Umstrukturierung beim BVB: Vor den Restaurationsarbeiten
BVB-Chef Watzke sieht in dem Spiel seiner Borussen gegen die Bayern weiterhin ein Gipfeltreffen. Dem Klub steht eine schwierige Transferperiode bevor.
Die Worte, die Hans-Joachim Watzke wählt, klingen in diesen Tagen etwas anders, aber im Prinzip bleibt seine Botschaft unverändert. „Bei aller gebotenen Demut, wenn du an zehnter Stelle stehst, glaube ich schon, dass das Spiel des BVB gegen Bayern die deutsche Fußballgemeinde deutlich mehr interessiert, als wenn Wolfsburg gegen Bayern spielt“, sagt der Geschäftsführer von Borussia Dortmund vor dem Klassiker zwischen seinem kriselnden Revierklub und dem Rekordmeister.
Im Prinzip betrachten sie sich also immer noch als Nummer zwei in der deutschen Klublandschaft, wie in den guten Zeiten, als Watzke das Bild vom BVB als „zweitem Leuchtturm“, neben den Bayern prägte.
Und dafür gibt es gute Gründe. Zwar stehen der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und auch Schalke 04 in der Tabelle deutlich besser da – der mit Abstand aufregendste Klub im großen Bundesligatheater war aber auch in dieser Saison der BVB. Viele Spiele wurden zu atemberaubenden Dramen, und der Absturz war mitreißend, spektakulär, rätselhaft. Mit einem Sieg gegen die Bayern könnten sie nun endgültig den Klassenerhalt schaffen und das Ziel Europa League ins Auge fassen.
„Wir sind uns alle im Klub im Klaren darüber, dass jeder Punkt, den wir gegen hinten sammeln, wenn es denn rechtzeitig geschieht, uns diese Möglichkeit gibt“, sagt Jürgen Klopp. Und über den Pokal kann der BVB, der übrigens zu den vier besten Teams der Rückrunde zählt, ebenfalls den internationalen Wettbewerb erreichen. Noch bedeutsamer für die Zukunft sind aber die Entscheidungen, die in diesen Tagen hinter der Ziegelfassade der Geschäftsstelle am Rheinlanddamm getroffen werden.
Kein Trainerwechsel
Dort stellen Watzke, Klopp und Sportdirektor Michael Zorc die Weichen für die kommenden Jahre, und das ist eine viel größere Herausforderung als das Spitzenspiel gegen den FC Bayern. Beschlossen haben sie bereits, dass es keinen Trainerwechsel geben wird, nun wird an der Mannschaft der Zukunft gebastelt. Der Kicker hat ausgerechnet, dass die Dortmunder seit dem großen Champions-League Finale von 2012 insgesamt 115,2 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben haben, mehr als der damalige Gegner aus München (110 Millionen).
Und trotzdem versanken sie ganz tief im Abstiegssumpf. Noch sei es „zu früh für eine abschließende Analyse“, sagt Zorc zwar, aber klar ist, dass Fehlentscheidungen getroffen wurden. Und natürlich wissen sie längst, was sich ändern muss.
Mit den Abgängen von Mario Götze und Robert Lewandowski wurden die Dortmunder ihrer wichtigsten Ausweichstrategien zum klassischen Balleroberungsfußball beraubt. Götze ist in der Lage, ohne viel Platz und praktisch aus dem Stand Räume gegen tief stehende Gegner zu öffnen. Und Lewandowski kann mit dem Rücken zum Tor lang geschlagene Bälle verarbeiten, die die Dortmunder gerne spielen, wenn ein Gegner presst. Passender Ersatz wurde trotz der enormen Investitionen nicht gefunden.
In dieser Saison haben die Dortmunder immer dann Probleme, wenn Gegner wie der Hamburger SV oder Köln tief stehen. Oder wenn eine Mannschaft weit vor dem eigenen Tor hohen Druck auf den Dortmunder Spielaufbau ausübt.
Ein neuer Geist
Diese Eindimensionalität des BVB-Fußballs ist jenseits der vielen Verletzungen im Kader eine große Schwäche. Daher wird die anstehende „Neujustierung“, von der Geschäftsführer Watzke spricht, darin bestehen, das Spiel wieder flexibler zu machen. Das Problem ist nur, dass die gewünschten Umbauten am Kader nicht so einfach durchgeführt werden können.
Am Saisonende läuft nur der Vertrag von Sebastian Kehl aus, alle anderen Spieler, die der BVB eventuell loswerden möchte – spekuliert wird über Henrikh Mkhitaryan, Roman Weidenfeller, Ciro Immobile, Kevin Großkreutz, Milos Jojic, Adrian Ramos, Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer –, müssen einem Wechsel zustimmen. Und Leute wie Mats Hummels oder Ilkay Gündogan könnten von sich aus auf einen Abschied drängen.
Zwar wäre das bei einigen dieser Spieler für sich genommen ein Verlust, aber neue Bewegung im Kader könnte der Schlüssel zur Rückkehr in die Champions League sein. Denn nach allem, was die Mannschaft durchgemacht hat, braucht das Team nicht nur neue fußballerische Lösungen, sondern auch einen neuen Geist, der nicht den süßen Jahren 2011, 2012 und 2013 nachhängt, sondern einen Glauben an die Zukunft verkörpert. Sonst könnten die Duelle der Münchner gegen Wolfsburg bald doch mehr Fans elektrisieren als der Klassiker vom Samstagabend.
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