Umstrittener Google Campus in Berlin: „Wir wollen ein guter Nachbar sein“
Ende des Jahres eröffnet ein Google Campus im Umspannwerk in der Ohlauer Straße. Im Kiez gibt es Protest. Google-Sprecher Ralf Bremer setzt auf Dialog.
taz: Herr Bremer, in Kreuzberg wird gegen den „Google Campus“ protestiert, Google ist überrascht. Haben Sie damit nicht gerechnet?
Ralf Bremer: Wir waren tatsächlich überrascht von der Meldung, wonach die Baugenehmigung angeblich abgelehnt worden sei. Das stimmt so nicht. Wir befinden uns in normalen Abstimmungen mit den Behörden zum Umbau eines historischen Gebäudes. Wenn ein Google Campus nach Kreuzberg kommt, ist uns klar, dass es auch Fragen geben wird. Wir sind über 100 Google-Mitarbeiter in Berlin, die mit ihren Familien hier leben. Deswegen kennen wir die Diskussion aus eigener Erfahrung. Damit setzen wir uns auseinander. Wir sprechen mit Vertretern von Stadt, Vereinen, Unternehmen und wollen uns im Kiez engagieren.
Die Reaktionen sind heftig, am 1. Mai wird auch gegen Google protestiert.
Ich kann die Dimension ja bisher nur über die Medien beurteilen. Und wir wissen alle – ich lebe seit 25 Jahren in Berlin – dass die Aufregung um den 1. Mai herum immer etwas steigt.
Warum hat sich Google trotzdem entschieden, den Campus im Umspannwerk in der Ohlauer Straße zu errichten?
Wir sind seit zehn Jahren mit einem Büro in Berlin, haben uns hier eingebracht und gesellschaftliche Verantwortung übernommen. Kreuzberg hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, ist ein Zentrum für junge Kreative mit unternehmerischen Ambitionen geworden. Wir können dort einen Beitrag leisten. Bei der Verkündung der Pläne war die Resonanz ja sehr positiv. Die jungen Gründerinnen und Gründer freuen sich darauf – und wir auch.
Die Befürchtung der Nachbarschaft: gutverdienende Akadamiker*innen, die in der Nähe wohnen wollen, steigende Mieten, Verdrängung.
Der Campus ist ja kein Google Büro und wird nur sehr wenige feste Mitarbeiter haben, voraussichtlich maximal zehn. Die Sorge, dass es in Kreuzberg zu einem größeren Zuzug kommt, ist also völlig unbegründet. Im Gegenteil ist es ja gerade der Sinn des Campus, eine Begegnungsstätte für Leute zu sein, die bereits dort sind. Also Studenten mit unternehmerischen Ambitionen, für kleine Start-ups aus der Ecke, aber auch für kleine Geschäfte. Auch jeder Betreiber eines Döner-Imbiss oder Späti, der sich mal über digitale Tools informieren möchte und wie er damit sein Geschäft verbessern kann, ist im Campus herzlich willkommen.
52, arbeitet seit 2010 als Sprecher für Google in Berlin. Er begleitet das „Entrepreneurs“-Projekt, dessen Teil der Campus ist. Zuvor war er als Journalist bei verschiedenen TV-Sendern beschäftigt.
Aber immerhin mietet Google sich in einen großen Komplex ein.
Wir haben dort eine Fläche von 2.400 Quadratmetern angemietet – das entspricht weniger als einem Viertel der Fläche des Umspannwerkes. Die anderen Einrichtungen bleiben also weiterhin erhalten.
Inwieweit könnte der Kiez von dem Campus profitieren?
Es ist ein offener Ort, um Fortbildungen zu bekommen, einen Mentor für das eigene Projekt zu finden und sich mit anderen zu vernetzen. Daneben gibt es Programme für bestimmte Zielgruppen: Etwa „Campus for Mums“, wo sich Mütter, die sich für digitale Tools und für das Gründen interessieren, ihre Kinder mitbringen und gleichzeitig Fortbildungsangebote wahrnehmen können. Wichtig ist, dass das Campus-Team vor Ort flexibel ist und auf die Anforderungen im Kiez reagiert. Das Bezirksamt hat uns bereits darauf hingewiesen, dass beispielsweise die Kinderbetreuung ein wichtiges Thema ist, aber auch Initiativen für Flüchtlinge.
Wird die Nachbarschaft einbezogen?
Der Plan war ohnehin, uns mit den Menschen vor Ort zusammenzusetzen, sobald das Campus Team steht. Aber natürlich sind wir in diesem Gedanken nach der Berichterstattung der letzten Woche darin bestätigt worden, wie wichtig es ist, sich frühzeitig hier einzubringen. Das werden wir tun. Wir werden fragen, welche Sorgen es gibt, und Angebote machen, wie wir zusammenarbeiten können, um ein guter Nachbar in Kreuzberg zu sein.
Ende des Jahres wird der Campus eröffnet. Wie können Menschen Teil davon werden?
Das Konzept: Ein Vernetzungsort für diejenigen, die sich für digitale Tools und das Gründen interessieren. Workshopangebote, Mentoren und Arbeitsräume sollen sie dabei unterstützen. Zwei Veranstaltungsräume können angemietet werden. Ein Café wird es auch geben.
Der Ort: Google hat für den Campus 2.400 Quadratmeter angemietet, das entspricht etwa einem Viertel der Fläche des Umspannwerks.
Zum einen über das Café, das für jeden zugänglich ist. Dort kann man sich mit seinem Laptop hineinsetzen und anfangen zu arbeiten. Natürlich ist dann Personal von Google anwesend, dem man seine Fragen stellen und bei dem man sich zu Workshops anmelden kann. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit, in unseren Räumen eigene Workshops für das interessierte Publikum anzubieten. Es wird einen Raum für 25 Personen geben, einen zweiten für rund 150 Personen. Dafür stellen wir unsere eigenen Mentoren zur Verfügung und ein großes Netzwerk aus Experten, die nicht direkt mit Google zusammenhängen.
Geht das auch ohne das Café?
Wer nicht über das Café in den Campus kommt, kann sich natürlich online anmelden und über Newsletter über das Campusprogramm informieren. Zudem wird es noch ein „Residency Program“ geben, in dem wenige Startups nach bestimmten Kriterien für sechs Monate einen Arbeitsort gestellt bekommen. Das genaue Programm dazu werden wir in den kommenden Monaten ausarbeiten.
Google unterstützt, finanziert, schafft Lern- und Vernetzungsräume. Auch die taz hat von Google eine bedingungslose Finanzspritze zur Entwicklung des Projektes taz.zahl ich bekommen. Das hört sich altruistisch an. Welches Interesse verfolgt Google dabei?
Es geht nicht darum, dass wir in die Start-ups oder deren Personal investieren – weder am Beginn noch am Ende. Es geht auch nicht darum, dass die jungen Unternehmen unbedingt Googleprodukte nutzen müssen – das ist völlig frei und ihnen selbst überlassen. Was wir machen: Wir fördern das Ökosystem insgesamt. Wir fördern junge Unternehmen, die digitale Tools nutzen. Wir hoffen, dass davon alle profitieren. Erstens natürlich die jungen Unternehmen, die Nachbarschaft in Kreuzberg und am Ende auch Google, wenn es mehr digitale Unternehmen gibt. Dieser Effekt ist aber sehr langfristig und indirekt.
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