zucman ausgerechnet. Europaweit würden 42 Milliarden Euro zusammenkommen, wenn die reichsten 499 Europäer die „Zucman-Tax“ zahlen müssten. Angesichts knapper Kassen wäre das für die EU und ihre Mitglieder ein willkommener Geldsegen.

Zuletzt hatte sich auch die G20 unter Führung des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva auf „Bemühungen“ um eine Reichensteuer geeinigt. In der UN soll zudem ein Rahmen für eine globale Steuerkonvention ausgehandelt werden.

Doch EU-Kommissar Hoekstra hat es nicht eilig. Derzeit gehe es vor allem darum, das „Umfeld“ für eine Reichensteuer zu prüfen, heißt es in Brüssel. „Die Kommission ist der Ansicht, dass zunächst ein besseres Verständnis des Themas nötig ist“, erklärte der Niederländer in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage.

Sozialdemokraten fordern Mindeststeuer auf Kapitalgewinne

De Masi, der sich als Ökonom auch in Deutschland einen Namen gemacht hat, ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Die EU-Kommission beklagt in Sonntagsreden die Macht von Tech-Oligarchen wie Elon Musk“, sagte er der taz. „Wenn es aber darum geht, eine kleine Minderheit von 3.000 Milliardären international koordiniert und moderat zu besteuern, duckt sie sich weg.“

Die Vorschläge Zucmans nehme Hoekstra, der während seiner früheren Tätigkeit in den Niederlanden „selbst eine Briefkastenfirma nutzte“, nur zur Kenntnis, kritisiert De Masi. Es gehe aber darum, sie aktiv zu unterstützen und auf EU-Ebene für mehr Steuergerechtigkeit und Schutz vor „undemokratischer Macht der Milliardäre“ zu sorgen.

Mehr Einsatz fordern auch die Sozialdemokraten im Europaparlament. „Die Lage ist schockierend: In 22 EU-Staaten verfügen ein Prozent der Superreichen über 32 Prozent des Nettovermögens, während die ärmste Hälfte der Bevölkerung gerade einmal 4,5 Prozent besitzen“, empört sich Jonás Fernández, wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten.

Neben einer Reichensteuer fordern die Genossen eine Mindeststeuer auf Kapitalgewinne sowie Maßnahmen gegen Steuerflucht. Allerdings haben auch sie bisher nicht viel erreicht – obwohl sie zur ganz großen Koalition um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zählen. Der Grund: Die CDU-Politikerin von der Leyen hat andere Prioritäten – und die Steuerpolitik ist Ländersache.

Die EU-Kommission kann nur Vorschläge machen, ohne Deutschland und die 27 anderen Mitgliedsländer geht gar nichts. De Masi warnt denn auch davor, allzu große Hoffnungen in Hoekstra und die „von-der-Leyen-Behörde“ zu setzen. „Ohne Druck aus den Hauptstädten wird Brüssel nicht liefern, weil die Interessen des großen Geldes gerade in Brüssel besonders stark sind.“

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13 Kommentare

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  • Die EU kann keine Reichensteuer beschliessen. Ja sie kann eine Studie erstellen. Aber das ist eigentlich nur Geldverschwendung weil man sowieso weiß was herauskommt und es nicht umgesetzt wird.

  • Das Phänomen des *Überreichtums* ist wohl mindestens genau so Demokratie gefährdend, wie das Aufkommen Rechtsextremer Parteien. Denn es stellt eine Machtverschiebung dar, die allein der *Willkür der Überreichen* unterworfen ist.



    ...



    „Die Kommission ist der Ansicht, dass zunächst ein besseres Verständnis des Themas nötig ist“.

    -> o.k. ich bitte um Eile bei der Verständnisbildung, denn (nicht nur) die USA sollten uns ein mahnendes Beispiel sein..

  • Was ist mit "Reichensteuer" gemeint? Einkommensteuer? Vermögensteuer? Wie kommt Herr Zucman zu seinen Zahlen? Was ist mit "zunächst nur..." gemeint, was kommt nachher?



