Umstrittenes Schwert-Video: Mehr als ein Verkehrsunfall

Vom Schwertmord in Stuttgart zirkuliert ein Video im Netz. Das mag vielen nicht gefallen, doch die Medien haben kein Monopol mehr.

Frau im Rollstuhl legt Blumen ab

Blumen am Tatort: In Stuttgart hat ein Mann mit einem Schwert einen anderen erstochen Foto: dpa

Immer häufiger zirkulieren nach öffentlich begangenen Straftaten Videos. Manche wurden von Passanten mit dem Smartphone aufgenommen, andere stammen von Überwachungskameras. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat mit Blick auf das Video vom Stuttgarter Schwertmord einen Prüfvorgang eingeleitet. Auf eine förmliche Strafverfolgung sollte sie allerdings unbedingt verzichten.

Zu diesem Ergebnis kommen viele sicher leichter, wenn es um die Dokumentation der Tat eines weißen Rassisten geht. Aber das Recht soll neutral sein und muss auch für Videos gelten, die sogenannte Ausländerkriminalität dokumentieren. Viele Strafvorschriften passen gar nicht. Weder wird hier Gewalt verherrlicht noch verharmlost. Auch die Hilflosigkeit des Opfers wird nicht zur Schau gestellt, genauso wenig wird seine Menschenwürde verletzt. Denn es geht um die Brutalität und Grausamkeit des Täters. Diese wird mit den geteilten Videos angeprangert.

Bleiben das Recht am eigenen Bild und der Jugendschutz. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, etwa für „Darstellungen aus dem Bereich der Zeitgeschichte“. Diese Ausnahme liegt vor, wenn das Video nicht aus Sensationslust gepostet wird, sondern als Beitrag zu einer gesellschaftlichen Debatte. Rassismus, Waffenkontrolle, aber auch die kriminalpolitischen Folgen der Flüchtlingspolitik sind solche politischen Debatten. Es geht eben nicht um einen bloßen Verkehrsunfall.

Nicht mehr haltbar ist auch der Einwand, dass gesetzliche Privilegien für „Berichterstattung“ nur den klassischen Medien zustehen, nicht aber privaten Postings bei Twitter und Face­book. Wir erleben einen erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit. Presse und Rundfunk haben kein technisches Monopol mehr, weil sich jeder an die Öffentlichkeit wenden kann. Die Meinungsfreiheit muss heute daher ebenso viel Schutz gewährt werden wie die Pressefreiheit.

Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, die so geschmähte „Lückenpresse“ versuche ihr altes Berichterstattungsmonopol über die Strafverfolgung von Bürgern sicherzustellen, die reale Ereignisse dokumentieren.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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