Ungleichheit in der EU: EU-Kommission prüft Steuer für Superreiche
Der europäische Klimakommissar Wopke Hoekstra teilt auf Anfrage mit, er arbeite an einer Machbarkeitsstudie. Einigen geht das viel zu langsam.

Doch nun kommt Bewegung in die Debatte, zumindest in der EU. Der für Klima und grünes Wachstum zuständige EU-Kommissar Wopke Hoekstra prüft eine Reichensteuer, wie er auf Anfrage des Europaabgeordneten Fabio De Masi (BSW) mitteilte. Eine Machbarkeitsstudie sei schon in Arbeit, heißt es in Hoekstras Antwort, die der taz vorliegt.
Diese Studie soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Sie baut auf Vorarbeiten einer Expertengruppe – des „EU Tax Observatory“ unter Leitung des renommierten französischen Ökonomen Gabriel Zucman – auf. Zucman hat vorgeschlagen, weltweit eine Reichensteuer von mindestens zwei Prozent einzuführen, allerdings zunächst nur für Milliardäre.
Damit könnten jährlich 200 bis 250 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen generiert werden, hat Zucman ausgerechnet. Europaweit würden 42 Milliarden Euro zusammenkommen, wenn die reichsten 499 Europäer die „Zucman-Tax“ zahlen müssten. Angesichts knapper Kassen wäre das für die EU und ihre Mitglieder ein willkommener Geldsegen.
Zuletzt hatte sich auch die G20 unter Führung des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva auf „Bemühungen“ um eine Reichensteuer geeinigt. In der UN soll zudem ein Rahmen für eine globale Steuerkonvention ausgehandelt werden.
Doch EU-Kommissar Hoekstra hat es nicht eilig. Derzeit gehe es vor allem darum, das „Umfeld“ für eine Reichensteuer zu prüfen, heißt es in Brüssel. „Die Kommission ist der Ansicht, dass zunächst ein besseres Verständnis des Themas nötig ist“, erklärte der Niederländer in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage.
Sozialdemokraten fordern Mindeststeuer auf Kapitalgewinne
De Masi, der sich als Ökonom auch in Deutschland einen Namen gemacht hat, ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Die EU-Kommission beklagt in Sonntagsreden die Macht von Tech-Oligarchen wie Elon Musk“, sagte er der taz. „Wenn es aber darum geht, eine kleine Minderheit von 3.000 Milliardären international koordiniert und moderat zu besteuern, duckt sie sich weg.“
Die Vorschläge Zucmans nehme Hoekstra, der während seiner früheren Tätigkeit in den Niederlanden „selbst eine Briefkastenfirma nutzte“, nur zur Kenntnis, kritisiert De Masi. Es gehe aber darum, sie aktiv zu unterstützen und auf EU-Ebene für mehr Steuergerechtigkeit und Schutz vor „undemokratischer Macht der Milliardäre“ zu sorgen.
Mehr Einsatz fordern auch die Sozialdemokraten im Europaparlament. „Die Lage ist schockierend: In 22 EU-Staaten verfügen ein Prozent der Superreichen über 32 Prozent des Nettovermögens, während die ärmste Hälfte der Bevölkerung gerade einmal 4,5 Prozent besitzen“, empört sich Jonás Fernández, wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten.
Neben einer Reichensteuer fordern die Genossen eine Mindeststeuer auf Kapitalgewinne sowie Maßnahmen gegen Steuerflucht. Allerdings haben auch sie bisher nicht viel erreicht – obwohl sie zur ganz großen Koalition um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zählen. Der Grund: Die CDU-Politikerin von der Leyen hat andere Prioritäten – und die Steuerpolitik ist Ländersache.
Die EU-Kommission kann nur Vorschläge machen, ohne Deutschland und die 27 anderen Mitgliedsländer geht gar nichts. De Masi warnt denn auch davor, allzu große Hoffnungen in Hoekstra und die „von-der-Leyen-Behörde“ zu setzen. „Ohne Druck aus den Hauptstädten wird Brüssel nicht liefern, weil die Interessen des großen Geldes gerade in Brüssel besonders stark sind.“
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