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Umstrittener MessengerdienstBehörden in Kontakt mit Telegram

Die Betreiber des Messenger-Dienstes Telegram stehen mit den Bundesbehörden in Kontakt. Es geht auch um die Verbreitung von Falschnachrichten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser steht in Kontakt mit Telegram Foto: Tobias Schwarz/reuters

Berlin afp/rtr | Im Kampf gegen strafbare Hass- und Gewaltaufrufe hat das Bundesinnenministerium erstmals einen direkten Kontakt zur Konzernspitze des umstrittenen Messengerdienstes Telegram hergestellt. „In einem ersten konstruktiven Gespräch zur weiteren Zusammenarbeit“ sei vereinbart worden, „den Austausch fortzusetzen und zu intensivieren“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) drohte den Plattformbetreibern unterdessen mit der Vollstreckung in Vermögen und strafrechtlicher Verfolgung auch außerhalb der EU.

Telegram gilt als Hauptmedium für die Koordination der Proteste gegen Coronamaßnahmen und steht wegen der Verbreitung von Morddrohungen gegen Politiker sowie Falschmeldungen in der Kritik. Die Sicherheitsbehörden hatten sich lange um einen Kontakt zu den Menschen hinter der Plattform bemüht, die sich nicht an Aufforderungen zum Löschen von Hassbotschaften und illegalen Inhalten hielten.

„Dieser Schritt ist ein guter Erfolg, auf dem wir aufbauen werden“, schrieb Faeser zu dem ersten Gespräch mit Telegram-Vertretern auf Twitter. Ein Ministeriumssprecher sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), das Gespräch habe am Mittwoch per Videokonferenz stattgefunden. An ihm nahmen demnach Faesers Staatssekretär Markus Richter und weitere Vertreter des Bundesinnen- und des Bundesjustizministeriums teil.

Dabei habe die Spitze von Telegram ihre größtmögliche Kooperationsbereitschaft mit den deutschen Behörden erklärt, hieß es. Für den künftigen direkten Austausch sei von Telegram ein hochrangiger Ansprechpartner benannt worden. Der Kontakt sei demnach über eine durch den US-Konzern Google vermittelte E-Mail-Adresse zustande gekommen.

Justizminister will Druck auf Telegram aufrechterhalten

Bundesjustizminister Buschmann will den Druck auf Telegram aber aufrecht erhalten. „Wir werden beispielsweise prüfen, ob und wo Telegram Vermögen hat, in das wir im Falle eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides vollstrecken können“, sagte er der Rheinischen Post und dem General-Anzeiger vom Freitag. Bei der Vollstreckung von Vermögen und strafrechtlicher Verfolgung auch außerhalb der EU sei die Rechtslage „eindeutig“.

Telegram sei mehr als ein Messengerdienst, sagte Buschmann weiter. Es biete die öffentlichen Funktionen eines sozialen Netzwerkes und müsse sich an das dafür gültige deutsche Recht halten. „Dazu gehört unter anderem, einen Ansprechpartner für deutsche Behörden zu benennen, wenn auf Telegram zu Straftaten aufgerufen wird, indem zum Beispiel sogenannte Feindeslisten veröffentlicht werden.“ Telegram komme dieser Verpflichtung nicht nach.

Gegenwärtig würden zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram geführt, sagte Buschmann. Es sei allerdings nicht gelungen, die dazu fälligen Bescheide für eine Anhörung dem Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten auch erfolgreich zuzustellen. „Als nächstes werden wir deshalb den Weg der öffentlichen Zustellung gehen, indem wir eine Benachrichtigung im Bundesanzeiger veröffentlichen. Wir werden also nicht lockerlassen.“

Die Herausforderung liege allerdings darin, deutsches oder europäisches Recht auch durchzusetzen, wenn ein Unternehmen wie Telegram seinen Sitz in Dubai und somit außerhalb der EU habe, sagte Buschmann. „Uns fehlen also keine Strafrechtsnormen oder Gesetze, aber es braucht eine gewisse Ausdauer, um an das Unternehmen heranzukommen“, sagte Buschmann den Zeitungen und bekräftigte: „Die haben wir.“

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2 Kommentare

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  • Es ist natürlich richtig, wenn jetzt Druck aufgebaut wird um von Telegramm Transparenz und eine gewisse Verantwortungsbereitschaft einzufordern.

    Nur geht das Problem ja noch sehr viel tiefer. Soziale Netzwerke sind eben auch bestens als Echokammern geeignet, die alle möglichen Gruppen voneinander separieren..und in jeder dieser Gruppen kann dann eine ganz eigene Realität entstehen. Denn Realität ist ja nunmal nicht rein objektiv, sondern entsteht aus einer "Rückversicherung des Glaubens"...soll heißen: wenn genügend viele Menschen an eine bestimmte Version oder Deutung glauben und sich diese fortlaufend gegenseitig bestätigen, so werden sie ihren gemeinsam Glauben als Real erleben..und alles was davon abweicht als falsch..

    In diesem Vernetzungsmechanismus steckt also auch in hohem Maße die Gefahr, dass sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen nicht nur getrennt voneinander entwickeln, sondern eben auch, dass es zu einer (unversöhnlichen) Spaltung kommt.

    Die Auswirkungen davon bekommen wir gerade zunehmend zu spüren: in Form des Streits zwischen Geimpften und Impfgegnern, als Verschwörungstheorien und als Entstehungsort von Gerüchten aller Art.

    Die USA machen uns derzeit als warnendes Beispiel vor, wohin das führen kann..

    Ich halte daher eine sehr viel grundlegendete Debatte zu dem Thema für dringend notwendig, wenn wir unsere Demokratische Gesellschaft schützen wollen.



    Und Möglichkeiten soziale Netzwerke angemessen zu moderieren gibt es genug.

    • @Wunderwelt:

      Ein sehr wichtiger Punkt. Telegram tut aktiv erstmal gar nichts, um diese Echokammern zu generieren.

      Das einzige, was Telegram von anderen Messenger-Diensten unterscheidet, ist, dass größere Gruppen und Kanäle unterstützt werden.

      Ich vermute mal, dass Telegram bei merklichem Druck (z.B. Drohung, die App aus den Stores zu verbannen) einlenken wird und Gruppen/Kanäle aufgrund sachdienlicher Hinweise schließen wird, wenn Gesetzeswidrigkeiten belegt sind.

      Viel gefährlicher für die Gesellschaft sind Facebook und Youtube, deren Algorithmen aufgrund ihres Designs dafür sorgen, dass Menschen immer weiter in Ihre Blase hineingezogen werden.

      Beide Dienste profitieren davon, wenn Menschen möglichst viel Zeit dort verbringen. Daher gibt der Algorithmus dem Nutzer immer wieder Inhalte, die seiner Überzeugung entsprechen, da das angenehmer ist und den Nutzer so länger bei der Stange hält.

      Neben der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft wird auch die den Menschen geraubte Zeit und Aufmerksamkeit durch diese Plattformen massiv unterschätzt.

      Der jährlich durch Facebook angerichtete Schaden dürfte Größenordnungen über dessen Unternehmensgewinn liegen.