Umstrittenes Pflanzengift und die Groko: Streit über Glyphosat-Zeitplan
Was steht im Sondierungspapier zu Glyphosat? Die SPD-Umweltministerin sagt, es müsse einen Ausstieg bis 2021 geben. Die CSU widerspricht.
Im Sondierungspapier hatten sich Union und SPD geeinigt, die Glyphosat-Anwendung „so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden“. Ein Datum wird nicht genannt. Doch am Dienstag lieferte Hendricks ihre Interpretation des Beschlusses. Die private Anwendung und die Nutzung bei erntereifen Pflanzen könne noch in diesem Jahr beendet werden; in anderen Bereichen, etwa im Weinbau, könne es länger dauern. „Grundsätzlich muss der systematische und schrittweise Ausstieg in dieser Legislaturperiode beendet sein“, sagte die Umweltministerin.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht nicht nur die Frage des Sieges anders. Man habe sich „ohne Sieger und Besiegte geeinigt“, antwortete er auf Hendricks’ Aussage. Auch inhaltlich ging er auf Distanz zur Umweltministerin. Auf die Frage der taz, ob er das Ziel teile, die Glyphosat-Nutzung noch in dieser Legislaturperiode zu beenden, sagte er am Rande der Konferenz: „Wir haben kein zeitliches Datum gesetzt.“ Während ein Glyphosat-Verbot für Privatanwender schnell kommen könne, könne dies in der Landwirtschaft nur „im Rahmen einer Ackerbaustrategie“ geschehen, sagte Schmidt: „Man kann nicht Glyphosat verbieten, wenn keine Alternativen da sind.“
Harald Ebner, Agrarexperte der Grünen, sieht sich durch die Uneinigkeit in seiner Kritik am Sondierungsergebnis bestätigt. „Das war vorhersehbar und zeigt, dass der Glyphosat-Ausstieg in einem Koalitionsvertrag ganz klar und mit einem verbindlichen Ausstiegsdatum geregelt werden muss“, erklärte er. „Sonst bleibt es bei vagen Ankündigungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“
Bemüht um Entspannung
Ende November hatte es heftigen Streit zwischen Hendricks und Schmidt gegeben, nachdem der Landwirtschaftsminister ohne Einverständnis der Umweltministerin – und damit gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung – in Brüssel grünes Licht gegeben hatte, die Zulassung für Glyphosat um fünf Jahre zu verlängern. Am Dienstag waren beide um Entspannung bemüht. Hendricks verurteilte erneut, dass Schmidt und seine Familie nach der Entscheidung bedroht worden waren, Schmidt bescheinigte ihr im Gegenzug „menschliche Größe“.
Auch unabhängig von der Glyphosat-Entscheidung äußerte sich Ministerin Hendricks zufrieden mit dem Sondierungsergebnis. „Ich betrachte es als gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen“, sagte sie. Erfreulich sei, dass ein bundesweites Gentechnikverbot festgeschrieben worden sei. Die Kritik von Umweltverbänden, dass die Formulierung, „ein Verbot werden wir bundesweit einheitlich regeln“, nicht eindeutig sei, wies sie zurück.
Auch dass das deutsche Klimaziel für 2020 nicht mehr komplett, sondern nur „so weit wie möglich“ erreicht werden soll, verteidigte die Umweltministerin – mit Verweis auf die Pläne von Union, FDP und Grünen: „Auch die Jamaika-Koalition hätte das Klimaziel nicht erreicht“, sagte Hendricks.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“