Unabhängigkeitstag in Brasilien: Generalprobe für den Umsturz
Brasiliens Präsident Bolsonaro gerät zunehmend unter Druck. Am Unabhängigkeitstag mobilisiert er die Massen gegen das Verfassungsgericht.
E in „Flop“ sollen die Proteste von Anhänger*innen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gewesen sein. So tönte es bereits am Dienstagnachmittag, als die Demonstrationen noch im vollem Gange waren. Zehntausende waren auf die Straße gezogen, um ihrem krisengebeutelten Idol den Rücken zu stärken. Diktaturfans, Farmer, Christen, eine krude Mischung. Und es stimmt: Am Ende demonstrierten weniger Menschen als erwartet.
Bolsonaros vollmundige Ankündigung, dass sich „das Volk“ erheben werde, ist wahrlich nicht eingetreten. Die ganz großen Bilder sind ausgeblieben. Ein Misserfolg waren die Proteste trotzdem nicht, im Gegenteil. Denn Bolsonaro hat es wieder einmal geschafft, seine radikale Anhängerschaft zu mobilisieren – und das ist das, was für ihn zählt. Seit jeher macht der Rowdypräsident ausschließlich Politik für seine Basis.
Es ist eine Politik der permanenten Mobilisierung. Bolsonaro braucht die Spannung, die Konflikte, die Empörung. Das hat er gestern mit seiner Forderung erreicht, nicht länger Entscheidungen vom Obersten Gerichtshof zu befolgen. Die Putschfantasien kommen bei seinen Anhänger*innen gut an. Sie feiern ihn wie einen Gott für seinen Radikalismus, für die ständigen Provokationen und für seine ungehobelte Art.
Die meisten Bolsonaro-Fans stecken ohnehin tief in Echokammern fest. Kritik von außen? Kommunistische Propaganda! Widerspruch? Lügen des Establishments! Faktenchecks? Attacken der Systemmedien! Deshalb werden sie den gestrigen Tag wahrscheinlich als Erfolg feiern. Sich im Gefühl wähnen, im Herzen eines Aufstandes gewesen zu sein. Glauben, einen wichtigen Schritt zur rechten Revolte gemacht zu haben.
Ja, Bolsonaro steckt in einer schweren Krise. Doch mit seinen fanatisierten Anhänger*innen an der Seite wird es ihm mit ziemlicher Sicherheit gelingen, im nächsten Jahr in die Stichwahl um die Präsidentschaft einzuziehen. Was danach passiert, ist unberechenbar. Was indes als sicher gilt: Der ausgemachte Antidemokrat Bolsonaro wird nicht einfach abdanken. Deshalb sind Proteste wie die gestrigen so wichtig, als Generalprobe für den großen Umsturz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“