Umweltrechtlerin zu kürzeren Planungen: „Nur nicht auf Kosten der Umwelt“
Die Ampelkoalition will Planungszeiten für Windräder oder Stromtrassen verkürzen. Eine gute Idee, findet die Umweltrechtlerin Louisa Hantsche.
taz: Frau Hantsche, die Ampel-Koalition will Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windräder oder Stromtrassen beschleunigen. Wie finden Sie das als Umweltrechtlerin?
Louisa Hantsche: Planungsbeschleunigung ist sehr sinnvoll. Sie darf nur nicht auf Kosten der Umwelt und der Rechtsschutzmöglichkeiten gehen.
Sind Sie deshalb so aufgeschlossen, weil heute keine Atomkraftwerke mehr geplant werden, sondern Bahnstrecken, Windräder und Trassen für Öko-Strom?
Nein, das ist nicht der Grund. Ich bin schon immer davon ausgegangen, dass es möglich ist, Planung zu beschleunigen, ohne den Rechtsschutz zu beschneiden.
Im Koalitionsvertrag wird angestrebt, die Verfahrensdauer zu halbieren. Ist das ohne problematische Folgen zu realisieren?
Darüber will ich jetzt noch nicht spekulieren. Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag sind teils sehr vage. Hier müssen wir auf konkrete Gesetzentwürfe warten.
Die Koalition will mit dem Instrument der Legalplanung arbeiten, das heißt wichtige Bahnstrecken und Stromtrassen sollen per Gesetz genehmigt werden und nicht per Verwaltungsakt. Wie finden Sie das?
Bei einer Legalplanung besteht die Gefahr, dass sie den Rechtsschutz verkürzt. Wenn ein Vorhaben per Gesetz des Bundestags genehmigt wird, ist eigentlich nur noch eine Verfassungsbeschwerde möglich. Doch die Koalition scheint das Problem erkannt zu haben und sieht nun zumindest eine Instanz beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Das ist erfreulich. Allerdings könnte die Legalplanung kontraproduktiv sein, weil die Planungsfachleute in den zuständigen Behörden sitzen und nicht in den Ministerien.
Die Koalition plant eine „Mitwirkungspflicht für Umweltverbände“. Was halten Sie davon?
Das ist ein seltsamer und potentiell problematischer Vorschlag. Die Umweltverbände haben ein Mitwirkungsrecht im Verfahren, keine Pflicht. Möglicherweise geht es darum, dass Verbände, die im Verwaltungsverfahren nicht teilgenommen haben, dann auch nicht gegen die Genehmigung klagen können. Das würde aber gegen EU-Recht verstoßen.
31, ist Projektleiterin am Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in Berlin.
Die Koalition will wieder eine Form der Präklusion einführen. Das heißt, Kläger dürfen vor Gericht nichts vorbringen, was sie nicht bereits im Verwaltungsverfahren gerügt haben....
Die Präklusion hat der Europäische Gerichtshof bereits 2015 beanstandet. Danach wurde sie weitgehend abgeschafft. Ich sehe nicht, wie sie jetzt wieder eingeführt werden könnte, ohne EU-Recht zu verletzen.
Der Klimaschutz soll gegenüber dem Artenschutz gestärkt werden. Ist das gut?
Ich bin natürlich dagegen, Klimaschutz und Artenschutz gegeneinander auszuspielen. Beide Ziele sind wichtig. Grundsätzlich ist der Ansatz der Koalition vertretbar, künftig beim Artenschutz mehr auf den Schutz von Populationen zu achten. Hier kommt es jedoch auf die konkrete Ausgestaltung an und da ist der Koalitionsvertrag noch unklar. Vor allem ist eine gute Koordination zwingend erforderlich. Es wäre fatal, wenn überall einzelne Tiere geopfert werden und am Ende doch die Population gefährdet ist.
Sehen Sie Beschleunigungsmöglichkeiten, die im Koalitionsvertrag fehlen?
Das größte Beschleunigungspotenzial sehe ich bei der Verwaltung. Die Behörden benötigen mehr Ressourcen und sollten selbst Fristen einhalten müssen, damit die Projekte zügig vorangehen. Es hat keinen Sinn, wenn nur für Kritiker einer Maßnahme strenge Fristen gelten.
Oft fehlt den Behörden schlicht das Personal…
Das ist ein grundsätzliches Problem und wird im Koalitionsvertrag der Ampel auch so gesehen. Ich befürchte jedoch, dass dafür aktuell nicht ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die Beschleunigungsziele der Koalition zu erreichen. Schuld sind dann aber sicher nicht die Umwelt- und Naturschutzverbände.
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