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Umstrittenes Denkmal in ItalienSo offen, so brutal

Indro Montanelli gilt als Gottvater des Journalismus in Italien. Weil er ein rassistischer Vergewaltiger war, fordern Einige den Abriss der Statue.

Rassistischer Vergewaltiger in Bronze: Die verfremdete Statue Indro Montanellis in Mailand Foto: Flavio Lo Scalzo/Reuters

Indro Montanelli hat noch einmal Glück gehabt. In diversen Ländern ging es zuletzt Statuen an den Kragen, landeten sie in Hafenbecken, weil da Sklavenhändler und Rassisten verehrt wurden. Doch der überlebensgroße Montanelli thront noch immer in Mailand, über seine Schreibmaschine gebeugt, im zentral gelegenen Park, der seinen Namen trägt: „Giardini Montanelli“.

Allerdings wurde er vor einigen Tagen leicht ramponiert, mit einem Eimer roter Farbe, den Aktivisten des linken Schüler*innenkollektivs „Rete Studenti Milan“ über ihm auskippten.

In einer kurzen Mitteilung ließen die Täter wissen, sie verlangten die Beseitigung der Statue, schließlich werde da einer verehrt, der „Sklaverei, Kolonialismus, Frauenfeindlichkeit, Faschismus und Rassismus zu seiner Mentalität gemacht“ habe.

Die Attacke hat es in sich, schließlich geht sie gegen einen, der vielen in Italien als der größte Journalist des 20. Jahrhunderts gilt, gegen einen Rechtskonservativen, der jedoch in seinen späten Jahren auch auf der Linken hohes Ansehen genoss, weil er sich 1994 gegen den damals frisch in die Politik eingetretenen Silvio Berlusconi stellte und bis zu seinem Tod 2001 bei dieser Haltung blieb.

Ein 12-jähriges Mädchen

Doch ehe er im Nachkriegs­ita­lien zum journalistischen Mythos wurde, hatte der damals 26-jährige Montanelli sich 1935 freiwillig für Italiens Kolonialkrieg in Abessinien gemeldet. An den unmittelbaren Kriegsgräueln inklusive Giftgaseinsatz war er nicht weiter beteiligt. Montanelli kaufte sich allerdings ein 12-jähriges Mädchen.

„Ein Pädophiler und Vergewaltiger“ war er deswegen in den Augen jener, die jetzt seine Statue beseitigt sehen wollen. Und sofort ging in den letzten Tagen eine Welle der Empörung durchs Land – nicht gegen Montanelli jedoch, sondern gegen seine Kritiker, die mit ihrem Farbeimer „Vandalismus“ begangen, die sich als „Fanatiker“, als „Bilderstürmer“ aufgeführt hätten.

So barmt Beppe Severgnini, eine der Edelfedern des Corriere della Sera, Montanelli habe es „akzeptiert“, die kleine Destà, noch ein Kind, auf Zeit zu ehelichen. Darf man Severgnini glauben, wurde sie Montanelli von den Eritreern gleichsam aufgedrängt.

Genauso sieht das Marco Travaglio, journalistischer Ziehsohn Montanellis und heute Chefredakteur der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano. „So machte man es damals“, kommentiert Travaglio, und dann will er Montanelli auch noch zum Antrirassisten hochstilisieren: „Ein Rassist hätte mit einer afrikanischen Frau nicht einmal einen Kaffee getrunken und sie erst recht nicht geheiratet.“

„Nutzungsvertrag auf Zeit“

Dumm nur, dass Montanelli in einem Interview von 1982, dann in einem Artikel im Jahr 2000 ebenso ungeschminkt wie zynisch von dieser „Heirat“ mit dem „gefügigen Tierchen“ berichtet. Sie beginnt mit einem sexuellen Notstand. „Es ging darum, eine intakte Gefährtin zu finden, aus gesundheitlichen Gründen.“ Es wurde ein Vertrag aufgesetzt, „das war kein Hochzeitsvertrag, sondern eine Art Leasing, ein Nutzungsvertrag auf Zeit“. Für das Mädchen, ein Pferd und ein Gewehr habe er dem Vater 500 Lire gezahlt, referiert Montanelli.

Dann beschwert er sich noch, die kleine Destà habe nach Ziege gestunken, und es habe der energischen Intervention ihrer Mutter bedurft, um ihren Widerstand gegen den Sex mit dem Kolonialoffizier zu brechen. Mehr noch: Beim Sex habe das infibulierte Mädchen keinerlei Gefallen verspürt.

So offen, so brutal, so zynisch. Nicht umsonst zitiert nicht einer aus der breiten Journalistenfront, die Montanelli verteidigt und von „Ehe“ schwadroniert, die Worte des Protagonisten. Nur einer gibt zu, etwas näher hingeschaut zu haben: Mailands Bürgermeister Beppe Sala. „Verstört“ zeigt er sich von der „Leichtfertigkeit“, mit der Montanelli über seine Vergangenheit redete, doch dann kriegt auch Sala die Kurve. Könne man ein „makelloses Leben“ verlangen, habe nicht jeder von uns schon gefehlt? Kurz und gut, die Statue müsse an ihrem Platz bleiben.

