Uneinigkeit in der Bundesregierung: Ein bisschen was fürs Klima
Das umfassende Klima-Sofortprogramm der Bundesregierung ist gescheitert. Stattdessen präsentierten Ministerien einzelne Pläne.
Stattdessen stand nun am Mittwoch um 12 Uhr mittags Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) allein vor dem Bundeskanzleramt und referierte seine Pläne für das zu CO2-lastige Verkehrswesen. Eine halbe Stunde später wandte sich Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in Habecks Wirtschaftsministerium an die Presse, neben sich den Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen. Die beiden präsentierten zusammen, wie Deutschlands Häuser und speziell deren Heizungen klimafreundlicher werden sollen.
Auf der einen Seite rot-grüne Kooperation, auf der anderen Seite ein FDP-Alleingang? „Wir haben eigentlich vorgehabt, ein Klimaschutz-Sofortprogramm für alle Ressorts vorzustellen“, räumte Graichen leicht säuerlich ein. „Die Ressortabstimmungen dazu dauern noch an.“ Sprich: Man konnte sich nicht fristgemäß auf ein gemeinsames Programm einigen.
Drei Monate haben die zuständigen Ministerien laut Klimaschutzgesetz Zeit, sobald klar ist, dass die Klimaziele im vergangenen Jahr verfehlt wurden. Die Frist ist jetzt abgelaufen. Für weitere Verhandlungen war also keine Zeit mehr. Deshalb gab es nun doch einzelne Programme für die zwei Bereiche, in denen es im vergangenen Jahr nicht gesetzeskonform lief: Verkehr und Gebäude.
Laut Expertin beim Verkehr „Minimallösung“
Wissing will die Klimaschutz-Lücke in seinem Zuständigkeitsbereich vor allem durch den Ausbau von E-Ladesäulen, Fahrradwegen und einer „Ausbau- und Qualitätsoffensive im ÖPNV“ schaffen. Außerdem will er zum Beispiel die Digitalisierung fördern, um mehr Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, was Arbeitswege einspart. „Mit unserem heute vorgestellten Maßnahmenpaket gleichen wir die Differenz vollständig aus und führen den Verkehrssektor zurück auf den Pfad der Einhaltung der Klimaziele“, sagte Wissing.
Das sehen Expert:innen anders. Von einer „Minimallösung“ spricht etwa Wiebke Zimmer, Vizechefin des Thinktanks Agora Verkehrswende. „Anreize für Ladeinfrastruktur, Radverkehr und ÖPNV sollen gestärkt werden, aber die Fehlanreize für den fossilen Autoverkehr bleiben unangetastet.“ Sie kritisiert, dass Wissing sich nur auf die Klimaschutz-Lücke aus dem vergangenen Jahr konzentriere, aber nicht berücksichtige, dass diese ja mit den Jahren wachsen werde. Schließlich müssen die Emissionen jedes Jahr weiter sinken.
Bei den Grünen gab es ungewöhnlich offene Kritik am Koalitionspartner. Es sei „mehr als fraglich“, ob Wissings Vorhaben ausreichen würden, sagte etwa die Vize-Fraktionschefin Julia Verlinden. Details zu den Plänen lieferte Wissing kaum. Sein Papier ist mit 3 Seiten auch deutlich kürzer als das 15-seitige Programm seiner Kabinettskolleg:innen zu den Gebäuden.
Geywitz und Habeck wollen, dass ab 2024 nur noch Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die zu mindestens 65 Prozent erneuerbar laufen. Das heißt: Reine Gas- oder gar Ölheizungen dürfen dann nicht mehr neu eingebaut werden. Sie dürfen dann höchstens noch Ergänzung werden, etwa zu einer Wärmepumpe, was je nach Sanierungsstand des Hauses temporär sinnvoll sein kann. Diese Pläne sind allerdings nicht neu, sondern schon seit März bekannt.
Auf die Frage, was an dem Sofortprogramm denn nun neu sei, antwortete Geywitz ausweichend. „Es ist ja nicht erst seit heute so, dass wir wissen, dass da etwas passieren muss“, sagte die Bauministerin. Man arbeite deshalb schon seit Dezember an den Vorhaben.
Unter anderem soll es auch Schulungsprogramme für Heizungsinstallateur:innen geben. Außerdem wollen die Ministerien mit den Kommunen zusammen an der Energiewende der heute noch vor allem fossil betriebenen Fernwärmenetzen arbeiten und die Sanierungsrate öffentlicher Gebäude erhöhen.
Auch das Gebäude-Paket bekommt aus der Umwelt-Szene nicht nur gute Kritiken. „Das Sofortprogramm für den Gebäudesektor geht peinlicherweise davon aus, dass die notwendigen CO2-Einsparungen bis 2030 um Millionen Tonnen verfehlt werden und gleichzeitig in den nächsten Jahren kein Handlungsbedarf im Gebäudesektor besteht“, kritisierte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe.
Dass die Maßnahmen kein Sofortprogramm im eigentlichen Sinne sind, sondern eher mittelfristig wirken werden, gibt auch Staatssekretär Graichen zu. Die im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Emissionsgrenzen würden „in den nächsten 2 oder 3 Jahren“ noch mal überschritten. Er versprach: „Danach übererfüllen wir sie aber, sodass wir dann insgesamt die Ziele bis 2030 erreichen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit