Unabhängigkeit der Justiz: Straffe Hierachie für Staatsanwälte

Richter und Anwälte streiten über das Weisungsrecht der Politik gegenüber Staatsanwaltschaften. Anlass: Die Entlassung von Harald Range.

Harald Range und Heiko Maas

Maas (r.) zeigte sich empört darüber, dass Range (l.) ihm eine Weisung unterstellte. Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Die Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range hat eine Debatte über die Weisungsgebundenheit von Staatsanwälten ausgelöst. Der Deutsche Richterbund bekräftigt seine langjährige Forderung, das Weisungsrecht der Politik gegenüber den Staatsanwälten völlig abzuschaffen. Der Deutsche Anwaltverein will die politische Kontrolle aber beibehalten. Sonst entstünde eine „Demokratielücke“.

„Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“ Unter anderem mit diesem Satz griff Generalbundesanwalt Range am Dienstagmorgen seinen Minister Heiko Maas an. Dieser wies die Vorwürfe umgehend zurück und entließ Range noch am gleichen Abend. Ein weiterer Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz?

Richtig unabhängig sind in Deutschland ausschließlich die Richter. Jeder einzelne Amtsrichter kann unabhängig von Weisungen der Politik oder seiner Vorgesetzten agieren. Er entscheidet nur nach seiner Rechtsauffassung. Er kann sich dabei an den Vorgaben höherer Gerichte orientieren, muss es aber nicht.

Ein vermeintlich „falsches“ Urteil kann nur korrigiert werden, indem der Betroffene Rechtsmittel einlegt und die höhere Instanz dann anders entscheidet. Gerichtspräsidenten haben nur Verwaltungsaufgaben, Einfluss haben sie allenfalls über Personalbeurteilungen. Wenn ein Richter aber nicht befördert werden will, ist er völlig unabhängig. Manche Richter bleiben daher ihr Leben lang Amtsrichter.

Staatsanwälte sind abhängig

Der einzelne Staatsanwalt ist dagegen überhaupt nicht unabhängig. Er ist in eine straffe Hierarchie eingebunden und muss die Weisungen seiner Vorgesetzten befolgen. An der Spitze jeder Staatsanwaltschaft steht ein Leitender Oberstaatsanwalt, der sich auch in einzelne Fälle einmischen kann. Darüber wiederum wachen die Generalstaatsanwälte, die jeweils für einen OLG-Bezirk zuständig sind. Auch sie können Weisungen geben.

Und über den Generalstaatsanwälten stehen die Landesjustizminister, die ebenfalls weisungsbefugt sind. Früher konnten die Minister die Generalstaatsanwälte sogar ohne jeden Grund entlassen, denn diese galten als politische Beamte. Das haben in den vergangenen 15 Jahren alle Bundesländer abgeschafft. Nur der Generalbundesanwalt ist noch politischer Beamter.

Das Weisungsrecht der Politik blieb aber in Bund und Ländern bestehen. Schließlich ist die Staatsanwaltschaft nicht nur Teil der Justiz, sondern auch der Exekutive. Im Zweifel trägt der Justizminister die Verantwortung. Er muss im Parlament und in den Medien Rede und Antwort stehen.

Gesteuert wird subtiler

Faktisch machen die Minister vom Weisungsrecht aber kaum Gebrauch. In manchen Bundesländern wie in Nordrhein-Westfalen gibt es sogar eine Selbstverpflichtung des Justizministeriums, dieses Instrument nicht zu nutzen. Gesteuert wird dann aber subtiler – über Berichtspflichten, über gut gemeinte Ratschläge und fachliche Einschätzungen.

Eine Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister würde also nicht viel ändern. Gestärkt würde dabei auch nicht der einzelne Staatsanwalt, der weiter von seinen Vorgesetzten abhängig bliebe, sondern nur der jeweilige Generalstaatsanwalt.

Die Ironie der Geschichte: Justizminister Maas machte Range seine „Unabhängigkeit“ gar nicht streitig. Maas beharrt nicht darauf, dass er Range anweisen durfte.

Vielmehr insistiert Maas, dass es gar keine Weisung gegeben hat – und zeigte sich empört darüber, dass Range ihm dennoch eine Weisung unterstellte.

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