    Wüsste ich schon gern, wenn ich mir eine eigene Meinung bilden will. Ich verlasse mich nicht gerne auf Fertiggerüchte.

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

    • @sollndas:

      Ein paar Zahlen, damit Sie sich eine eigene Meinung bilden können:



      Die reichsten 500 Personen in Deutschland haben ihr Vermögen laut Manager Magazin von 2020 bis 2024 um 500 Mrd. € steigern können, von 600 Mrd.€ auf 1100 Mrd. €, also um 80%. Mit den 2% Vermögenssteuer vvon Zucman wären dies 22 Mrd€ pro Jahr. Von diesen 500 sind ca. 230 Milliardäre. Bei 80% Vermögenszuwachs in 4 Jahren wären aber meiner Meinung nach auch 5% pro Jahr nicht zuviel. Sas wären dann schon 55 Mrd € pro Jahr und samit mehr als die 42 Mrd.€ aus dem Schuldenpaket (=500Mrd.€ in 12 Jahren). Zudem man durch sas Schuldenpaket xa 15-25 Mrd.€ mehr Zinsen pro Jahr zahlen muss. Also netto nur 17-27 Mrd. € übrigbleiben.



      Dass es also keine 5%ige Vermögenssteuer für die reuchsten 500 Personen gibt, ist meiner Meinung ein Riesenfehler, der wesentlich dafür verantwortlich ist, dass die AfD immer weiter zulegt. Denn deshalb hatte man in den letzten Jahrzehnten kein Geld, um die Infeastruktur in Stand zu halten, in Bildung und Gesundheitssystem zu investieren etc.

      • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

        "Die reichsten 500 Personen in Deutschland haben ihr Vermögen laut Manager Magazin von 2020 bis 2024 um 500 Mrd. € steigern können, von 600 Mrd.€ auf 1100 Mrd. €, also um 80%."



        Das entspricht ungefähr den DAX-Kursgewinnen, also der Inflation am Aktienmarkt. Überwiegend Luft in einer Blase.

        • @sollndas:

          Sie meinen also, Elon Musk besitzt eigentlich nur eine Menge Luft? 5% von dieser Luft würde dem Bundeshaushalt in jedem Fall sehr gut tun.

          • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

            Was würde wohl mit dem Kurs seiner Aktien geschehen, wenn er 5 % davon verkauft? Wie viel kann dann im nächsten Jahr noch besteuert werden? Da ist schnell die Luft raus...



            Vermögensteuern sind eine zweischneidige Sache. Höhere ESt-Progression wäre sinnvoller.

  • ... na endlich.



    Gruß Fritz

    • @Fritz Müller:

      Es gab mal Zb. eine Regierung SPD/Grüne, die hätte eine Reichensteuer einführen können. Die haben aber die Hartz 4 Gesetze geschaffen. Also eher das Gegenteil. Dann nach dem die FDP die Ampel verlassen hat hätte man auch eine Reichensteuer einführen können.

      Nein es liegt alles an Kanzler Merz. Auserdem hat die EU 27 Staaten.

  • Da die EU keine Steuerkompetenz besitzt, ist diese Studie ziemlich wertlos…

  • Die EU hat keine Gesetzgebungskompetenz im Steuerrecht (Ausnahme Unsatzsteuer). Das ist Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Genauso gut könnte der Herr Kommisar auch Schattenboxen oder Eichhörnchen knicken. Wäre jedenfalls beides spannender.

  • Eine "Mindeststeuer" auf Kapitalgewinne? Haben wir sowas nicht? Das Problem ist, dass diese Steuer viel zu klein ist.



    Nichtsdestotrotz bin ich sehr gespannt, was dabei herauskommt. Hoffnungsvoll nicht, aber gespannt.

    • @Jalella:

      Was soll den dabei herauskommen. Die EU wird das Gutachten veröffentlichen und dann wird es an jedem einzelnen der 27 EU Staaten liegen ob sie eine Reichensteuer einführen. Die EU kann das nicht.