Doch das Schüler*innenkollektiv lässt nicht locker. Unter dem Slogan „Vergewaltigung und Pädophilie sind kein ‚Irrtum‘“ rief es am vergangenen Montag zu einer Protestkundgebung vor dem Mailänder Rathaus auf.

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8 Kommentare

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  • der park ist umzubenennen und die statue zu entfernen.



    aber wohin damit? am besten in ein kriminalhistorisches museum in dem auf schautafeln über die verbrechen des italienischen kolonialismus informiert wird.



    die rote farbe mit der die statue nicht unpassend kommentiert worden ist sollte nicht entfernt werden

    in italien stehen sogar noch statuen die den faschistischen diktator Benito Mussolini darstellen

    das sollte nicht so bleiben

    in deutschland dass sich oft einbildet es gehe mit seiner vergangenheit als kolonialistischer und imperialistischer gewaltverbrecherstaat kritischer um als italien



    stehen im öffentlichen raum auch noch derartige skandalöse denkmäler

    in köln auf der dombrücke steht zum beispiel ein reiterdenkmal das "kaiser" Wilhelm den Zweiten darstellt

    es sollte symbolisch in den rhein gestürzt werden und danach in ein kriminalhistorisches museum umziehen

  • Vielleicht zur Abwechslung einfach mal im Diktionär nachschauen, was das Wort "Gottvater" bedeutet? Herr im Himmel!

  • Die Literaturwissenschaftlerin Sarah Pines ist den tieferen Wurzeln dieses puritanischen Geistes der Reingung auf der Spur:

    „Auf beiden Seiten des politischen Spektrums, im Repräsentantenhaus, in den Medien, kurz: auf den Haupttribünender Gesellschaft, beschuldigen und bestrafen die einen die Ansichten der anderen und umgekehrt, besessen von einem Geist, der so viel älter ist als die Wahl Trumps, als ‚MeToo‘, ‚Black Lives Matter‘ oder Diversity.

    Es ist der Geist, den der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne als puritanischen Verfolgungsgeist bezeichnete; ein Geist, dem einst Indianer und Hexen zum Opfer fielen und der weiterhin alarmistisch bezichtigt und scheinheilig verfemt. Nur der Wahrheit mag er nicht dienen, die nie schwarz oder weiss ist und deren Kontur allenfalls in der Debatte wahrnehmbar werden kann, aber nicht im Totschweigen.

    So war es auch, als kürzlich in Richmond, Virginia, eine Statue von Christoph Columbus in den Teich eines öffentlichen Parks geworfen wurde:Was stört, muss weg. Oder als der Chefredaktor des ‚Philadelphia Inquirer‘ zurücktreten musste, weil er der Veröffentlichung eines Artikels des Architekturressortszugestimmt hatte, der mit demTitel ‚Buildings Matter, too‘ in respektloser Weise auf ‚#BlackLivesMatter‘ angespielt hatte.

    Ausmerzen, wegmachen, statt die Konfrontation und den Austausch zu suchen. Aber die Demokratie, sie braucht doch die Öffentlichkeit, die Debatte, den Konflikt?"

    www.nzz.ch/feuille...leumdet-ld.1560760

    Sarah Pines ist promovierte Literaturwissenschafterin und freie Journalistin. Sie lebt und arbeitet in Palo Alto, Kalifornien.

    • @Weber:

      Blah, blah, blah.

      Inhaltlich zwar "irgendwie richtig" -- die Vergangenheit zu tilgen ist nicht möglich, der Versuch führt in die Irre... aber angesichts der aktuellen Zustände klingt das wie eine billige Ausrede, sich nicht mit der Gegenwart zu beschäftigen.

      Wenn die eine oder andere Statue im Hafenbecken landen... sie sind aus Bronze, sie halten es aus.

      Ob Montanellis Statue da bleiben soll oder nicht, das mag ich nicht abschliessend (für mich) klären. Und doch finde ich es passend, dass (jetzt und heute) rote Farbe drauf kommt.

      Als Prozess, nicht als Endzustand. Hätten wir eine gerechte Gesellschaft, könnten wir uns solche Statuen ohne Geräusch einfach leisten.

    • @Weber:

      Danke "Weber" für Ihren Beitrag. Weil wir heute (zeitgeistorientiert) eine andere Sicht der Dinge haben, sollten wir aus dieser Sicht aufklären. Die Vergangenheit zu "entfernen" geht eh nicht. Dazu sitzt sie zu sehr in unseren Zellen, Erinnerungen. Aufklären... z.B. eine Erweiterung dieser "Denkmäler" würde eben auch die heutige Sicht einbringen. Deshalb ja "DENK mal" im wahrsten Sinn de Wortes. Nix unter den Teppich sondern hinschauen...wie wärs mit einem Schaukasten neben dem Denkmal z.B. . Das Museum ist eben auch erstmal "aus der Sicht"...ein Weglagern. Keine Lösung. schönen Tag euch

    • @Weber:

      Wenn Konfrontation, dann ab mit den Statuen ins Museum. Einverstanden? Statt als Heldenverehrung auf den Marktplatz.

  • Klar, eg mit der Statue. Seine eigenen Aussagen lassen nichts anderes zu.

  • Was für ein widerlicher Typ. Schande