Undercover-Methoden in Hamburg: Verdeckter Einsatz kommt vor Gericht
Der Radiosender FSK klagt wegen der verdeckten Ermittlerin Iris P. gegen die Innenbehörde. Auch eine Ex-Geliebte der Polizistin zieht vor Gericht.
Details und Auftraggeber, Hinter- und Beweggründe der verdeckten Ermittlungen liegen bis heute weitgehend im Dunkeln. Nach anfänglichen Dementis hat die Hamburger Polizei P.s Einsatz zwar eingeräumt, die Einsatzleiter – die „VE-Führer“ – wollen jedoch nie ein Eindringen P.s in den Radiosender angeordnet haben.
Fest steht, dass Iris P. von 2002 bis 2006 im Auftrag der Bundesanwaltschaft als verdeckte Ermittlerin im Einsatz war, parallel dazu aber auch für das Landeskriminalamt als verdeckte Aufklärerin. In dieser Funktion hätte sie keinesfalls Privatwohnungen betreten dürfen. Für das FSK „steht außer Frage, dass angesichts der schwerwiegenden Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit eine gerichtliche Befassung mit der ‚Causa Iris Schneider‘ erforderlich ist“, sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke, der die Feststellungsklage für den Sender eingereicht hat. Es gehe zudem „darum, dass das regelmäßige Betreten und Aufhalten in den Redaktionsräumen rechtswidrig war“.
Pressefreiheit setze auf das Vertrauen unter den Redaktionsmitgliedern und der Informanten, sagt Regina Mühlhäuser von der FSK-Redaktion „re(h)v(v)o(l)lte“, die den Fall P. öffentlich gemacht hatte. „Wenn eine Person an Redaktionsarbeit, Sendungsvorbereitung und -produktion beteiligt ist, die ohne das Wissen der anderen ihr Gehalt von der Polizei bezieht, wird die Pressefreiheit zur Farce.“
Iris P. alias „Iris Schneider“ war von 2000 bis 2006 in der Hamburger linken Szene im Einsatz: als verdeckte Ermittlerin und parallel als verdeckte Aufklärerin.
Verdeckte Aufklärer –seit 2001 „Beamte für Lagebeurteilung“ –sind nicht offen arbeitender Polizisten: Sie besuchen etwa öffentliche Veranstaltungen, dürfen aber keine Privatwohnungen betreten.
Verdeckte Ermittler können zur Erkennung und Abwehr schwerer Straftaten eingesetzt werden –auch in Privatwohnungen. Ihr Einsatz bedarf jedoch der Genehmigung der Staatsanwaltschaft
Unterdessen widerspricht die Anwältin Daniela Hödl Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD), der Mitte Oktober vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft gesagt hatte, die „anonymen Anschuldigungen“ gegen Iris P. wegen gezielt eingegangener Liebesbeziehungen seien nicht zu verifizieren – die Betroffenen, so Neumann, sollten „Gesicht zeigen“. Hödl nun weist darauf hin, dass eine Mandantin, die sich damals in der queerfeministischen sowie Bauwagenszene bewegte, im September sehr wohl vor der Polizei ausgesagt habe – und zwar, dass sie von Herbst 2005 bis zu deren Verschwinden im April 2006 eine intime Beziehung mit P. gehabt habe.
Die Initiative für die erste Verabredung der beiden sei von Iris P. ausgegangen, sagt Hödl: „Sie trafen sich während dieses Zeitraums mehrmals pro Woche, selbstverständlich auch in den jeweiligen Wohnungen.“ Demnach übernachtete P. bei Hödls Mandantin und hielt sich auch alleine in deren Wohnung auf.
Eine andere Frau, die zuvor mit Iris P. liiert und drei Mal mit ihr im Urlaub gewesen war, hat am Dienstag ebenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht: wegen „schweren Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe